In Deutschland gibt es immer mehr Haustierbesitzer. Obwohl Arzneimittel für Tiere in öffentlichen Apotheken eher zum Randsegment gehören, nimmt das Angebot zu. Für Apotheken erschließt sich hier eine neue Zielgruppe, die bereit ist, für ihr Tier tief in die Tasche zu greifen.
Angebote für Tierarzneimittel nehmen in Apotheken weiter zu. Das ist einer Pressemitteilung des Brancheninformationsdiensts Apotheken- Konjunkturindex (APOkix) zu entnehmen. Marktforschern zufolge bieten 60 Prozent aller Inhaber nicht verschreibungspflichtige Präparate für Tiere an. Tierpflegeprodukte sind in 29 Prozent aller Apotheken zu finden. Weitaus wichtiger sind verschreibungspflichtige Medikamente aus der Veterinärmedizin, Tendenz steigend.
Welche Trends zu erwarten sind, zeigt die „Prognosestudie zur Heimtierhaltung in Deutschland“. Marktforschungen zufolge wird die Zahl an Katzen und Hunden in Deutschland bis zum Jahr 2025 um weitere zwei Prozent steigen. Aquarien (plus zwei Prozent) und Gartenteiche mit Zierfischen (plus drei Prozent) nehmen ebenfalls zu. Auf nahezu gleichem Niveau bleibt das Interesse an Kleinsäugern (minus ein Prozent) und Terrarien (minus zwei Prozent). Für Apotheken erschließen sich hier neue Zielgruppen, die im Zweifelsfall für ihre Tiere tief in die Tasche greifen. Was fehlt den Haustieren hierzulande am häufigsten?
© BfT Besonders oft quälen sich Hunde mit Magen-Darm-Erkrankungen. Appetitlosigkeit, Übelkeit oder Erbrechen haben unterschiedliche Ursachen. Dahinter kann sich eine Gastritis verbergen. Hunde erhalten Maropitant als Analgetikum und Omeprazol beziehungsweise Sucralfat zur Säurekontrolle. Bei Infektionen kommen Amoxicillin/Clavulansäure mit hinzu. Krämpfe lassen sich mit Buprenorphin in den Griff bekommen. Ähnlich wie in der Humanmedizin geht es bei Durchfall geht es primär darum, den Flüssigkeitsverlust zu ersetzen. Zur Schmerzkontrolle eignen sich Buprenorphin oder Tramadol. Amoxicillin/Clavulansäure verordnen Tierärzte, sollte etwas auf eine Infektion hindeuten. Leidet ein Hund unter Juckreiz und Hautinfektionen, reicht das Spektrum an möglichen Ursachen von Bakterien oder Pilzen über Parasiten bis hin zu Allergien. Hormonelle Gründe sind ebenfalls denkbar. Die Behandlung orientiert sich am auslösenden Faktor. Parasiten werden von Laien als Bedrohung oft unterschätzt. Letztlich kann nur der Tierarzt anhand von Kotproben zweifelsfrei eine Diagnose stellen. Zur oralen Wurmkur eignen sich Febantel, Flubendazol oder Kombinationspräparate. Praziquantel hilft speziell gegen Bandwürmer. Im Alter kommen Erkrankungen hinzu, die vom Menschen nur allzu bekannt sind, etwa Diabetes mellitus. Rassen mit einem hohen Risiko sind Samojede und Cairn Terrier. Meist tritt Insulinmangel (Typ 1) auf, während Insulinresistenz (Typ 2) eher selten ist. Tierärzte greifen aufgrund struktureller Ähnlichkeiten zu porcinem Lente-Insulin. Als Alternative bleiben humane Insuline off label.
© BfT Katzen haben oft mit parasitären Infektionen zu kämpfen. Experten empfehlen Entwurmungen mit Breitbandanthelminthika in vierteljährlichem Abstand, da sich Tiere ansonsten immer neu infizieren. Besonders stark sind Freigänger gefährdet. Im Unterschied zu Hunden leiden Katzen häufiger an Erkrankungen der Atemwege. Tierärzte behandeln Entzündungen der Nasenschleimhaut mit Meloxicam und Amoxicillin/Clavulansäure. Außerdem sollte der Nasenspiegel häufig eingefettet werden. Zur Bronchitis-Therapie eignen sich bekannte Wirkstoffe wie Acetylcystein oder Bromhexin, gegebenenfalls zusammen mit Doxycyclin, Oxytetracyclin oder Enrofloxacin. Steckt hinter den Beschwerden jedoch das feline Asthma, schreiben Ärzte Glukokortikoide oder β2-Sympathomimetika wie Salbutamol auf. Noch ein Blick auf die Haut: Neben allergischen Erkrankungen und Milbenbefall kommt dem eosinophilen Granulomkomplex eine besondere Bedeutung zu. Typische Merkmale sind eosinophile Plaques, kollagenolytische Granulome und indolente Ulzera. Neben schmerzstillenden Topika helfen systemische Glukokortikoide und Antihistaminika.
Obwohl etliche Wirkstoffe aus der Humanmedizin stammen und sich hervorragend eignen, treten in manchen Fällen überraschend starke unerwünschte Effekte auf. Bei einigen Hunderassen, die sich auf Collies zurückführen lassen, fanden Wissenschaftler Defekte im Multi-Drug Resistance 1 (MDR1)-Gen. Dieses Membranprotein pumpt aktiv Fremdstoffe aus der Zelle in den Extrazellulärraum pumpt und ist an der Entstehung der Multidrug-Resistance beteiligt. Manche Antiparasitika, Zytostatika, aber auch Loperamid, sind zu vermeiden. NSAIDs wie Ibuprofen oder Diclofenac sind für Hunde und Katzen nicht geeignet, sie führen schnell zur Ulzeration. Bei Katzen kann Paracetamol selbst in geringen Mengen schnell die Leber schädigen. Sie regieren auch auf Acetylsalicylsäure sehr empfindlich. Immer wieder kommt es bei Hunden und Katzen zu Theobrominvergiftungen. Enzyme des Cytochrom P450-Komplexes weisen eine deutlich geringere Aktivität auf, verglichen mit Menschen. In schweren Fällen tritt der Tod durch Arrhythmie, Hyperthermie oder Atemstillstand ein. Für die orale LD50 werden 100 bis 500 mg pro Kilogramm Körpergewicht angegeben. Vergiftungen treten schon bei wesentlich geringeren Dosen auf. Beim Hund und beim Kaninchen, aber nicht bei der Katze, ist Xylit kritisch. Schon 100 Milligramm des Zuckeralkohols pro Kilogramm Körpergewicht führen zu schweren Hypoglykämien. Xylit aktiviert dosisabhängig die Insulinausschüttung und hemmt gleichermaßen die Gluconeogenese in der Leber. Den hepatotoxischen Effekt erklären Experten einerseits über erschöpfte ATP-, ADP- und anorganische Phosphatreserven in Zellen. Andererseits scheinen reaktive Sauerstoffspezies eine Rolle zu spielen.
Die Beispiele zeigen, dass Pharmaka für Mensch und Tier eben doch einige Unterschiede aufweisen. Das gilt auch in arzneimittelrechtlicher Hinsicht. Veterinärmediziner verordnen zugelassene und registrierte Tierarzneimittel und Humanarzneimittel. Gibt es Hinweise, ein Humanmediziner oder Zahnarzt könnte Präparate für Tiere rezeptiert haben, dürfen Apotheker keine Präparate abgeben. Das trifft auf Verordnungen von Tierärzten außerhalb Deutschlands ebenfalls zu. Neben der formalen Prüfung gemäß Paragraph 2 Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) sind spezielle Dokumentationspflichten von Bedeutung. Dazu gehören sowohl der Wareneingang als auch der Warenabgang auf einer Rezeptkopie. OTCs werden für Apotheken auch schnell zum Problem. Fordert ein Kunde erkennbar Präparate, die für Tiere nicht zugelassen sind, muss die Abgabe verweigert werden. Nur ein Tierarzt kann laut Paragraph 56a AMG Humanarzneimittel umwidmen.