Dass eine derangierte Darmflora ihren Beitrag zum Reizdarmsyndrom leistet, gilt zunehmend als akzeptiert. Wer probiotischen Ansätzen skeptisch gegenüber steht, der versucht, die Darmkeime mit Chemie zur Räson zu bringen. Ärzte haben das nun gleich zweimal getan.
Ein Wissenshäppchen, mit dem der Experte beim medizinischen Laien immer wieder Eindruck schinden kann, ist die Tatsache, dass es im menschlichen Körper deutlich mehr Mikroorganismen als Körperzellen gibt. Ein erheblicher Teil davon sitzt im Dickdarm, wo die Winzlinge sich mit dem jeweiligen Träger in einer geradezu symbiotischen Beziehung einrichten. Weil Bakterien und Co im Darm so zahlreich sind, liegt es nahe, eine wie auch immer aus dem Gleichgewicht geratene Darmbiosphäre mit der einen oder anderen Erkrankung des Verdauungstrakts in Verbindung zu bringen. Und wer diesen Schritt im Geiste gegangen ist, der landet zwangsläufig bei der Frage, wie denn eine unterstellt derangierte Darmflora wieder ins Lot gebracht werden kann.
Pro-biotisch oder anti-biotisch, das ist hier die Frage
Durch die Brille des Pharmazeuten betrachtet, gibt es dafür zwei Ansätze: Entweder man packt Bakterien in eine Kapsel oder eine andere Darreichungsform und schluckt sie runter. „Probiotische Therapie“ heißt das im Fachjargon. Die beiden Probleme dabei sind, dass es erstens nicht ganz einfach ist, die Bakterien lebend dahin zu bekommen, wo sie hin sollen. Salzsäure lässt grüßen. Zweitens haben probiotische Therapien eine gewisse Beliebigkeit, weil die Zahl der unterschiedlichen Mikroorganismen im Darm so groß ist.
Wegen der Schwierigkeiten der probiotischen Therapie bevorzugen einfach gestrickte Menschen den Alternativansatz, der darin besteht, in Ermangelung genauen Wissens über die Funktion der Darmflora einfach alles zu eliminieren, was da so kreucht und fleucht. Die Hoffnung dabei ist, dass die Natur schon so schlau sein wird, bei der unvermeidlichen Neubesiedlung des Darms mit Bakterien die alten Fehler nicht zu wiederholen und für ein etwas nachhaltigeres Gleichgewicht zu sorgen. Ganz ohne ist das natürlich auch nicht. Denn konventionelle Antibiotika wirken bekanntlich überall im Körper, was nicht unbedingt erstrebenswert ist, von der Resistenzthematik ganz zu schweigen. Die eine Option im Portfolio der herkömmlichen antimikrobiellen Pharmazie, deren Wirkung weitgehend auf den Darm beschränkt bleibt, ist die orale Aufnahme von Vancomycin. Nicht unbedingt das, was man bei einem Reizdarmsyndrom unbedingt einsetzen möchte.
TARGET-Studien mit Rifaximin: Ins Schwarze getroffen?
Seit einiger Zeit gibt es mit dem Antibiotikum Rifaximin von Salix Pharmaceuticals eine weitere Option, die mit Blick auf eine therapeutische Darmdekontamination interessant ist. Rifaximin ist ein orales, nicht-systemisches Breitspektrumantibiotikum mit vergleichsweise geringer Resistenzproblematik und guter Verträglichkeit. Es wirkt im gram-positiven und gram-negativen Spektrum und auch gegen Clostridium difficile. Das schreit geradezu nach Reizdarmstudien. Und Ärzte um Dr. Yehuda Ringel von der University of North Carolina in Chapel Hill haben jetzt im New England Journal of Medicine die gepoolten Resultate gleich zweier solcher Studien vorgelegt.
An den beiden randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase III-Studien TARGET 1 und TARGET 2 nahmen insgesamt 1260 Patienten teil, die ein Reizdarmsyndrom ohne Verstopfungsproblematik hatten. Die Patienten wurden entweder zwei Wochen lang mit Rifaximin in einer Dosis von 550mg dreimal am Tag oder aber mit Placebo behandelt. Danach wurden die Reizdarmsymptome über einen Zeitraum von weiteren zweieinhalb Monaten evaluiert. Primärer Endpunkt war der Anteil an Patienten mit adäquater Symptomkontrolle, gemessen mit einer globalen IBS-Symptomskala, und zwar während mindestens zwei der ersten vier Wochen nach Therapie.
Das Ergebnis war nicht gerade ein erdrutschartiger Sieg des Antibiotikums, aber doch ein statistisch deutlich signifikanter Vorteil. Erreichten in der gepoolten Analyse 40,7 Prozent der Patienten bei Verumtherapie den primären Endpunkt, waren es in den Placebogruppen nur 31,7 Prozent. Das entspricht einem p-Wert von kleiner 0,001. Das Antibiotikum ist demnach um ein Drittel besser als Placebo. Auch wenn die Resultate auf einzelne Symptome des Reizdarmsyndroms herunter gebrochen wurden, blieben die Ergebnisse konsistent, inklusive Blähungen und Völlegefühl. Über den zehnwöchigen Beobachtungszeitraum scheint der therapeutische Effekt mehr oder weniger anzuhalten.
Gesucht: Der Rifaximin-Patient
Ringel hütet sich in seiner Interpretation der Daten davor, die Ergebnisse zu hoch zu spielen: „Die Daten sind ein weiterer Beleg dafür, dass Darmbakterien eine der dem Reizdarm zugrunde liegenden Ursachen sein könnten. Die Behandlung mit Rifaximin scheint eine effektive Möglichkeit zur Verringerung von Symptomen zu sein.“ Der belgische Gastroenterologe Professor Jan Tack aus Leuven ist ebenfalls vorsichtig: „Der therapeutische Nutzen ist im unteren Spektrum dessen, was als klinisch relevant anzusehen ist“, so Tack. Das ist natürlich wie immer auch ein statistischer Effekt. Gelänge es, genau jene Patienten zu identifizieren, die auf die Therapie mit Rifaximin ansprechen, sähen die Zahlen anders aus.
Positiv sieht Tack vor allem die Wirksamkeit auf Blähungen und Völlegefühl, Symptome, die mit anderen Maßnahmen nur schwer zu kontrollieren sind. Auch die vergleichsweise gute Verträglichkeit so wie die Wirksamkeit gegen den mit der antibiotikassoziierten Colitis in Zusammenhang stehenden Keim Clostridium difficile landen für ihn auf der Habenseite. Da der Reizdarm ein chronisches Geschehen ist, wünscht er sich allerdings noch Studien mit intermittierender Gabe. Die Zulassungsbehörden haben bisher noch kein Votum ausgesprochen.