Die Entdeckung, dass Fett massenhaft Progenitorzellen enthält, macht die „Wampe“ für Gewebsingenieure zu einer bevorzugten Quelle von autologen Zellen. Ob bei Infarkten oder Autismus: Fettstammzellen sollen wahre Wunder wirken. Die Killeranwendung freilich könnte anderswo lauern: Bei der Brustrekonstruktion- und vergrößerung.
Eine kleine Spritze, die etwas Fett aus der Bauchregion absaugt. Eine innovative Maschine, die das Fett solange durchquirlt, bis nur noch eine hoch konzentrierte Zellsuppe aus Gewebsstammzellen vorliegt. Und eine geniale Injektionstechnik mit einer Art Bürstennadel. Mehr braucht es nicht, um einen alten ästhetisch-medizinischen Traum Wirklichkeit werden zu lassen: die dauerhafte Rekonstruktion der weiblichen Brust ganz ohne Silikon und anderen künstlichen Schnickschnack. Fantasie? Nicht wirklich. Weitgehend unbemerkt von einer breiteren Öffentlichkeit hat das US-Unternehmen Cytori Therapeutics im Juli in dem an kuriosen Medizinprodukten gewiss nicht armen Europa eine bisher einmalige CE-Zulassung, genauer Zulassungserweiterung, für ein von ihm vertriebenes Medizinprodukt erhalten. Sein Celution-System kann jetzt – als wichtigste unter mehreren neuen Indikationen – auch für die Brustrekonstruktion und Brustvergößerung vermarktet werden.
Weniger Bauch, mehr Brust, und das in einem Durchgang
Celution ist ein Kasten auf Rädern, der ein wenig an eine mobile Dialyseeinheit erinnert. Er wird gefüttert mit patienteneigenem Fettgewebe, das per Liposuktion aus dem Bauchfett gewonnen wird. Was dann passiert, lässt fast an Alchemie denken. Mit Hilfe einer Reihe von Enzymen wird das Fettgewebe zerlegt, aber so, dass die Zellen intakt bleiben. Eine Zentrifuge trennt danach unterschiedliche Zelltypen, die Adipozyten auf der einen Seite und Fettgewebsstammzellen, so genannte Progenitorzellen, auf der anderen Seite. Die hochkonzentrierte Suspension der Gewebsstammzellen wird mit einer kleinen Menge des abgesaugten Fetts versetzt. Am Ende steht eine Injektionslösung aus körpereigenem Fett, die eine extrem hohe Konzentration an Vorläuferzellen enthält. Das ist das Rohmaterial für die Brustrekonstruktion der Zukunft, eine autologe Stammzelltransplantation, wenn man so will, allerdings an ungewöhnlicher Stelle. Natürlich ist der Einsatz von Fett zur Brustrekonstruktion an sich nichts Neues.
So richtig überzeugt hat das Verfahren bisher allerdings nicht, vor allem deswegen, weil die Ergebnisse nicht von Dauer waren. Durch die Anreicherung mit Gewebsstammzellen will Hersteller Cytori das Problem der mangelnden Dauerhaftigkeit fettrekonstruierter Brüste jetzt gelöst haben. Weil die Stammzellen starke Wachstumsreize unter anderem auf Blutgefäße ausüben, soll es den Zellen möglich werden, sich dauerhaft in der Brust zu verankern. Wie viel Fett für eine Brustrekonstruktion benötigt wird, hängt naturgemäß von der Größe der „Baustelle“ ab. In einer Studie konnte der Brustumfang durch Injektion von 160 Millilitern eines Fettstammzellkonzentrats um vier Zentimeter vergrößert werden.
Warten auf die Ergebnisse von RESTORE 2
Soweit die Theorie, doch wie sieht es mit harten klinischen Daten aus? Halten die Fettstammzellen, was sie versprechen? Bringen sie bei der Brustrekonstruktion wirklich dauerhaftere Resultate als „Fett alleine“? Die erste Studie zu dieser Frage, die RESTORE 1-Studie, kam aus Japan, weltweit eine der Hochburgen für Brustrekonstruktionen. Die Ergebnisse von RESTORE 1 wurden Ende 2007 beim San Antonio Breast Cancer Meeting vorgestellt. Bei insgesamt 20 Frauen gab es keine immunologischen Komplikationen und knapp 80 Prozent waren mit dem kosmetischen Ergebnis zufrieden. Zwischen Monat eins und Monat zwölf habe es keinen signifikanten Verlust an Brustgröße gegeben, so Studienleiter Keizo Sugimachi.
Auf RESTORE 1 folgte RESTORE 2, eine europäische Studie bei Frauen nach Brustkrebsoperation, deren Zwischenergebnisse beim SABCM 2009 und dann noch einmal beim British Oncoplastic Surgery Meeting 2010 Thema waren. Zum Zeitpunkt der letzten Evaluation im Sommer 2010 war für 51 Frauen das 6-Monats-Follow up und für 30 Frauen das 12-Monats-Follow up beendet. 84 Prozent der Ärzte waren mit dem Ergebnis der Rekonstruktion nach sechs Monaten zufrieden. Bei den 30 bisher auswertbaren Frauen im 12-Monats-Follow up waren 90 Prozent der Ärzte zufrieden. Auf Seiten der Patientinnen lagen die Zufriedenheitsquoten bei 73 Prozent nach sechs Monaten und 70 Prozent nach 12 Monaten.
Kein Königsweg zum XXL-Körbchen
Die beiden RESTORE-Studien haben sich mit der Rekonstruktion der Brust nach Tumoroperationen beschäftigt. Von einem ökonomischen Standpunkt aus betrachtet ist die Brustaugmentation aus rein kosmetischer Indikation für die beteiligten Firmen freilich wesentlich interessanter. Zumindest eine Studie in diesem Setting unter Einsatz des Cytori-Systems gibt es bereits – erneut aus Japan. Dort wurden bei 20 Frauen circa 160 Milliliter der mit Stammzellen angereicherten Fettgewebssuppe injiziert. Der Brustumfang wuchs dadurch um vier Zentimeter oder anderthalb Körbchengrößen. Klar ist, dass ein „Pam Anderson-Busen“ mit dieser Methode nicht erreichbar sein wird. Aber von irgendetwas müssen die Hersteller von Silikonimplantaten ja in Zukunft auch noch leben…