Entzündungen der Blutgefäße bleiben häufig unerkannt. Die vielfältige Symptomatik macht es Ärzten oft nicht leicht, die richtige Diagnose zu treffen. Dank moderner Immunsuppresiva lassen jedoch sich die meisten Formen der Erkrankung effektiv zum Stillstand bringen.
Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust, Gelenkschmerzen und Blutarmut: Die ersten Symptome einer entzündlichen Gefäßerkrankung, auch Vaskulitis genannt, sind meist uncharakteristisch und vielfältig. Das macht die Diagnose der Krankheit sehr schwierig: „Wenn Vaskulitis-Patienten zu uns kommen, haben sie meistens eine Odyssee durch viele Arztpraxen und Kliniken hinter sich“, berichtet Dr. Keihan Ahmadi-Simab, Chefarzt des Asklepios Rheumazentrums Hamburg und der Abteilung für Rheumatologie, Klinische Immunologie und Nephrologie in der Hamburger Asklepios Klinik Altona. „Es vergeht einige Zeit, bis die Krankheit richtig diagnostiziert wird.“ Ein Umstand, so Ahmadi-Simab, der umso bedauerlicher sei, da immununterdrückende Medikamente mittlerweile Vaskulitiden in den allermeisten Fällen stoppen könnten und Betroffene so ein weitgehend normales Leben ermöglichten.
Die häufigste Vaskulitis ist die Arteriitis temporalis, die Entzündung der Schläfenarterie. Sie tritt meist im höheren Lebensalter auf. Dabei kommt es zu schläfenbetonten Kopfschmerzen und – wenn zur Behandlung nicht ausreichend hochdosiertes Kortison zum Einsatz kommt – zu gefürchteten Komplikationen wie Erblindung und Schlaganfall. Jährlich erkranken in Deutschland etwa 10000 bis 20000 Menschen an einer Arteriitis temporalis. Alle anderen Formen einer Vaskulitis treten mit weniger als 1000 neuen Fällen pro Jahr in Deutschland deutlich seltener auf.
Kleingefäßvaskulitiden befallen oft lebenswichtige Organe
Ahmadi-Simab unterscheidet je nach Größe des entzündeten Gefäßes Vaskulitiden der kleinen, der mittelgroßen und der großen Gefäße. Bei den Großgefäßvaskulitiden findet man neben der Arteriitis temporalis beziehungsweise Riesenzellarteriitis vor allem die Takayasu-Arteriitis, bei der die Aorta und ihre Äste entzündet sind. An ihr erkranken vorwiegend jüngere Frauen vor dem 40. Lebensjahr. Bei den Entzündungen der kleinen bis mittleren Gefäße sind rasch Organe betroffen, die durch kleine Gefäße versorgt werden. Typisch befallene Organe sind Herz, Lunge und Nieren. Deshalb weisen Patienten, die an einer Polyarteriitis nodosa, an Morbus Wegener oder an einer Churg-Strauss-Vaskulitis erkranken, fast immer schwere Krankheitsverläufe auf.
Wie die meisten anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ist die Vaskulitis eine Autoimmunerkrankung. Demnach spielt das Immunsystem bei ihrer Entstehung eine entscheidende Rolle: Aus bisher noch unbekannten Gründen dringen Moleküle des Immunsystems über den Blutstrom in die Gefäßwand ein. Die Eindringlinge – Antikörper oder ganze Immunkomplexe – lagern sich in den Gefäßwänden ab. Durch die Aktivierung spezieller Eiweißstrukturen des Immunsystems, kommt es zu einer Entzündung der betroffenen Gefäße. Abhängig davon, wie groß die betroffenen Gefäße sind und welche Form der Vaskulitis vorliegt, können sich die Gefäße verschließen, Aneurysmen entstehen oder knotige Veränderungen auftreten.
Diagnosefindung gleicht Puzzlespiel
Kleingefäßvaskulitiden sind fast immer ANCA-assoziiert, das heißt im Blut der Betroffenen findet man einen bestimmten Autoantikörper namens ANCA, der sich gegen eine bestimmte Klasse von weißen Blutkörperchen richtet. „Wenn man ANCA nachweisen kann und die klinischen Symptome passen, dann hat man eine fast 100prozentig sichere Diagnose“, sagt Ahmadi-Simab. Ansonsten gibt es keinen Marker, der alleine eine Vaskulitis beweisen könnte. Die endgültige Diagnose ergibt sich deshalb fast immer aus einer Betrachtung der klinischen Symptome, dem Ergebnis von Blutwerten sowie einer Gewebeuntersuchung. Ahmadi-Simab: „Die Vorgehensweise ähnelt einem Puzzlespiel, wo man die einzelnen Teile solange aneinander legt, bis sie ein klares Bild ergeben.“
Wichtige Hinweise geben bei der Bestimmung der Blutwerte bestimmte Entzündungsmarker wie Blutsenkungsgeschwindigkeit, C-reaktives Protein und Zahl der weißen Blutkörperchen. Um die verschiedenen Formen der Vaskulitis zu unterscheiden, legt Ahmadi-Simab besonderen Wert auf die histologische Untersuchung: „Wir entnehmen Gewebeproben aus der betroffenen Region und untersuchen sie unter dem Mikroskop.“ Veränderungen der größeren Gefäße ließen sich, so der Mediziner, aber auch mit bildgebenden Verfahren wie der Duplexsonographie, Angiographie, MRT oder PET-CT nachweisen.
Immunsuppressiva wirken rasch
Welche Therapie am besten geeignet ist, um eine Vaskulitis wirkungsvoll zu bekämpfen, hängt davon ab, in welchem Ausmaß Organe beteiligt sind und wie aktiv die Erkrankung ist. Unverzichtbar sind nach wie vor Medikamente, die das Immunsystem modulieren: Kortisonpräparate wirken rasch und effektiv und werden hauptsächlich bei Therapiebeginn verwendet; bei schwereren Verläufen kommen aber auch stark wirksame Immunsuppressiva wie Cyclophosphamid, Azathioprin oder Methotrexat zum Einsatz. „Wir können über 90 Prozent aller Vaskulitiden so zur Ruhe und Remission bringen“, sagt Ahmadi-Simab. „Das dauert mindestens drei bis sechs Monate, manchmal auch länger.“ Allerdings müsse danach die Behandlung in modifizierter Form weitergeführt werden, da sonst die Gefahr groß sei, dass die Krankheit wieder ausbreche.
Je nach Vaskulitistyp werden einige Jahre Therapie mit Immunsuppressiva benötigt, bis der Patient den Versuch wagen kann, die Medikamente ganz abzusetzen. Wichtig dabei, so Ahmadi-Simab, sei aber eine strenge Überwachung, damit Warnzeichen für ein erneutes Rezidiv rechtzeitig erkannt werden könnten. Auf jeden Fall könnten fast alle von einer Vaskulitis betroffenen Patienten dank moderner Therapien ein völlig normales und beschwerdefreies Leben führen. Deswegen, findet der Hamburger Rheumatologe, sollten Ärzte auch immer an eine Vaskulitis denken, wenn Patienten mit entsprechenden Symptomen in ihre Praxis kommen: „Denn ist die Diagnose einmal gestellt, ist der nachfolgende Weg für die Betroffenen nicht mehr schwer“, so Ahmadi-Simab.