Die Entschlüsselung eines Arztbriefes kann medizinische Laien zur Verzweiflung treiben. Um der Kommunikation zwischen Arzt und Patient auf die Sprünge zu helfen, haben Medizinstudierende aus Dresden einen Übersetzungsservice gegründet.
In Zeiten überfüllter Wartezimmer kommt es immer wieder vor, dass ein Patient einen medizinischen Befund ohne Erklärungen in Händen hält. Um dann selbst herauszufinden, was hinter einer Hypothyreose oder unter einer Sinusitis stecken könnte, bemühen immer mehr Betroffene das Internet. Hier sind aber längst nicht alle Suchergebnisse vertrauenswürdig und auch die Inhalte mancher Portale sind oftmals medizinisch nicht korrekt. Genau an diesem Punkt kommt der neue Patientenservice "Was hab' ich?" ins Spiel, der ehrenamtlich von Medizinstudierenden aus Dresden entwickelt wurde. Seit Mitte Januar steht der Service online zur Verfügung.
Das kostenlose Übersetzungsangebot ist intuitiv auf der entsprechenden Internetseite zu bedienen und berücksichtigt grundlegende Prinzipien des Datenschutzes. So ist es völlig ausreichend, sich als Patient mit eMail-Adresse und Geburtsdatum auf der Seite anzumelden. Der zu übersetzende medizinische Befund oder auch ganze Arztbriefe können entweder direkt in ein Textfeld eingegeben, oder als eingescannte Datei an eine Kontaktadresse geschickt werden. Nach etwa 24 Stunden erhält der Patient dann eine allgemeinverständliche Übersetzung seiner eingereichten fachsprachlichen Dokumente. Alle persönlichen Angaben werden wie auch in einer Arztpraxis streng vertraulich behandelt.
Ehrenamt mit Lerneffekt
Das Projekt "Was hab‘ ich?" wurde von den beiden Studierenden Anja Kersten und Johannes Bittner ins Leben gerufen, die aufgrund der positiven Resonanz auf Patientenseite mittlerweile von mehreren Kommilitonen und zwei Ärzten unterstütz werden. Dabei übersetzen die werdenden Mediziner und Medizinerinnen die Befunde ehrenamtlich in ihrer Freizeit. Die laufenden Kosten werden über Werbeanzeigen auf der Internetseite finanziert. Die Grundidee dieser Aktion entstand in Zusammenhang mit Anfragen zu medizinischen Befunden im eigenen Bekanntenkreis der Gründer. Als Medizinstudierende wurden die beiden regelmäßig um fachlichen Rat und um Erklärungshilfe gebeten. "Für die Leute, die niemanden in ihrem Bekanntenkreis haben, muss es auch so ein Angebot geben", sagt Jan Bittner. Von da an war es nur noch ein kleiner Schritt zum neuen Online-Service, der bis jetzt viele positive Rückmeldungen von den Patienten erhalten hat. So kommen zurzeit durchschnittlich 20 Patienten auf das Übersetzungsangebot zurück, weshalb die entsprechende Seite auch in Zukunft gepflegt und fortgeführt werden soll.
Neben den Patienten profitieren auch die bislang 30 studierenden "Übersetzer" von dem beispiellosen Pilotprojekt. Durch eine intensive Auseinandersetzung mit den Befunden und Arztbriefen können sie ihr fachliches Wissen festigen. Darüberhinaus ist die Umformulierung von Fachvokabular in eine für Laien verständliche Form ein gutes Training für die Schaffung einer tragbaren Arzt-Patienten-Beziehung. Und sollten die zu übersetzenden Befunde einmal doch zu knifflig sein, gibt es immer noch zwei Ärzte, die den motivierten Studierenden unter die Arme greifen.
Baustelle Kommunikation im Klinikalltag
Auch Mediziner der Uniklinik Dresden, dem Studienort der Gründer, sehen in dem neuen Projekt einen wertvollen Beitrag zu Verbesserung der Arzt-Patienten-Beziehung. Dabei sollte kritisch betrachtet werden, dass unter den Patienten überhaupt ein Bedarf nach verständlichen Erklärungen besteht. "Es ist eher ein Signal für uns Mediziner, noch besser auf unsere Kommunikation zu achten", meint die Internistin Katharina Schmidt-Göhrich, die dem studentischen Projekt insgesamt positiv gegenüber steht. Betrachtet man die neue "Was hab‘ ich?"-Seite einmal als Ganzes, wird schnell deutlich, dass sich hier eine absolute Win-Win-Situation herausgebildet hat: Patienten können sich besser mit ihrer Krankengeschichte auseinandersetzen, Studierende festigen ihre Fachkenntnisse und der intensive Dialog beider Seiten schafft die Grundlage einer gleichberechtigten Kommunikation.