Wer zu wenig schläft, riskiert eine gefährliche Entwicklung. Der Mangel an nächtlich ausgeschüttetem Melatonin erhöht das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse deutlich. Zweiter Negativeffekt: Übermüdete haben mehr Appetit, vor allem auf fettige Speisen.
Insbesondere Menschen mit einem notorischen Schlafmangel sowie Schichtarbeiter tragen ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Eine mögliche Ursache dafür könnte die zu geringe Melatoninbildung bei diesen Patientengruppen sein. Denn wer wenig schläft, schüttet auch geringere Mengen des Schlafhormons Melatonin aus. Die prospektive Analyse der Daten aus den Nurses‘ Health Studies (NHS) I und II zeigte zudem, dass vor allem übergewichtige Frauen mit gestörtem Nachtschlaf vergleichsweise häufiger einen Herzinfarkt erlitten. Forscher aus Boston hatten dazu insgesamt 209 NHS-Teilnehmerinnen, welche zwischen 2000 und 2009 einen Herzinfarkt hatten, mit 209 anderen ohne Herzinfarkt verglichen. Bei allen Frauen bestimmten die Wissenschaftler im Jahr 2000 die nächtliche Melatoninsynthese im ersten Morgenurin anhand des Verhältnisses zwischen den darin enthaltenen Substanzen 6-Hydroxymelatoninsulfat und Kreatinin.
In beiden Gruppen waren die Werte für das Urinkreatinin vergleichbar, jedoch hatten die Frauen mit einem späteren Herzinfarkt einen geringeren nächtlichen Melatoninspiegel. Pro Einheit, die das Melatonin dabei niedriger war, erhöhte sich das Herzinfarktrisiko um 40 %. Der Vergleich der niedrigsten gemessenen Melatoninwerte mit den höchsten Werten ergab sogar eine Verdopplung des Infarktrisikos. Diese Wechselwirkung zwischen zu wenig Melatonin und einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte fiel besonders bei Frauen mit hohem BMI-Wert ins Gewicht. Bei einem BMI von > 28-29 kg/m2 und gleichzeitigem Melatoninmangel stieg das Herzinfarktrisiko der Betroffenen sogar um das etwa dreifache an. Ob der nächtliche Melatoninmangel nun aber ursächlich für den Herzinfarkt ist oder nur ein Marker für das Herzinfarktrisiko darstellt, war aus den Studiendaten nicht herauszulesen. Dennoch sehen die Studienautoren in ihren Ergebnissen einige überzeugende Hinweise darauf, dass ein Melatoninmangel einen sehr wichtigen Risikofaktor für Arteriosklerose darstellen könnte. Denn das Schlafhormon wirkt ebenso auf die Blutzuckerkontrolle, die Endothelfunktion sowie die Bildung von Entzündungsmediatoren ein.
Fest steht jedoch, dass der Schlafmangel das Risiko für gefährliches Übergewicht fördert. Eine weitere aktuelle Studie zeigte hierzu kürzlich, was tatsächlich dahintersteckt: Wer übermüdet ist, hat einen größeren Appetit. Dies lässt sich sogar quantifizieren. Denn in Nächten mit weniger als 5,5 Stunden Schlaf nehmen Mann oder Frau circa 385 Kilokalorien mehr an Energie auf. Diese Kalorienmenge entspricht einer kleinen Mahlzeit oder in etwa einer halben Tafel Schokolade. Eigentlich ist es aber gar nicht das Süße, was bei Schlafmangel zum Problem wird. Vielmehr macht die Müdigkeit hungrig auf fette und eiweißhaltige Speisen.
Schlaf und Körpergewicht hängen sehr eng miteinander zusammen. Notorischer Schlafmangel fördert Übergewicht und dies ist häufig der Nährboden für Folgekrankheiten wie beispielsweise Arteriosklerose und andere kardiovaskuläre Erkrankungen bis hin zum Herzinfarkt. Sehr wahrscheinlich tragen sowohl ein messbarer Melatoninmangel als auch eine höhere Kalorienzufuhr bei Schlafmangel zu Übergewicht und weiteren negativen gesundheitlichen Folgen bei. Tritt der Schlafmangel wiederholt auf oder wird durch Schichtarbeit regelmäßig wiederkehrend gefordert, können aus einem Mitternachtssnack sehr schnell Heißhungerattacken werden. Diese führen letztlich zu einer unkontrollierten Aufnahme der Mehrzahl der Kalorien in der Nacht und verschärfen dadurch noch die Gefahr des Übergewichts und des Herzinfarkts als eine mögliche Folge. Quellen: A nested case–control study of the association between melatonin secretion and incident myocardial infarction. McMullan CJ et al., Heart 2017; 103:694-701 The effects of partial sleep deprivation on energy balance: a systematic review and meta-analysis. Al Khatib HK et al., European Journal of Clinical Nutrition (2017) 71, 614–624; doi:10.1038/ejcn.2016.201