Letzten Donnerstag hat die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen den Grundsatz zur Abschaffung der Studiengebühren an ihren 29 gebührenpflichtigen Universitäten geschaffen. Doch was passiert mit den vielen durch Studiengebühren finanzierten Projekten, wenn die Mittel zum Wintersemester ausbleiben?
Pünktlich zu meiner Immatrikulation an der RWTH Aachen im Jahre 2006 wurden die Studiengebühren eingeführt. Genauso pünktlich zu meinem Studienende werden sie jetzt wieder abgeschafft. Ich gehöre damit zu dem einzigen Jahrgang, der die kompletten 5.000 Euro für zehn Semester Medizinstudium zahlen musste – während des PJs müssen keine Studiengebühren gezahlt werden. Doch habe ich darunter gelitten?
Als Ausgleich für die nun wegfallenden Studiengebühren sind für jede Hochschule mindestens 249 Millionen Euro zusätzlich zu ihrer Grundfinanzierung vorgesehen. „Damit ist eine verlässliche Finanzierung der Qualität der Lehre in Nordrhein-Westfalen garantiert“, so die Wissenschaftsministerin Svenja Schulze. Anzumerken sei hierbei jedoch, dass der NRW-Haushalt im Januar per einstweiliger Verfügung durch das nordrhein-westfälische Verfassungsgericht eingefroren wurde. Welche Konsequenzen das hat, bleibt abzuwarten.
Aachener befürchten Qualitätsverlust in der Lehre
Doch selbst wenn es zu Ausgleichszahlungen in der genannten Höhe kommt, bleiben Zweifel. „Wir freuen uns für die Kommilitoninnen und Kommilitonen, dass diese nun nicht mehr zu Beginn eines jeden Semesters 500 Euro aufbringen müssen, sehen jedoch Einschnitte bei der Qualität der Lehre durch den nicht vollständigen Ausgleich der Mittel durch die Landesregierung“, so der Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der RWTH Aachen, Alexander Buchheister. Der RWTH ständen 10 % und somit mindestens drei Millionen Euro weniger pro Jahr zur Verfügung.
Die Langzeitstudie “Gebührenkompass” ergab, dass im Jahre 2010 ziemlich genau die Hälfte der Studenten der RWTH gegen Studiengebühren waren. Das sind verhältnismäßig wenige, vergleicht man die Zahl mit dem NRW-Durchschnitt von 63%. Auch bei der Frage ob sie eine Verbesserung der Lehrbedingungen durch die Studiengebühren erkennen könnten, beantworteten 51% der Aachener mit „Ja“. Im NRW- Durchschnitt taten das nur 31%1. Das liegt wahrscheinlich an dem speziellen Vergabeverfahren in Aachen, dass im Einvernehmen mit den Studierendenvertretern geschieht. Vielleicht aber auch an dem eher gering ausgeprägten geisteswissenschaftlichen und eher auf die Ingenieurs- und Naturwissenschaften ausgerichteten Profil der RWTH, das Studiengebühren eher hinnimmt?
Soziale Auslese durch Studiengebühren?
Sowohl das CHE Zentrum für Hochschulentwicklung als auch der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft stimmen nicht mit dem Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen überein, der behauptet, dass Studiengebühren „die soziale Auslese in unserem Bildungssystem massiv verschärft“2 hätten. Klar ist, dass die Beiträge zu einer sozialen Selektion führen und Studenten aus Familien bildungsferner Herkunft das Studium erschweren. Die Möglichkeiten der Finanzierung durch zum Beispiel BAföG oder Studienbeitragsdarlehn seien aber weitaus großzügiger als in den anderen Bundesländern.3 Auch „im Vergleich der Bundesländer mit und ohne Studiengebühren lassen sich kaum Belege für eine abschreckende Wirkung der Gebühren finden”, so der Stifterverband bereits 20094.
An der medizinischen Fakultät in Aachen gibt es seine Vielzahl von Projekten, die durch Studiengebühren finanziert sind. Egal ob es um das hervorragende SkillsLab “AixTra”, bei dem praktische Fertigkeiten trainiert werden können, die Anschaffung von neuen Mikroskopen oder eine Beratungsstelle für die Planung von Auslandsaufenthalten geht, die Angebote sind aus dem Unialltag nicht mehr wegzudenken. Die Transparenz der Vergabe ist ausgezeichnet und jeder, egal ob Student oder Lehrender, kann Ideen für den Gebrauch der Gelder einreichen. Es kommt die Frage auf, was nach der Abschaffung der Studiengebühren kommt. Die Vergabe der Ausgleichszahlung soll Hochschulintern wie gehabt vonstatten gehen, doch wie drastisch werden sich die Kürzungen auswirken?
Studenten sind zahlende Kunden
Ich für meinen Teil habe das Gefühl, dass sich meine Studiensituation durch die Studienbeiträge verbessert hat. Die 500 Euro am Anfang des Semesters tuen weh, können aber durchaus aufgebracht werden. Außerdem verhelfen sie mir zu einem grundlegend anderen Standpunkt bei der Stellung von Forderungen gegenüber meiner Universität: Nämlich dem eines zahlenden Kunden, der etwas haben will für sein Geld.
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1 http://www.gebuehrenkompass.de/2010_uniauswertungen_Aachen_informationsstand.htm 2 http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD14-10144.pdf 3 http://www.che.de/downloads/CHE_Stellungnahme_Gebuehren_NRW_2010.pdf 4 http://www.stifterverband.info/presse/pressemitteilungen/2009_12_10_studienbeitraege_ nrw/index.html