Altersabhängige Krankheiten entstehen, wenn sich Schäden in der menschlichen Erbsubstanz anhäufen. Forschern ist es gelungen, einen wichtigen Faktor zu entschlüsseln, der dafür sorgt, dass die Reparatur von DNA-Schäden korrekt verläuft.
Damit der menschliche Organismus seine Funktionen ausüben kann, muss die Erbsubstanz in seinen Zellen vor dauerhaften Schäden geschützt werden. Die Zellen verfügen deshalb über unterschiedliche Kontroll- und Schutzmechanismen. Diese erkennen DNA-Schäden und leiten normalerweise rasch deren Reparatur ein. Funktionieren sie aber nicht richtig, häufen sich mit der Zeit in den Zellen immer mehr DNA-Schäden an. Krebs und andere altersbedingte Krankheiten können dann die Folge sein.
Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Bernd Wollnik vom Zentrum für Molekulare Medizin (ZMMK) und dem Institut für Humangenetik der Universität Köln konnte nun ein Molekül identifizieren, das für den Erhalt unversehrter menschlicher DNA eine wichtige Rolle spielt. Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin Nature Genetics berichteten, gelang ihnen die Entdeckung, als sie mehrere Patienten mit einer sehr seltenen Erbkrankheit untersuchten.
Die Betroffenen litten am Seckel-Syndrom und zeigten unter anderem einen von Geburt an bestehenden Kleinwuchs, eine ausgeprägte Mikrozephalie und typische Gesichtsauffälligkeiten. Mit Hilfe moderner molekulargenetischer Methoden konnte das Team um Wollnik einen Gendefekt entschlüsseln, der die autosomal-rezessiv vererbte Krankheit verursachte. Von insgesamt sechs Patienten nahmen die Forscher das Erbgut genauer unter die Lupe. Nach einer aufwändigen Suche stießen sie schließlich auf das Gen CEP152. Bei allen Patienten waren beide Kopien von CEP152 defekt.
Defektes CEP152 löst Zelltod aus
Wie die Kölner Arbeitsgruppe in weiteren Experimenten feststellen konnte, ist CEP152 aber nicht nur an der Zellteilung beteiligt, sondern könnte auch eine wichtige Aufgabe haben, wenn in der Zelle Schäden in der Erbsubstanz auftreten und diese repariert werden müssen. Die Idee hierzu kam Wollnik und seinem Team, nachdem sie einen Bindungspartner von CEP152 identifizieren konnten, das so genannte CINP-Protein. Von CINP weiß man seit kurzem, dass dieses Protein wichtig für die Stabilität des Genoms ist.
Als die Forscher Zellen, deren CEP152-Gen defekt war, im Labor mit einer DNA-schädigenden Substanz behandelten, fanden sich in diesen Zellen im Vergleich zu gesunden Zellen Anzeichen dafür, dass es häufiger zu Brüchen der DNA-Doppelhelix kommt. „Bei den defekten Zellen funktionierte ein Reparaturweg kaum noch,“ sagt Wollnik. „Das führte dazu, dass diese Zellen vermehrt den programmierten Zelltod auslösten.“
Der Mediziner vermutet, dass dieser Defekt in der DNA-Reparatur altersabhängige Krankheiten fördert. So litten einige der Patienten mit Seckel-Syndrom schon im Alter von 20 bis 25 Jahren an Typ 2-Diabetes und Osteoporose. Auch das Krebsrisiko könnte bei diesen Patienten erhöht sein. Allerdings seien aufgrund der sehr kleinen Fallzahlen diese Beobachtungen statistisch nicht signifikant.
CEP152 ist an Zellteilung beteiligt
Das Gen trägt die Bauanleitung eines Proteins, das Bestandteil der Zentrosomen ist. Diese spielen eine zentrale Rolle bei der Zellteilung und bestehen aus einem Paar rechtwinklig zueinander angeordneter, zylinderförmiger Zentriolen. Damit die Chromosomen sich während der Zellteilung auf beide Tochterzellen korrekt verteilen, muss das Zentriolenpaar verdoppelt werden. Bei diesem Vorgang scheint CEP152 eine wichtige Funktion auszuüben.
„Als wir uns unter dem Mikroskop Bindegewebszellen der Patienten ansahen, konnten wir verschiedene Veränderungen beobachten“, berichtet Wollnik, der am ZMMK eine Arbeitsgruppe leitet. „Die Zellen zeigten neben einer Fragmentierung der Zentrosomen unter anderem eine ausgeprägte Fehlverteilung der Chromosomen.“
Da diese massiven Veränderungen bei mehr als 40 Prozent der untersuchten Zellen auftraten, ist es für Wollnik verwunderlich, dass dieser Gendefekt überhaupt mit dem Leben vereinbar ist. Vielleicht, so der Mediziner, gebe es möglicherweise in anderen Zelltypen Kompensationsmechanismen, die das Auftreten solcher gravierender Fehler während der Zellteilung verhinderten.
Effektive DNA-Reparatur hemmt altersabhängige Erkrankungen
Aber auch andere Experten sehen einen Zusammenhang zwischen dem von Wollnik beschriebenen Mechanismus der DNA-Reparatur und altersabhängigen Erkrankungen: „Mittlerweile häufen sich die Hinweise, dass einzelne Defekte in den verschiedenen Reparaturmechanismen der Zelle Alterungsprozesse auslösen können“, sagt Björn Schumacher, Wissenschaftler am Exzellenzcluster CECAD, einem Zentrum der Universität Köln, wo Alterungsprozesse und altersassoziierte Erkrankungen erforscht werden.
Als Beispiel nennt er das Werner-Syndrom, eine Krankheit, bei der ab dem 30. Lebensjahr eine massive Alterung einsetzt und die meist vor dem 50. Lebensjahr zum Tod führt. Hier liege, so Schumacher, ein Defekt in einer DNA-Helikase vor, einem Protein das ebenfalls an der Reparatur von Schäden des Erbguts beteiligt sei.
Mittlerweile hat das Team um Wollnik weitere Bindungspartner von CEP152 entdeckt. Der Mediziner möchte nun untersuchen, ob Defekte in Genen dieser Bindungspartner ebenfalls das Seckel-Syndrom verursachen können: „Denn bei rund 90 Prozent der Patienten, die an dieser Erbkrankheit leiden, kennen wir noch nicht den zugrunde liegenden Gendefekt.“