Die Arbeitsgruppe Herzschrittmacher und Elektrophysiologie der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie hat im Fachblatt Cardiovascular Medicine Richtlinien für die Fernüberwachung implantierter Geräte publiziert. Ziel des neuartigen Notfallsystems: "Die Verhinderung von Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz, die Reduktion von Konsultationen, die Optimierung der Patientensicherheit und Patientenzufriedenheit".
Die Schweiz ist zahlenmäßig betrachtet ein überschaubares Land. Genau 3991 Herzschrittmacher erhielten die Menschen im Alpenland 2009 implantiert, hinzu kamen 935 Erstimplantationen für automatische Defibrillatoren, von denen exakt 518 Systeme der Synchronisationsbehandlung von schwerer Herzinsuffizienz dienten. Verglichen damit erscheinen die Statistiken aus den USA wie ein Gigant: Mehr als 280.000 Schrittmacher und über 160.000 automatische Defibrillatoren leisten sich die US-Citizens jährlich – doch wie man damit im Alltag am besten hantiert, lernen die Amerikaner jetzt womöglich von Medizinern der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie.
Pragmatismus an vorderster Stelle
Denn die Schweizer setzen, auf der Suche nach Standards, auf handfeste Regeln für den Alltag. Pragmatismus steht dabei an vorderster Stelle. So sollen künftige Telemedizin-Anwendungen im Alpenland mit einem Problem fertig werden, das bisweilen allenfalls Autobauer zu kennen schienen: Die rechtzeitige Erkennung von Risikopatienten im Falle von Rückrufen der Industrie. Tatsächlich zählt das Phänomen der sogenannten field safety corrective actions zu den realen Risikoszenarien der Medizintechnikbranche weltweit.
Im Jahr 2005 beispielsweise musste die US-Firma Medtronic Defibrillatoren vom Markt nehmen, die zwischen April 2001 und Dezember 2003 hergestellt worden waren. Allein in Deutschland rechnete mit man rund 5000 solcher Devices, nur: Wie sollen Ärzte die Betroffenen im Alltag schnellstens erreichen? Die telemedizinische Anbindung verspricht hier Abhilfe, weil jeder Träger eines Geräts erfasst und automatisch monitorisiert werden kann.
Daraus leiten die Mediziner um Jürg Fuhrer, der als Bereichsleiter Rhythmologie und Elektrophysiologie der Kardiologische Universitätsklinik am Inselspital Bern fungiert, die zweite wichtige Säule der neuen Richtlinien ab: Jedes abweichende Verhalten des implantierten Geräts müsse „identifiziert und korrigiert werden“ können, wozu „auch die Maximierung der Geräte-Lebensdauer unter Erhaltung der größtmöglichen Patientensicherheit“ zähle. Auch hier hat die Forderung handfeste Gründe. Denn Geräte, „deren Batteriespannung sich einem kritischen Bereich nähert“, gehören zu den größten Risikofaktoren.
Reduktion der Krankenhausaufenthalte
Ob ein Implantat fehlerfrei funktioniert, entscheidet hingegen noch lange nicht über die Erfolgschancen der Therapie an sich. Fuhrer und sein Team setzen daher auf die Korrelation zwischen den gemessenen Arrhythmien und die Reaktion des jeweiligen Geräts. „Darüber hinaus müssen relevante Parameter wie der hämodynamische Status aufgezeichnet werden und die Antwort dieser Parameter auf Therapieanpassungen überprüft werden“, folgern die Kardiologen.
Die Liste der Telekardiologischen Indikationen jedenfalls kann sich sehen lassen. Herzrhythmusstörungen, Chronische Herzinsuffizienz, Remote Monitoring von ICD und Schrittmachern sowie die Koronare Herzkrankheit mit Akutem Koronaren Syndrom stehen an vorderster Stelle der e-Agenda. Schon die gesundheitsökonomische Betrachtung der Herzinsuffizienz lässt das Potenzial erkennen. So stellte das Akademisches Lehrkrankenhaus der Berliner Charité im November 2009 Zahlen aus den USA vor, wonach die Mortalitätsrate bei Anwendung telemedizinischer Methoden in der Kardiologie um fulminante 56 Prozent zurückging. Den Grund auszumachen fällt nicht schwer: Anders als bei der klassischen Betreuung ermöglichen tägliche Datenübertragungen an spezielle Telemedizin-Zentren eine lückenlose Überwachung. Der Arzt bekommt auf diese Weise Informationen zu den wichtigsten physiologischen Werten seines Patienten übermittelt. Die Reduktion der Krankenhausaufenthalte ist evident, auch die Liegedauer geht mit Hilfe des Telemonitoring deutlich zurück.