Der Grund für männliche Unfruchtbarkeit kann häufig nicht mithilfe gängiger Methoden erklärt werden. Jetzt stellt ein Team aus Reproduktionsmedizinern einen neuen Test vor. Dieser soll prospektive Aussagen zur Zeugung ermöglichen.
In den letzten 40 Jahren sank die Gesamtzahl an Spermien pro Erguss um knapp 60 Prozent. Für Wissenschaftler sind Entwicklungen wie diese spannend, die Aussagekraft solcher Zahlen lässt allerdings zu wünschen übrig. Ähnlich ist es bei im Handel erhältlichen Spermiogrammen, die laut WHO-Vorgaben mehrere Parameter umfassen. Prospektive Aussagen, ob ein Mann Kinder zeugen kann oder nicht, sind damit aber kaum möglich. Warum es zu den erwähnten Veränderungen bei der Spermienzahl gekommen ist, bleibt ebenfalls unklar. Diese Lücke soll ein neu entwickelter Test namens Cap-Score™ schließen.
Dr. Alexander Travis vom Cornell University College of Veterinary Medicine, Baker Institute for Animal Health, in Ithaca wählte eine Strategie, die sich von Spermiogrammen deutlich unterscheidet. Er bestimmte das Gangliosid GM1 als Biomarker. Ganglioside sind Lipide (fettähnliche Moleküle), die unter anderem in Plasmamembranen menschlicher Spermien vorkommen. Das Molekül diente Travis als Grundlage für seinen Test, den Messwert gibt der Forscher als Cap-Score™ an. Das Auswertungsprinzip gestaltet sich folgendermaßen: Normalwerte sprechen für die Möglichkeit, per intrauteriner Insemination (IUI) eine Schwangerschaft auszulösen. Niedrigere Werte standen dem Babyglück entgegen. Seine Erkenntnis aus Laborexperimenten und kleine Kohorten untersuchte Travis jetzt bei 208 Samenproben von Männern, die wegen Problemen bei der Zeugung ärztliche Hilfe aufgesucht hatten. Als Ergänzung zum Spermiogramm bestimmten Forscher den Cap-Score™. In 91 Fällen bekam das Team Hinweise zur möglichen Schwangerschaft der Partnerin. Verzerrungen wie das Alter von Frauen oder Männern wurden ausgeschlossen.
Tatsächlich hatten Männer mit normalem Cap-Score™ eine 2,78-fach höhere Chance, Vater zu werden als Geschlechtsgenossen mit zu niedrigem Wert. Und die Wahrscheinlichkeit, beim ersten IUI-Versuch Erfolg zu haben, war 4,23-fach höher. Im Gegensatz dazu stand kein Paramater aus Spermiogrammen mit der erfolgreichen Zeugung in Zusammenhang. „Von allen Tests, die üblicherweise zur Messung von Spermien verwendet werden, ist der Cap-Score der einzige, der prospektiv die Wahrscheinlichkeit anzeigt, dass ein Mann ein Kind zeugt“, sagt Travis in einer Pressemitteilung der Cornell University.
Travis zeigt mit einem neuen Ansatz, dass sich GM1 möglicherweise als Marker eignet, um den Erfolg einer IUI zu prognostizieren. Allerdings war die Kohorte recht klein. Außerdem kann das Forscherteam nur Assoziationen, aber keine kausalen Zusammenhänge zeigen. Zwar bemühten die Wissenschaftler sich, einen Bias durch Einflussfaktoren wie das Alter oder Probleme bei der Ovulation zu eliminieren. Ob ihnen das gelungen ist, müssen weitere größere Studien zeigen. Anmerkung der Redaktion: Es besteht ein Interessenkonflikt, da das Forschungsprojekt von dem Unternehmen Androvia LifeSciences LL finanziell unterstützt wurde.