Der Bundesgerichtshof hat gesprochen, und viele Zahnärzte toben: Online-Portale, in denen Patienten ihre Heil- und Kostenpläne meist- beziehungsweise wenigstbietend verhökern können, verstoßen nicht gegen das Gesetz.
Die Bundeszahnärztekammer ließ es in ihrem Statement richtig krachen. Unter der Überschrift „Patient wird zur Handelsware“ polterte der Kammerpräsident gegen ein lange erwartetes Urteil des Bundesgerichtshofs zu einer der erfolgreichsten Web 2.0-Anwendungen im deutschsprachigen medizinischen Internet.
Kostentransparenz via Internet interessiert auch Krankenkassen
Gegenstand der Aufregung ist das Portal 2te-zahnarztmeinung.de. Es handelt sich um eine Art E-Business-Plattform, bei der Patienten, die sich von einem Zahnarzt einen Heil- und Kostenplan für eine Zahnbehandlung erstellen haben lassen, diesen ins Netz füttern, wo er dann für andere Zahnärzte einsehbar ist. Die anderen Zahnärzte können sich nun überlegen, ob sie dem Patienten für die im HKP geschilderte Leistung ein anderes, kostengünstigeres Angebot machen wollen. Ist das der Fall, wird der Patient darüber informiert und kann entscheiden, ob er das Angebot annimmt oder nicht.
Das Portal 2te-zahnarztmeinung.de war mit diesem Konzept im Jahr 2005 ein Pionier, der rasch Nachahmer gefunden hat. Auch das Interesse der Krankenkassen war bald geweckt. Mittlerweile gibt es eine Reihe von Krankenkassen, die ihren Mitgliedern den Service empfehlen oder ihn sogar über elektronische Gesundheitsakten beziehungsweise über die Kassenhomepage zugänglich machen. Angesichts dieser vergleichsweise hohen Akzeptanz war es nicht verwunderlich, dass vor Gericht mit harten Bandagen gekämpft wurde. Zwei Zahnärzte, die auch im Vorstand der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns sind beziehungsweise waren, haben den Weg durch die Instanzen angestrengt. Und lange Zeit sah es tatsächlich so aus, als ob die 2te-zahnarztmeinung vor Gericht baden gehen würde.
BGH watscht bayerische Gerichte ab
Die Geschichte des Prozesses beginnt im Jahr 2006, als die beiden klagenden Zahnärzte vor das Landgericht München zogen. Dort bekamen sie im Jahr 2007 in erster Instanz Recht. Der Gründer des Portals, Holger Lehmann, ging daraufhin in die Berufung, die im Jahr 2008 vor dem Oberlandesgericht München verhandelt wurde. An diesem Hofe kam es dann knüppeldick: Nicht nur bestätigte das OLG die Rechtsprechung des Landgerichts, erklärte das Portal also für rechtswidrig. Es ließ auch keine Revision beim Bundesgerichtshof zu, was bei Prozessen zu Internetportalen, die für die Gerichte ja in der Regel Neuland sind, zumindest ungewöhnlich ist. Für das Portal 2te-zahnarztmeinung.de wurde die ganze Sache spätestens hier lebensgefährlich. Denn natürlich wurden viele der Partner-Krankenkassen angesichts der unklaren rechtlichen Situation immer zurückhaltender.
Auf dem Umweg über eine Nichtzulassungsbeschwerde landete die Sache dann aber doch noch beim Bundesgerichtshof, wo sie seit 2009 anhänglich war. Dass die beiden Urteile der Vorinstanzen jetzt so deutlich gekippt würden, hätte lange Zeit kaum jemand erwartet. Dass es so anders kam, als erwartet, mag erklären, warum die Reaktionen der Spitzenverbände der Zahnärzte so heftig ausfielen. Trotzdem: Mit der Überschrift „Patient wird zur Handelsware“ ist die Bundeszahnärztekammer übers Ziel hinaus geschossen. Denn ob man das Portal jetzt mag oder nicht: Dort werden keine Patienten versteigert, sondern Patienten holen sich aktiv Angebote ein. Das ist schon etwas anderes.