Der November beschert Apotheken den Beginn einer umsatzstarken Zeit: Grippale Infekte und die echte Influenza lassen die Kunden Schlange stehen. Doch reicht das aus?
Deutschlands Apotheken befinden sich im Erkältungsrausch. Hustenmittel, Erkältungsbalsams und Säfte gegen Halsschmerzen schmücken Regale und Ablagen – wer sein Geschäft so führt, setzt auf das Bauchgefühl richtig zu handeln. Und liegt falsch. Denn der Blick in den aktuellen Arzneimittel-Atlas 2010 attestiert: Husten und Erkältungspräparate zählen seit Jahren zu den Verlierern der Branche. So regelmäßig Bazillen und Viren in regelmäßigen Abständen die Kundschaft auch plagen, der Trend zum Kauf der Präparate ist trotz Umsatzanstiegs rückläufig.
Vor genau sechs Jahren begann der Niedergang. 2004 wurden nämlich die meisten rezeptfreien Erkältungs-Präparate aus der Erstattungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) herausgenommen seitdem herrscht praktisch Ebbe. “Vor diesem Hintergrund werden die Mittel zur Anwendung bei Husten und Erkältung mit durchschnittlich 2,9 DDD (Defined Daily Dose), die jedem Versicherten der GKV 2009 verordnet wurden, als selten eingestuft“, kommentiert der „Arzneimittel-Atlas 2010“ das Dilemma. Die Details offenbaren aber auch: Innerhalb der Indikationsgruppen gibt es deutliche Unterschiede. So machen Mukolytika immerhin 43 Prozent des Verbrauchs bei Husten- und Erkältungsmitteln aus. Hier dominiert wiederum die Wirkstoffklasse Acetylcystein mit 65 Prozent, gefolgt von Ambroxol mit 34 Prozent das Segment. Opiumalkaloide und deren Derivate verzeichneten wiederum einen deutlichen Anstieg von 22 Prozent. Auch die Komibinationstherapie Doxocylin/Ambroxol erwies sich der Statistik zufolge als erfolgreich. Wer seine Apotheke mit pflanzlichen Expektoranzien ausstattete, setzte im vergangenen Jahr zumindest auf Umsatzstabilität – wenn auch auf ohnehin niedrigem Niveau.
Trotzdem attestieren die erfassten Daten ein leichtes Umsatzplus durch einen höheren Verbrauchsbedarf. 189 Mio. Euro entfielen auf die Indikationsgruppe „R05 Husten und Erkältungspräparate“, ein Plus von 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dass die Mittel eigentlich gut laufen sollten, ergibt sich schon aus der Häufigkeit der Erkältungen. Bis zu sechs Episoden pro Jahr machen Kinder durch, Erwachsene können im gleichen Zeitraum mit durchschnittlich zwei Erkältungsphasen rechnen.
Mega-Beratung als einzige Chance
Ob solcher Zahlen erscheint die rein optische Ausrichtung der Apotheke auf Mittel gegen Erkältungen und Husten zunächst nur wenig erfolgreich zu sein. Niedrige Umsätze, sinkender Verbrach. Doch der Blick in die Vergangenheit belegt: Im Grunde würden die Menschen mehr Präparate nutzen – wenn sie wüssten, wozu sie die teure Medizin aus eigener Tasche bezahlen sollen. Noch 1996, als die GKV diese Arzneimittel problemlos erstattete, zählte die Statistik rund 900 Millionen DDD, heute sind es nur noch 200. Dabei sind die Erreger heute keinesfalls harmloser als vor einem Jahrzehnt. Rhinoviren, RSV und Coronaviren setzten Erwachsenen massiv zu, Kinder leidern meist unter dem Befall des humanen Metapneumo-Virus (HMPV). Zwar lässt sich gegen die unliebsamen Attacken nichts ausrichten, doch die Linderung der Symptome durch Erkältungsmittel ist angebracht, wie der Blick auf die möglichen Komplikationen deutlich macht. Ob Sinusitis, otitis media, oder Pneumonie – die Liste der Folgeerscheinungen ist nämlich lang und beinhaltet mitunter lebensbedrohliche Erkrankungen.
Was meist als Binsenweisheit belächelt wird, erweist sich daher vor allem in der gebeutelten Indikationsgruppe R05 als zwingend notwendig für den Erfolg: Apotheken müssen ihre Kunden bei Erkältungskrankheiten noch intensiver beraten. Das Prinzip, wonach der Kunde mit einem Griff zum Präparat abgefertigt wird mag zeitökonomisch stimmen – sensibilisiert jedoch niemanden für das Thema Husten und Erkältung nachhaltig.
Gewiss: Apotheken müssen somit die krude Sparpolitik von Bund und Ländern auf eigene Kosten ausgleichen, als Mittel für das Comeback der Erkältungsmedikamente erscheint die Maßnahme zunächst wenig charmant. Auf eine positive Rückbesinnung der Politik zu hoffen wäre ein aber Fehler, wie der Arzneimittel-Atlas unter Berufung auf eine Entscheidung des G-BA im Jahr 2010 zu verstehen gibt: „Sehr viele fixe Wirkstoffkombinationen sind hingegen bei Husten – unabhängig vom Alter – für alle Versicherten von der Erstattung ausgeschlossen“.