Die fast nebenwirkungsfreie nicht-invasive Elektrotherapie war in einer Phase III-Studie bei Patienten mit Glioblastom mindestens ebenso wirksam wie Chemotherapie. Neue Daten zeigen jetzt, welche Patienten auf die Elektrotherapie besonders gut ansprechen.
Trotz einiger Fortschritte bei der Arzneimitteltherapie bleibt das Glioblastom eine der fatalsten Tumordiagnosen überhaupt. Kein Wunder, dass eine Studie, die im vergangenen Sommer bei der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO 2010) vorgestellt wurde, einige Aufmerksamkeit erregte. Im offenen, randomisierten Phase III-Design war eine von extern durch die Schädelkalotte applizierte Elektrostimulation zumindest ebenso gut wie Chemotherapie in einem Kontrollarm, in dem den betreuenden Ärzten die Auswahl der jeweiligen Chemotherapie freigestellt war.
Dauerstrom durch die Schädelkalotte
Das Elektrostimulationssystem, das in dieser Studie zum Einsatz kam, war das NovoTTF-System des israelischen Herstellers NovoCure. Es handelt sich um ein tragbares, batteriebetriebenes Gerät, das wechselnde elektrische Felder geringer Intensität generiert. Die elektrischen Felder werden über Elektroden an der Kopfhaut appliziert. Das Konzept ist, dass die elektrische Energie, die mehr oder weniger kontinuierlich appliziert wird, die Proliferation der Tumorzellen stört und auf diese Weise das Fortschreiten des Tumors bremst.
An der beim ASCO 2010 vorgestellten Studie hatten 237 Patienten mit rezidiviertem Glioblastoma multiforme teilgenommen. 120 Patienten wurden ausschließlich mit der Elektrostimulation behandelt, die übrigen mit der jeweils bestmöglichen Chemotherapie, wobei die exakte Auswahl der Therapie dem behandelnden Arzt oblag. In der Intention to treat-Analyse lag das Gesamtüberleben in der Gruppe mit Elektrostimulation bei 6,6 Monaten, in der Kontrollgruppe mit Chemotherapie bei sechs Monaten, was statistisch kein signifikanter Unterschied war. In der Per-Protokoll-Population war der Unterschied mit 7,8 versus 6,1 Monaten noch deutlicher und hier auch statistisch signifikant. Die Einjahresüberlebensraten lagen bei 23,6 beziehungsweise 20,8 Prozent. Und auch bei der Zeit bis zum Therapieversagen gab es einen deutlichen, nur knapp nicht signifikanten Trend zugunsten der Elektrostimulation.
Besseres Ansprechen bei günstigerer Prognose
Erwartungsgemäß war die Verträglichkeit der Elektrostimulation deutlich besser als die der Chemotherapien. Außer Hautreaktionen gab es nicht viel zu berichten, während in der Kontrollgruppe, abhängig vom gewählten Therapieschema, hämatologische und andere Toxizitäten auftraten. So eindrucksvoll der Effekt der Therapie in dieser Studie aber auch aussah, so schwer taten sich Experten bei der Einordnung des Ergebnisses. Ein Grund war, dass trotz des im Trend besseren Gesamtüberlebens nur bei 12 Prozent der Patienten ein objektives Ansprechen des Tumors nachweisbar war.
Die neuen Daten aus Subgruppenanalysen, die jetzt beim Kongress der Society for NeuroOncology im kanadischen Montreal vorgestellt wurden, waren vor allem deswegen mit großer Spannung erwartet worden: Wovon hängt es ab, ob ein Glioblastompatient auf die Elektrostimulation anspricht oder nicht? Ein wichtiger Faktor scheinen gewisse prognostische Faktoren zu sein. Bei Patienten mit einem guten Karnofsky-Performance-Status, bei Patienten unter 60 und bei Patienten mit dem ersten bis dritten Rezidiv war der Vorteil der Elektrotherapie gegenüber Chemotherapie ausgeprägter als bei anderen Patienten. Das mediane Gesamtüberleben lag hier bei 8,8 gegenüber 6,6 Monaten, das Einjahresüberleben bei 35 gegenüber 20 Prozent. Ausgeprägter war der Nutzen der Elektrotherapie im Hinblick auf das Gesamtüberleben auch bei Patienten, die nicht auf eine Bevacizumab-Therapie angesprochen hatten. Der Grund dafür ist unklar.
Wird „Elektrotherapie plus Temozolomid“ zum neuen Standard?
Nun hat sich beim Glioblastom auch jenseits der Elektrotherapie einiges getan. Vor allem die Etablierung von Temozolomid als ein neuer Standard ist hier zu nennen. Passend dazu läuft seit 2009 eine weitere Phase III-Studie bei Glioblastompatienten, in der Temozolomid mit einer Kombination aus Temozolomid und Elektrostimulation nach dem Novo-TTF-Verfahren verglichen wird. Sollte sich hier ein Vorteil für die Kombination zeigen, dann dürften die Rufe nach einer Änderung der derzeitigen Leitlinien vermutlich nicht mehr lange auf sich warten lassen.