Lepra, Schlafkrankheit und Co. – für uns in weiter Ferne. Trotzdem sterben jedes Jahr Millionen Menschen in Entwicklungsländern daran. Sollte Deutschland bei der Bekämpfung der Krankheiten engagierter sein? Im internationalen Vergleich hinkt die deutsche Forschung hinterher.
Viele Erkrankungen, die in westlichen, entwickelten Ländern kaum oder selten auftreten, führen in Entwicklungsländern jedes Jahr zu Millionen Todesfällen, gesundheitsbedingten Einschränkungen und sozialer Ausgrenzung. Die Ursachen für diese Poverty-related and Neglected Diseases (PRND) sind vielseitig. Neben armutsbedingten Umständen des täglichen Lebens und fehlender Geldmittel für den Erwerb von Medikamenten, sind vor allem der Mangel an teurer und aufwändiger Forschung und Entwicklung dieser Krankheiten verantwortlich. Welche diese überhaupt sind und wie sie übertragen werden, darüber gibt es bis heute keine einheitliche Definition. Allerdings gelten die „Großen Drei“ Malaria, Tuberkulose und AIDS als die gefährlichsten und am meistverbreiteten PRND-Krankheiten. Dazu kommen verschiedene Durchfall- und Atemwegserkrankungen, die von Viren und Bakterien übertragen werden. Wie unübersichtlich die Erfassung der Krankheiten ist, zeigt zum Beispiel die Tatsache, dass Ebolafieber bis heute nicht zu den PRND gezählt wird. Einen umfassenden Bericht über vernachlässigte Krankheiten hat jetzt das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) im Auftrag des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung vorgelegt. Das 357 Seiten starke Dossier gilt als Grundlage für die weiteren politischen Handlungen für die kommenden Jahre, um armutsbedingte Erkrankungen zu bekämpfen. Das Papier bietet einen Überblick über die Vielzahl der derzeitigen Projekte öffentlicher und privater Akteure im Bereich Forschung und Entwicklung (FuE). Sie befinden sich in unterschiedlichen Phasen wissenschaftlicher Entwicklung. Es bestehen Finanzierungszwänge oder Schutzrechte an geistigem Eigentum. Der Bericht analysiert die Praxisrelevanz und die Reichweite einzelner Maßnahmen. Außerdem zeigt er Wege für den Transfer von Wissen und den Aufbau von entsprechenden Kapazitäten in armen Ländern auf.
Der TAB-Bericht sieht einen dringenden Handlungsbedarf. Nicht nur für den Ausbau der medizinischen Versorgung in Entwicklungsländern selbst, sondern auch in den westlichen Industrienationen, wo heute die Strukturen für Forschung und Entwicklung zur Bekämpfung der PRDN-Krankheiten vorhanden sind. Die Bundesrepublik sei als Forschungsstandort breit und kompetent aufgestellt, heißt es in dem Papier. Vor allem öffentliche Einrichtungen, sowie kleine und mittelständische Unternehmen hätten in den vergangenen Jahren viel geforscht und neue Produkte zur Bekämpfung armutsassoziierter Krankheiten entwickelt. Manche arbeiten auch Hand in Hand mit internationalen Pharmaunternehmen, die ihre Infrastrukturen für Forschungszwecke zur Verfügung stellen.
Kritik gab es für das Engagement der Bundesrepublik im internationalen Vergleich: Großbritannien und die USA fördern die Forschung in weitaus größerem Umfang als Deutschland. Die Regierungen dort würden über die klassischen Förderungen hinaus neue Initiativen und Projekte mit einem Engagement führen, das bei deutschen wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Beteiligten nicht spürbar sei. So heißt es in dem TAB-Bericht. Weder öffentliche, noch private Akteure würden sich hierzulande an Patentpools oder an den vielen angelsächsischen Open-Initiativen wie Open Access, Open Data oder Open Innovation beteiligen. Für alle diese Möglichkeiten gäbe es keine deutschen Förderregularien seitens der Politik. Erst 2015 wurde die Fördersumme beim Bundesministerium für Bildung und Forschung erhöht, doch die Summe läge weit hinter der anderer Industrienationen zurück. Dies sei jedoch wichtig, um die Schlagkraft der vielen bereits vorhandenen Elemente in Deutschland zu entwickeln. Es brauche eine Gesamtstrategie, die mit dem vorliegenden Bericht nun möglich geworden sei.