Italiens Regierung hat allen Widerständen zum Trotz verpflichtende Impfungen durchgesetzt. Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen, drohen Geldstrafen. Diese Politik wirbelt nun auch die kontroversen Diskussionen in Deutschland erneut auf.
Auch in Italien grassieren die Masern. Gesundheitsbehörden zählten bis Mitte Mai 2.395 Fälle, im Vorjahr waren es nur 860. Neun von zehn Patienten hatten wenig überraschend keine Schutzimpfung gegen die Erkrankung. Angesichts dieser Zahlen griff die italienische Regierung jetzt hart durch.
Laut Gesetz dürfen Kinder bis zu sechs Jahren ohne Schutzimpfung keine Kitas, Krippen oder Vorschulen besuchen. Vor der Aufnahme haben Eltern nachzuweisen, dass ihre Sprösslinge gegen zwölf unterschiedliche Krankheiten geschützt sind. Dazu zählen neben Masern auch Tetanus, Kinderlähmung, Mumps, Keuchhusten und Windpocken. Mütter oder Väter, die ihre schulpflichtigen Kinder nicht impfen lassen, müssen mit hohen Bußgeldern rechnen. Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin setzte sich als starke Befürworterin durch. Die Opposition warf ihr vor, „Geschenke an die Pharmaindustrie“ zu verteilen. Sie selbst spricht von „deutlichen Signalen an die Bevölkerung“.
Der Vorstoß reißt in Deutschland alte Gräben neu auf. Im Alter von 24 Monaten waren 150.000 aller im Jahr 2013 geborenen Kinder nicht vollständig und weitere 28.000 überhaupt nicht gegen Masern geimpft. Zu diesem Ergebnis kommt das Robert Koch-Institut. Das hehre WHO-Ziel, Masern bis 2010 in Europa auszurotten, ist in weite Ferne gerückt. Hermann Gröhe (CDU) sieht eine Impfpflicht trotzdem kritisch. „Das Problem ist nicht so sehr der kleine harte Kern der Impfgegner. Es geht darum, dass wir diejenigen, die zu einer ersten Impfung Ja gesagt haben, durch beharrliches Erinnern dazu führen, auch die zweite Impfung vorzunehmen“, erklärte der Bundesgesundheitsminister. Bereits jetzt sei der Nachweis einer Impfberatung bei der Anmeldung zum Kindergarten Pflicht. Dieser Argumentation stimmen Liberale nicht zu. Im aktuellen Wahlkampf fordert die FDP eine Impfpflicht für Kinder bis 14 Jahren. „Denn auch das Erziehungsrecht der Eltern kennt Grenzen, wenn es zulasten des Wohlergehens und der Gesundheit des Kindes geht“, argumentieren Befürworter der Impfpflicht beim letzten Parteitag. Liberale sehen sich im italienischen Vorgehen jetzt inhaltlich bestätigt.
Impfpflicht hin oder her – derzeit scheuen sich alle Parteien, neue Ideen zuzulassen. In der Schweiz haben Gesundheitsbehörden gute Erfahrungen mit Impfapotheken gemacht. Ein weiteres Modellprojekt folgt in Frankreich. Großbritanniens Pharmazeuten greifen ebenfalls zur Nadel. Derzeit werden vor allem risikolose Impfungen angeboten. In Deutschland bleibt es bei hohen Mauern zwischen den einzelnen Heilberufen. Ärzte überlassen Apothekern nur ungern Kompetenzen, obwohl es dafür kaum medizinische Argumente gibt.