Nach unfallbedingten Frakturen entwickelt sich oft eine sekundäre Arthrose. Neben Techniken wie der Versteifung des Gelenks versprechen diverse Therapien gute Erfolge. Kontrovers diskutiert wird hingegen die Distraktionsarthroplastik.
Clara W., eine 27-jährige kletterbegeisterte Sportlerin, zog sich bei einem Sturz mehrere Frakturen des rechten Sprunggelenks zu. Nach der Fixierung der Knochen entwickelte sich bei der Patientin eine sekundäre Arthrose. Der Grund: Trotz aller chirurgischen Anstrengungen verheilen manche Brüche nicht glatt. Durch Reibungskräfte gehen Knorpelzellen zu Grunde, und das Gelenk kann seine Funktion nicht mehr erfüllen. Im Alter von 27 Jahren konnte Clara W. keine größeren Strecken mehr zu Fuß zurücklegen. Auch die Ausübung ihres heiß geliebten Sports war unmöglich. Meist behandeln Kollegen entsprechende Fälle mit einer Arthrodese oder einer Endoprothetik des entsprechenden Gelenks. Vor allem in den USA wird als Alternative eine Distraktionsarthroplastik durchgeführt.
Arthrodese: Gelenk stabilisiert – Schmerz gebannt
Bei der Arthrodese versteifen Chirurgen das beschädigte Gelenk. Dabei werden Knorpel und gegebenenfalls Teile des Knochens entfernt. Dann fixiert man die Knochen durch Schrauben, Nägel oder Platten und appliziert gegebenenfalls körpereigenes Knochenmaterial oder Knochenersatz. Nach der Ruhigstellung durch einen Gipsverband kommt es in den darauffolgenden Wochen zur Neubildung von Knochenmaterial. Vor allem bei schweren Arthroseformen hilft diese Technik, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Natürlich liegt der Nachteil auf der Hand: Man opfert Funktion und Beweglichkeit zu Gunsten der Schmerzfreiheit – keine Alternative für besagte Patientin Clara W.
Endoprothetik: Beweglich bleiben mit Ersatzteilen
Hingegen lässt sich die Funktion von Gliedmaßen beim Einsatz moderner Endoprothesen langfristig erhalten. Die Implantate bestehen heute aus langlebigen Materialien wie Cobalt-Chrom-Legierungen und hochwertigen Kunststoffen als Gleitkern. Nach Zeiträumen von zehn Jahren und mehr kann es dennoch zu Lockerungen kommen. Und da bei entsprechenden Eingriffen immer Knochensubstanz verbraucht wird, lassen sich Prothesen nicht beliebig oft austauschen. Dennoch bleibt gerade bei jungen Patienten mit sekundärer Arthrose oft keine andere Wahl. Forscher der University of California, Los Angeles, USA, verglichen in einer Studie 4705 Patienten mit einer Arthrodese und 480 mit einer Endoprothese. Sie fanden heraus, dass Endoprothesen erwartungsgemäß mit einem höheren Infektionsrisiko von neun Prozent im ersten Jahr und 23 Prozent über fünf Jahre summiert verbunden sind. Hingegen lag der Wert bei der Arthrodese-Vergleichsgruppe lediglich bei fünf bzw. elf Prozent. Anders sah die Sachlage bei ungewollten Versteifungen aus. Hier profitierten Patienten mit der Endoprothese (0,7 Prozent Risiko) gegenüber denen mit Arthrodese (2,8 Prozent Risiko).
Distraktionsarthroplastik: Gelenk unter Zug
Kollegen aus den USA raten bei einer Arthrose des Sprunggelenks gelegentlich zur Distraktionsarthroplastik. Die Entlastung des geschädigten Gelenks soll dabei zu einer Regeneration des Knorpels führen, die Beweglichkeit verbessern und Schmerzen zurückgehen lassen.
Zur Technik: Im ersten Schritt reinigen Chirurgen das Gelenk von kleinen Bruchstücken, Unebenheiten oder entzündetem Gewebe. Bei einer weiteren OP bringt man schließlich den Fixateur an, einen kreisförmiger Käfig oder eine Reihe von Ringen, die es ermöglichen, das Gelenk um wenige Millimeter zu strecken. Während der nächsten zehn Wochen wird der Patient dazu ermutigt, sich möglichst viel zu bewegen, spazieren zu gehen und umher zu laufen. Danach entfernen die Ärzte das Haltesystem wieder.
Orthopäden des Hospital for Special Surgery, New York, USA, nahmen den Erfolg dieser Methode bei einer relativ kleinen Gruppe mit 25 Patienten unter die Lupe. In 91 Prozent der Fälle verringerten sich die Schmerzen der Betroffenen nach dem Eingriff. Auch die Beweglichkeit des Gelenks übertraf alle Erwartungen – bei lediglich acht Prozent musste nachträglich eine Versteifung des Gelenks durchgeführt werden. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Orthopäden des Sinai Hospital, Baltimore, USA. Sie untersuchten aber auch nur 32 Patienten, die mit Hilfe der Technik behandelt worden waren.
Kollegen hier zu Lande äußern sich indes kritisch. „Das Verfahren der Distraktionsarthroplastik wurde in Deutschland seit vielen Jahren verlassen“, so Dr. Guido Wohlgemuth, Orthopäde und Unfallchirurg am Orthopädie Zentrum Wittenau. „Die Serien an der Berliner Charité zeigten lediglich das Einwachsen von Pannus-Gewebe, das ohne jeden mechanischen Vorteil für die Gelenkartikulation ist und bei jeder OP entfernt wird.“ Diese Wucherung von Bindegewebe wird vor allem bei chronischen Entzündungsvorgängen beobachtet. Unbehandelt kann es sogar zum völligen Verlust der Gelenksfunktion kommen. Hingegen gäbe es keine funktionellen Zugewinne und keine Reduktion der Osteoarthrose durch die Distraktionsarthroplastik. Wohlgemuth: „Die Arthrodese oder Total-Endo-Prothese sind im Falle einer Osteoarthrose Grad IV die konkurrenzlosen Verfahren“. Bei jungen, aktiven Menschen wie der Patientin Clara W. werden Kollegen primär versuchen, die Gelenkfunktion wieder herzustellen.
Entzündung bannen – Gelenk schmieren
Als Ergänzung der chirurgischen Therapie können zudem Hyaluronsäure bzw. Orthokin-Gaben direkt in die Gelenkhöhle eingesetzt werden. Im Rahmen der GOAT-Studie (German Osteoarthritis Trial) verglichen Forscher den Effekt der beiden Verfahren im Vergleich zu Placebo bei 376 Patienten. Hyaluronsäure wirkt als Hauptbestandteil der Gelenkflüssigkeit wie ein Schmiermittel. Hingegen reguliert die Orthokin-Therapie Entzündungsvorgänge im Gelenk, die ansonsten den Abbau der Knorpelmasse forcieren würden. Fachärzte setzen hier körpereigene Gegenspieler wie Wachstumsfaktoren und Enzyme ein, die sie aus dem Blut der Patienten isolieren. Das Ergebnis: Orthokin erzielte im Vergleich zu Hyaluronsäure oder Placebo den deutlichsten Effekt. Unter der entsprechenden Behandlung verringerten sich die Schmerzen am stärksten, und die Gelenkfunktion bzw. die Beweglichkeit verbesserten sich stark. Auch die Zweijahresergebnisse sprachen für Orthokin-Therapie. Dennoch profitierte auch die Hyaluronsäure-Gruppe von der Therapie.
Forschung: Stammzell-Potenziale nutzen
Weltweit untersuchen zahlreiche Forschergruppen momentan den Einsatz adulter Stammzellen aus dem Knochenmark. Mit Wachstums- und Differenzierungsfaktoren aktiviert, konnte zumindest im Labor eine verbesserte Knorpelregeneration erzielt werden. Auch ist es gelungen, durch molekularbiologische Methoden die Stammzellen so zu programmieren, dass sie zeitweise selbst therapeutisch aktive Eiweiße produzierten. Inwieweit sich der Ansatz in die Praxis übertragen lässt, überprüfen Wissenschaftler derzeit am Tiermodell.