Wintersport kann tödlich sein: Es sind nicht die Stürze, Zusammenstöße oder Lawinen – ein überraschend hoher Anteil aller Todesfälle auf der Piste machen Herzinfarkte aus. Besonders gefährdet sind untrainierte Urlauber auch ohne kardiale Anamnese.
Mangelhafte körperliche Fitness, niedrige Temperaturen und die Höhenlage ergeben eine tödliche Mischung, bei der das Herz nicht mehr mitspielt. Eine relative Hypoxie, erhöhte Druck- oder Volumenlast und eine Eindickung des Blutes führen zum Myokardinfarkt, der der den plötzlichen Herztod zur Folge haben kann. Besonders betroffen sind untrainierte Wintersportler, die zu Beginn ihres Skiurlaubs auf der Piste sportliche Höchstleistungen bringen wollen, berichteten Innsbrucker Kardiologen beim diesjährigen Kongress der European Society of Cardiology in Stockholm.
Zwei gefährliche Urlaubstage
Dr. Gert Klug und Doz. Bernhard Metzler von der Innsbrucker Univ.-Klinik für Innere Medizin III beschäftigten sich mit den Daten von mehr als 170 Wintersportpatienten, die im Zeitraum von 2006 bis 2010 mit einem akuten Myokardinfarkt an der Universitätsklinik Innsbruck behandelt wurden. Sie stammten vorwiegend aus Deutschland und den Niederlanden. Bei 110 Patienten konnten die Kardiologen persönliche Daten und die näheren Umstände erfragen, die zum Auftreten des Myokardinfarkts geführt haben könnten. Im Zuge der Analyse zeigte sich, dass über 50 Prozent der Herzinfarkte in den ersten beiden Tagen anstrengender körperlicher Aktivitäten auftraten. Dabei wiesen lediglich 19 Prozent der Betroffenen in der Vorgeschichte eine bekannte Herzerkrankung auf und mehr als die Hälfte der Patienten waren vor ihrem Urlaub körperlich weniger aktiv, als die Mindestempfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) es vorsehen. Sie betrieben vor ihrem Winterurlaub wenig, bis gar keinen Sport. 70 Prozent der Infarktpatienten hatten zumindest zwei Risikofaktoren wie Rauchen, Diabetes oder überhöhtes Cholesterin.
Hohe Mortalität bei blander Anamnese
Der abrupte Wechsel vom Bürosessel auf die Piste stellt also besonders für untrainierte Urlauber ein erhöhtes Gefahrenpotential dar. “Die Tiroler Alpen werden jedes Jahr von Millionen Wintertouristen besucht. Obwohl der Wintersport als relativ ungefährlich gilt, sind 40 Prozent der Todesfälle während des alpinen Winterurlaubs auf einen plötzlichen Herzinfarkt zurückzuführen“, unterstreicht Studienautor Metzler die Relevanz der Ergebnisse vor dem Hintergrund weitgehend fehlender prospektiver Daten in diesem Zusammenhang. Laut seiner Studie traten im Durchschnitt die Herzinfarkte auf einer Seehöhe von 1350 Meter ein. Aus vorangegangenen Studien ist bekannt, dass große Höhen und niedrige Temperaturen relevante Einflussfaktoren darstellen. Die neuen Daten zeigen die hohe Mortalität von Myokardinfakten auf der Piste und beweisen, dass es auch Wintersportler mit blander Anamnese trifft.
Herz am Limit
Der Sauerstoffanteil in der Luft ist in höheren Lagen geringer, die niedrigen Temperaturen bewirken durch periphere Gefäßverengung eine erhöhte Vor- und Nachlast des Herzens. Bei Kälte ist mit einer verstärkten Diurese zu rechnen, die durch Alkoholkonsum noch gefördert wird. Die hypoxische Hyperventilation und das Schwitzen während der ungewohnten körperlichen Betätigung führen zu einer zusätzlichen Eindickung des Blutes. Das Herz muss unter diesen ungünstigen Bedingungen mehr leisten, um den Organismus versorgen zu können. Gleichzeitig wird der Herzmuskel nur mangelhaft mit Sauerstoff versorgt.
„Dass der Großteil der Herzinfarkte in einer frühen Urlaubsphase passierte, weist auf einen ursächlichen Zusammenhang mit mangelnder körperlicher Leistungsfähigkeit, Berghöhe und niedrigen Temperaturen hin“, betont Metzler und empfiehlt als präventive Maßnahme zur Senkung des Infarkt-Risikos regelmäßige körperliche Aktivität und eine allmähliche Steigerung der sportlichen Betätigung am Urlaubsort. Wer also zu einer Risikogruppe gehört oder wenig bis gar keinen Sport betreibt, sollte das Skivergnügen in den ersten Urlaubstagen langsam angehen lassen.