Nahrungsfette beeinflussen nicht nur die physische, sondern auch die psychische Gesundheit. Daten zeigen, dass ungesunde Fette wie Transfette das Depressionsrisiko erheblich erhöhen. Ungesättigte Fettsäuren wirken dagegen neuroprotektiv.
Was in den Mittelmeerländern traditionell auf den Tisch kommt, ist geradezu Medizin – diese Erkenntnis ist inzwischen unbestritten und wissenschaftlicher Konsens. Zahlreiche Studien haben hinreichend belegt, dass die mediterrane Ernährung umfassende gesundheitsfördernde Eigenschaften besitzt. Angesichts dessen wird sie offiziell, unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), zur Prävention als auch unterstützenden Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen empfohlen. Die Liste der Indikationen für die Mittelmeerkost ist jedoch noch länger. So finden sich darauf auch Typ-2-Diabetes, Adipositas, gastrointestinale Beschwerden sowie Tumorkrankheiten. Nun wird eine weitere Erkrankung hinzukommen: die Depression. Denn das Risiko, daran zu erkranken, wird durch die mediterrane Ernährung erheblich beeinflusst: Sie schützt nicht nur Herz und Gefäße, sondern auch das Gemüt. Ein Effekt, der vor allem auf die konsumierten Fettarten zurückgeht.
Markantes Nord-Süd-Gefälle
Gemäß Daten aus epidemiologischen Untersuchungen sind jährlich knapp sechs Millionen erwachsene Bundesbürger von einer Depression betroffen. In den Mitgliedsstaaten der EU sind es zwanzig Millionen Menschen pro Jahr. Dabei bestehen deutliche Unterschiede zwischen den nord- und südeuropäischen Ländern: In Nordeuropa treten Depressionen weitaus häufiger auf als in den südlichen EU-Staaten. So erfreuen sich die europäischen Mittelmeeranrainer insgesamt einer besseren psychischen Gesundheit als allen voran die Menschen in den skandinavischen Ländern. Zweifelsohne, die UV-Einstrahlung ist hier ein bedeutender Faktor. Doch das markante Nord-Süd-Gefälle resultiert keineswegs nur aus weniger oder mehr Sonnenstunden. Dass es um das psychische Befinden in nördlicheren Breiten schlechter bestellt ist, liegt auch an den Ernährungsgewohnheiten. Das Risiko für psychische Erkrankungen servieren wir uns selbst – das bestätigte jetzt eine groß angelegte Studie spanischer Wissenschaftler.
"Essen hält Leib und Seele zusammen..."
Dafür lieferte das so genannte "Sun Project" nun erstmals den wissenschaftlichen Beweis: die psychische Gesundheit und besonders die Inzidenz von Depressionen ist auch abhängig von der Ernährung. Ein Zusammenhang, der länger diskutiert und vermutet wird. So kam beispielsweise eine Studie bereits im September 2009 zu dem Schluss, dass die mediterrane Ernährung das Risiko senkt, an einer Depression zu erkranken. Die Wissenschaftler der Universitäten Navarra und Las Palmas/Gran Canaria führten dies damals nicht auf einen bestimmten Nährstoff zurück. Vielmehr vermutete man die Synergie mehrerer potenziell gesundheitsfördernder Substanzen als Ursache für den neuroprotektiven Effekt. Dieser gründet jedoch vielmehr, wie sich der Gruppe unter Leitung von Dr. Almudena Sánchez-Villegas nun zeigte, in der Art der konsumierten Fette: "Zwischen der Aufnahme unterschiedlicher Fettsäuren und dem Auftreten von Depressionen besteht tatsächlich ein direkter Zusammenhang", bestätigt Dr. Sánchez-Villegas.
In dem von ihrem Team durchgeführten Sun Project waren 12.059 Universitätsabsolventen – 5.038 Männer und 7.021 Frauen – aus ganz Spanien eingeschlossen. Die prospektive Kohortenstudie startete 1999 und wurde Ende 2010 abgeschlossen. Zu ihrem Beginn litt keiner der heute durchschnittlich 37,5 Jahre alten Probanden unter einer Depression. Die Ernährungsgepflogenheiten der Teilnehmer des Sun Projects wurden regelmäßig per Mail durch 136 Punkte umfassende Befragungen erhoben. Im Vordergrund standen dabei Häufigkeit und Menge von Fleisch und Fleischprodukten, Fisch, Milch und Milchprodukten, Gemüse und Obst, Nüssen und Getreideprodukten sowie Alkohol. Auf diese Weise ließ sich der Konsum von Fettsäuren differenziert analysieren: "Wir erfassten explizit die Aufnahme von gesättigten Fettsäuren, Transfetten, einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren", so Dr. Sánchez-Villegas. In Follow-Up-Tests wurden die Probanden auf Depressionen untersucht. Dabei fanden sich nach 6,1 Jahren im Median schließlich 657 neue Fälle.
Transfette: größter Risikofaktor
Die Befunde aus dem Sun Project bestätigen eindrucksvoll eine lang gehegte These: Der steigende Konsum von Transfetten und gesättigten Fettsäuren und die sinkende Zufuhr ungesättigter Fettsäuren wirkt sich nicht nur auf die physische Gesundheit negativ aus. Auch die Psyche wird davon bedroht. Die höchste Gefahr geht dabei von den Transfetten (TFA, trans unsaturated fatty acids) aus. Vor allem in Chips, Pommes frites, Backwaren und industriellen Fertigprodukten enthalten entpuppten sie sich als beträchtlicher Risikofaktor: Laut Dr. Sánchez-Villegas erhöhen sie das Risiko an Depressionen zu erkranken, signifikant um 48 Prozent (p = 0,003). Diese bedenkliche Entwicklung dürfte nach Auffassung der Wissenschaftler aus Navarra und Las Palmas in anderen Ländern noch ausgeprägter sein. Allen voran in den USA, denn hier liegt der Kalorienanteil der Transfette bei 2,5 Prozent. In Spanien hingegen entfallen von den 36,7 Prozent der Gesamtkalorien durch Fett nur 0,4 Prozent auf Transfette.
Kardioprotektiv = neuroprotektiv
Positiv auf die psychische Gesundheit wirken sich einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren aus. Auch deren Einfluss wurde vom Team um Dr. Sánchez-Villegas untersucht. Nach ihren Worten fand sich ein dosisabhängiger inverser Zusammenhang zwischen der Aufnahme einfach ungesättigter (p = 0,053) und mehrfach ungesättigter Fettsäuren (p = 0,031) und dem Auftreten von Depressionen. Das Gleiche gilt für Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Olivenöl erwies sich ebenfalls als neuroprotektiv (p = 0,030) – was laut Dr. Sánchez-Villegas vor allem an seinen antiinflammatorischen und antioxidativen Eigenschaften liegt. "Unsere Ergebnisse zeigen", so die Spanierin, "dass die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Fettarten und Depressionen jenen zwischen kardiovaskulären Erkrankungen und Nahrungsfetten vergleichbar sind".
Kardioprotektiv ist mithin zugleich neuroprotektiv. Dies könnte in Substanzen begründet sein, die auch bei Herz-Kreislauf-Krankheiten von Bedeutung sind. Die Initiatoren des Sun Projects verweisen hier unter anderem auf proinflammatorische Zytokine, die den Metabolismus von Neurotransmittern modifizieren und die Expression des Brain-Derived-Neurotrophic-Factor hemmen. Dieser Wachstumsfaktor, kurz BDNF, könnte die Brücke zur Neuroprotektion schlagen. Diese wird laut Dr. Sánchez-Villegas mit von der endothelialen Produktion von BDNF beeinflusst: "Menschen mit Depressionen haben im Vergleich zu Gesunden erniedrigte BDNF-Level und Antidepressiva können diese erhöhen". Ein Profil an Fettsäuren, dass die Endothelfunktionen verbessert, könnte entsprechend auch vor neuropsychologsichen Erkrankungen schützen, vermutet man beim Sun Project.