Forschern ist es gelungen, auf Fresszellen ein Eiweißmolekül zu identifizieren, das Autoimmunreaktionen auslöst. Diese Entdeckung könnte die Entwicklung neuer Therapien zur Bekämpfung von Autoimmunerkrankungen forcieren.
Bakterien und Viren, die in den Körper eindringen, haben normalerweise keine Chance, sich dort zu vermehren. Das menschliche Immunsystem bekämpft sie effizient und schützt den Organismus so vor lebensbedrohlichen Infektionen. Eine zentrale Rolle spielen dabei Fresszellen, die alles zerstören, was die Körperabwehr mit Hilfe von Antikörpern als fremd gekennzeichnet hat. Auf der Oberfläche der Fresszellen sitzen spezielle Eiweißmoleküle, die so genannten Fc-Rezeptoren. Diese heften sich an den Stamm der ypsilonförmigen Antikörper. Durch die Bindung werden die Fresszellen aktiviert und können anschließend die markierten Mikroben aufnehmen und verdauen.
Fc-Rezeptoren erkennen jedoch nicht nur Antikörper, die sich an schädlichen Eindringlingen angelagert haben, sondern auch Antikörper, die an gesundem Gewebe gebunden sind. Auch in diesem Fall werden die Fresszellen aktiviert und greifen dann zum Beispiel gesunde Nerven- oder Gelenkzellen an. Diese fatale Reaktion gilt als Ursache vieler Autoimmunkrankheiten. Warum der menschliche Organismus überhaupt Autoantikörper produziert, ist immer noch nicht geklärt, sie treten jedoch oftmals im Zusammenhang mit Entzündungen im Körper auf.
Ohne Rezeptor zeigen Autoantikörper keine Wirkung
Forscher um Professor Falk Nimmerjahn, Inhaber des Lehrstuhls für Genetik an der Universität Erlangen-Nürnberg, konnten nun zeigen, dass Autoantikörper ihre zerstörerische Wirkung nicht mehr entfalten, wenn Fresszellen ein bestimmter Fc-Rezeptor fehlt. Wie sie in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences berichten, könnte diese Entdeckung die Entwicklung neuer Therapien zur Bekämpfung von Autoimmunerkrankungen vorantreiben. Nach Ansicht von Professor Jörg Köhl, Direktor des Instituts für Systemische Entzündungsforschung der Universität Lübeck, zeigt die Arbeit der Erlanger Forscher die besondere Bedeutung dieses Rezeptors für die Entwicklung von entzündlichen Reaktionen bei einer Reihe von Autoimmunerkrankungen.
Für ihre Versuche nahmen Nimmerjahn und seine Mitarbeiter Blut von Mäusen ab, die an rheumatoider Arthritis litten. Dieses Blut enthielt spezielle Autoantikörper, die die entzündliche Krankheit bei den Tieren ausgelöst hatten. Anschließend injizierten die Forscher das Blutserum sowohl normalen Mäusen als auch solchen, bei denen vorher mit gentechnischen Methoden der Fc-Rezeptor-IV ausgeschaltet worden war. Von diesem Fc-Rezeptor weiß man, dass er bei Mäusen IgG2-Antikörper bindet, die nicht nur als wichtige Verteidigungsmoleküle der Immunabwehr gelten sondern auch eine wichtige Rolle bei Autoimmunerkrankungen spielen.
Mäuse ohne Rezeptor erkranken kaum an Autoimmunkrankheiten
Nach der Injektion zeigten nur diejenigen Tiere Krankheitssymptome in vollem Umfang, deren Fresszellen noch den Fc-Rezeptor-IV produzierten. „Mäuse ohne diesen Fc-Rezeptor hatten deutlich weniger Symptome als die nicht gentechnisch veränderten Tiere“, berichtet Nimmerjahn. Ähnliche Experimente der Erlanger Forscher mit Autoantikörpern, die bei Mäusen eine Glomerulonephritis auslösen können, bestätigten, dass die Mäuse ohne Fc-Rezeptor-IV auch gegen diese entzündliche Erkrankung der Nieren geschützt waren.
„Eine Blockade des humanen Pendants dieses Rezeptors könnte wahrscheinlich die fatale Wirkung von Autoantikörpern bei rheumatoider Arthritis, Lupus Erythematodes oder Multipler Sklerose unterbinden“, sagt Nimmerjahn. „Zukünftige Studien sollten sich nun darauf konzentrieren, Substanzen zu identifizieren, die gezielt bestimmte Fc-Rezeptoren bei Patienten mit Autoimmunkrankheiten blockieren.“ Eine weitere Möglichkeit, das Geschehen in humanen Fresszellen zu beeinflussen, sieht sein Kollege Jörg Köhl: „Alternativ zur Fc-Rezeptor-Blockade könnte man versuchen, die Produktion des Rezeptors therapeutisch zu drosseln“, sagt der Lübecker Mediziner. „Vielleicht hat ein solcher Eingriff weniger Auswirkungen auf das Immunsystem als eine vollständige Blockade des Fc-Rezeptors.“ Denn, wenn dieser Rezeptor komplett fehle, erhöhe sich die Gefahr von Infektionen mit intrazellulären Erregern.
Rezeptor hat wichtige Aufgabe bei Krebsbekämpfung
Der Fc-Rezeptor-IV vermittelt aber nicht nur Autoimmunität, sondern er sorgt auch dafür, dass therapeutische Antikörper ihre Wirkung entfalten können. Diese Antikörper werden zum Beispiel eingesetzt, um Tumoren zu bekämpfen. Der Nachweis, dass Fc-Rezeptoren eine wichtige Funktion bei der Bekämpfung von Tumoren haben, gelang Nimmerjahns Team mit Hilfe von Mäusen, die an einem Melanom litten. Mit speziellen Antikörpern, die gegen ein Antigen auf der Oberfläche der Krebszellen gerichtet sind, lässt sich die bösartige Erkrankung normalerweise in Schach halten. Nicht so bei Mäusen ohne Fc-Rezeptor-IV: Hier verlor der therapeutische Antikörper seine Wirkung und die Tumoren konnten sich weiter ausbreiten.
Auch wenn sich die Ergebnisse der Erlanger Forscher wahrscheinlich nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen lassen, ist Nimmerjahn überzeugt davon, dass sich die neuen Befunde auf die Entwicklung besserer humaner Antitumor-Antikörper auswirken werden. „Wenn man die Affinität zwischen Antikörper und Fc-Rezeptor optimiert, vergrößert man die Wahrscheinlichkeit, dass die Tumorzellen zerstört werden, erklärt Nimmerjahn. „Das ist aber nur sinnvoll, wenn man weiß, welcher Fc-Rezeptor der entscheidende ist und man gezielt nach Antikörpern suchen kann, die besonders gut an diesen Rezeptor binden.“
Klinische Studie in Vorbereitung
Im Moment bereitet Nimmerjahn in Zusammenarbeit mit der medizinischen Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg eine klinische Studie vor. „Bei Tumorpatienten, die auf bestimmte therapeutische Antikörper nicht ansprechen“, so Nimmerjahn, „wollen wir uns anschauen, ob Mutationen in den Fc-Rezeptoren vorliegen, die dafür verantwortlich sind, dass die Antikörper nicht funktionieren.“ Das Wissen darüber, könne zukünftig eine Aussage erlauben, ob der Einsatz von therapeutischen Antikörpern sinnvoll sei oder nicht.