Erste Sandmücken, potentielle Überträger der Leishmaniose, gibt es in Deutschland schon lange. Auch autochthone Fälle von Infektionen bei Tier und Mensch wurden beschrieben, wenn auch das Hauptaugenmerk auf importierten Fällen liegt.
Bereits 1998 ließen sich hierzulande im milden Klima des Oberrheingrabens Sandmücken der Gattung Phlebotomus nachweisen, potentielle Überträger der Protozoeninfektion Leishmaniose. Zur gleichen Zeit erkrankte ein Kind von 15 Monaten an viszeraler Leishmaniose, hatte das Land außer zu Besuchen in die Niederlanden jedoch noch nie verlassen. Auch eine Bluttransfusion als Übertragungsmöglichkeit schied aus: Es musste sich um eine autochthone Infektion handeln. Es fanden sich weitere Erkrankungsfälle an Hunden und Pferden bei Landsberg am Lech und Köln. Zwei Arten von Sandmücken ließen sich in Deutschland wiederholt nachweisen.
Auch wenn es sich bei den Infektionen innerhalb Deutschlands, aber auch Österreichs und der Schweiz bislang um Einzelfälle handelt, bieten immer mehr Gegenden in Deutschland Mücken ein mediterranes Wohlfühlklima. Isothermen über 10°C sind nicht nur dem Menschen angenehm, sondern auch manchen Tieren, und werden bei uns vielerorts sogar überschritten.
Keine Meldepflicht
Ärzte und Tierärzte sind allerdings wesentlich wahrscheinlicher mit importierten kutanen oder viszeralen Leishmaniosen konfrontiert. Vor allem Hunde aus dem Süden, oder aber Reiserückkehrer können auch erst Monate, selten Jahre nach einer Infektion Symptome entwickeln, die nicht immer gleich an eine Leishmaniose denken lassen. Hunde gelten als wichtiges Erregerreservoir. Infektionsgebiete im Süden Europas sind vor allem Italien und Spanien.
Das Robert Koch Institut (RKI) gibt für das Jahr 2009 insgesamt 22 Fallmeldungen an. In 16 Fällen handelte es sich um eine kutane Leishmaniose, in zwei Fällen um eine mukokutane Manifestation und in vier Fällen um viszerale Erkrankungen. Reisende hatten sich in verschiedenen Ländern Europas wie Spanien, Malta, Frankreich und Italien aufgehalten, aber auch in Nahost/Nordafrika und Lateinamerika. Allerdings ist die Leishmaniose nicht meldepflichtig.
Kutane und mukokutane Leishmaniosen
Die drei Formen der Leishmaniose mit kutaner, mukokutaner oder viszeraler Manifestation unterscheiden sich v.a. in ihrer klinischen Erscheinungsform: Einen kurzen Überblick gibt das RKI. Bei einer der kutanen Formen, der Leishmaniose der Alten Welt oder Orientbeule, imponieren an der Einstichstelle zunächst Rötung und Schwellung, die sich jedoch rasch zu einem größeren flachen Ulkus mit erhabenem Rand auswachsen. Es kann bei einem einzigen Ulkus bleiben, aber auch multiple Läsionen sind möglich. Nach Monaten heilen die Ulzera häufig von selbst narbig ab. Eine weitere kutane Form ist die Leishmaniose der Neuen Welt mit verschieden kleinen oder größeren Hautläsionen von trocken-schuppig bis ulzerös. Auch hornartige Wucherungen, die an eine Neoplasie denken lassen, sind möglich. Selten ist die diffuse, kutane Leishmaniose mit generalisierten Hauterscheinungen.
Mit einem Ulkus beginnt meistens auch die mukokutane Form der Infektionskrankheit. Nach dem Abheilen entwickeln einige Betroffene Symptome an Schleimhäuten des Nasenrachenraumes. Sie leiden unter verstopfter Nase und Nasenbluten. Die Zerstörung von Gewebe kann eine Perforationen des Nasenseptums zur Folge haben. Betroffen sind darüberhinaus Mundhöhle, Rachen und Kehlkopf. Läsionen an Luftröhre und Genitalschleimhaut sind seltener. Bei Verdacht auf eine kutane oder mukokutane Leishmaniose lässt sich der Erreger aus einer Gewebeprobe aus dem Rand der Läsion nachweisen.
Viszerale Leishmaniose
Bei der als Kala-Azar bezeichneten viszeralen Form der Erkrankung können Lymphknoten, Milz, Leber und Knochenmark betroffen sein. Ähnlich wie bei der kutanen Form der Krankheit kann sich zunächst eine Hautpapel an der Einstichstelle entwickeln. Oft ist der Beginn der Erkrankung jedoch uncharakteristisch, der Verlauf langsam und schleichend, sodass der Verdacht zunächst nicht unbedingt auf Leishmaniose fällt. Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen, Diarrhoe, Gewichtsabnahme, Schwäche und Fieber kommen bei vielen Erkrankungen vor. Nach Wochen oder Monaten kann es zu Schwellungen von Lymphknoten, Milz oder Leber kommen. Da das blutbildende System betroffen ist, zeigt sich eine ausgeprägte Panzytoämie. Folge ist eine erhöhte Infektionshäufigkeit und Blutungsneigung. Fulminante Verläufe kommen besonders bei immungeschwächten Personen, z.B. mit einer HIV-Infektion, vor.
Der mikroskopische Nachweis des Erregers aus dem Blut und auch ein indirekter Nachweis spezifischer Antikörper sind nicht sicher, jedoch der Nachweis aus dem Knochenmark (Mikroskopie, Polymerasekettenreaktion).
Leishmanien legen Immunsystem lahm
Während die kutane Form der Infektion heilbar ist, kann Kala-Azar auch bei Behandlung tödlich verlaufen. Wie Leishmanien es schaffen, jahrelang in Körperzellen zu überleben, war bis vor Kurzem ein Rätsel. Eine gezielte Vorbeugung ist deshalb kaum möglich: Allgemeine Maßnahmen wie Repellentien, Moskitonetze und das Meiden der Dämmerung können nur begrenzt vor den kleinen Sandmücken schützen.
Gezielt gehen dagegen die Leishmanien vor. Nach dem Eintritt ins Blut werden die Erreger in Leukozyten aufgenommen. Dort vermehren sie sich mit Hilfe des Enzyms GP63 und legen über molekulare Mechanismen gleichzeitig die Wirtszelle lahm. Eine adäquate Immunantwort bleibt aus und die Leishmanien können sich ungehindert in vielen Geweben vermehren. Diesen Schlüsselmechanismus entdeckte unlängst ein kanadisches Forscherteam der MacGill University in Montreal. Vielleicht ist er auch der Schlüssel zu besseren Behandlungsstrategien und Prophylaxemaßnahmen, was angesichts der nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geschätzten 12 Millionen Infizierten weltweit wünschenswert wäre.