Alle Jahre wieder Pflichtlektüre: Welche Medikamente Blockbuster sind, und wo sich die Tops und Flops der Wirkstoffe verbergen geht aus dem 392-Seiten starken Arzneimittel-Atlas 2010 hervor.
Im Jahr 2009 kollabierten weite Teile der internationalen Finanzwelt und überlebten größtenteils nur Dank der globalen Milliarden-Bailouts, deutsche Apotheken indes trotzten den Untergangsstimmungen und legten bei den Arzneimittelumsätzen deutlich zu. Um satte 5,4 Prozent schnellte der Umsatz für Arznei- und Verbandmittel hoch, 31,9 Milliarden Euro generierte die Branche im Jahr 1 der großen Krise.
Besonderes Rezept?
Gleich 22 von 30 im aktuellen Arzneimittel-Atlas untersuchten Indikationsgruppen legten mächtig zu und das, obwohl die Summe der gesetzlichen Rabatte von Apotheken und Pharma gegenüber dem Vorjahr um 266 Millionen auf nunmehr 2,853 Milliarden Euro anstieg. Während im gleichen Zeitraum Deutschlands Konzerne darbten und manche Branchen zweistellige Umsatzeinbrüche meldeten, hielten Apotheken der Krise und den Entscheidungen der Gesundheitspolitik gleichermaßen stand. Gab es hierfür ein besonderes Rezept?
Offensichtlich schon, wie der Blick in die Details des jetzt erschienenen Reports attestiert. Ein Mix aus höherer Nachfrage, Sättigung des Generika-Effekts und Änderungen der Darreichungsform lassen die Apothekenbilanz in punkto Umsatz positiv ausfallen. Vor allem chronische Erkrankungen sorgten für einen Boom. Ob Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen oder Diabetes, die Leiden der Kunden erweisen sich als Segen der Branche. Auch schwere immunologische Erkrankungen sowie neurologisch-psychiatrische Erkrankungen und Krebsleiden führten zum deutlichen Verbrauchsanstieg – doch es gab auch Loser.
Um markante 232,3 Mio. Euro ging beispielsweise der Umsatz mit Impfstoffen zurück. Lediglich 0,6 Impfdosen erhielt der Durchschnitts-GKV-Verbraucher im Jahr 2009 verabreicht, die Vakzine avancierten somit zu den „selten angewendeten Arzneimitteln“, wie der Report feststellt.
Zahlen wie diese sind interessant, wären jedoch auch an anderen Stellen zumindest in Kurzform zu haben. So liefert die ABDA in einer eigenen Publikation 35 Seiten Statistiken zum Jahr 2009. Der Arzneimittel-Atlas 2010 punktet jedoch nicht nur durch die 392 Seiten, sondern in erster Linie auf Grund der analytischen betrachtungsweise über die Ursachen der Umsatzbewegungen.
Monitoring der Gesundheitspolitik inklusive
So habe beispielsweise die in den Medien geführte Diskussion um die Pandemie 2009 „zu vergleichbaren Auswirkungen geführt wie die im Herbst des Jahres 2005 geführte Diskussion um die Vogelgrippe“. Tatsächlich ließ die Angst vor Influenza & Co. den Anteil dieser Vakzine auf 46 Prozent des Gesamtverbrauchs hochschnellen.
Apotheker können anhand des Papers zudem erkennen, welche Segmente weiterhin laufen werden – und wo massive Sättigungseffekte zu erwarten sind. „Da für viele generisch verfügbare Wirkstoffe die Generikaquoten bereits sehr hoch sind, können deutliche Einsparungen im Rahmen der Generika-Komponente nur noch durch den erstmaligen Einsatz von Generika bei umsatzstarken Wirkstoffen erreicht werden, deren Patentschutz im Betrachtungszeitraum abgelaufen ist“, schreiben zum Beispiel die Autoren an die Adresse der GKV.
Weitaus spannender ist ein weiterer Aspekt. Ob eine Apotheke in Bayern oder Berlin steht, entscheidet nämlich über die zu erwartenden Umsätze. Starke regionale Unterschiede prägen nämlich das Geschäft. 660 verordnete Tagesdosen je GKV-Patient zählt die Statistik für Mecklenburg-Vorpommern – doch nur 471 für Baden-Württemberg. Ob solcher Zahlen das Bundesland panikartig zu verlassen wäre aber ein Fehler. Denn verabreichte Tagesdosen allein sagen wenig über die Geschäftschancen der Apotheken aus. Fazit im Atlas: „Bayern, Schleswig-Holstein und Hessen bleiben auch 2009 die Regionen mit dem geringsten Pro-Kopf-Umsatz, während Mecklenburg-Vorpommern und Berlin erneut an der Spitze lagen“.