Bei chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen kommt es zu einem unaufhaltsamen Verlust von Lungengewebe. Forscher haben einen Therapieansatz entwickelt, der möglicherweise das Fortschreiten der bisher nicht heilbaren Krankheit aufhalten könnte.
In Deutschland leiden drei bis fünf Millionen Menschen an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, kurz auch COPD genannt. Sie ist eine der häufigsten Todesursachen und bisher bestehen keine Möglichkeiten, sie dauerhaft zu heilen. Symptome der Krankheit sind vor allem Husten, vermehrter Auswurf und Atemnot bei Belastung. Ausgelöst wird die COPD meist durch Tabakrauch oder Staubpartikel in der Atemluft. Im Krankheitsverlauf kommt es zu einer Verengung der Bronchien und einer immer weiter fortschreitenden Schädigung des Lungengewebes. Dabei können sich die Lungenbläschen irreversibel überblähen. Derart veränderte Lungenbläschen werden im Fachjargon als Emphysem bezeichnet. Zusätzlich ist bei COPD-Patienten auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie an Lungenkrebs erkranken.
Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München haben nun einen Therapieansatz entwickelt, der eines Tages helfen könnte, COPD wirksamer als bisher zu behandeln. Wie Melanie Königshoff und ihre Kollegen in der Fachzeitschrift American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine mitteilen, konnten sie den Verlust von Lungengewebe bei Mäusen, die an einer der menschlichen COPD ähnlichen Krankheit litten, rückgängig machen. Nach Ansicht von Professor Claus Vogelmeier, Leiter der Abteilung Pneumologie an der Klinik für Innere Medizin des Universitätsklinikums Marburg, zeigt die Arbeit der Münchener Forscher einen Weg auf, der dazu beitragen kann, krankhaft verändertes Lungengewebe wieder zu reparieren.
Mäuse als Modellsystem
Für ihre Experimente verwendeten Königshoff und ihre Mitarbeiter Mäuse, die entweder Tabakrauch ausgesetzt waren oder denen inhalativ eine Substanz verabreicht wurde, welche das Bindegewebe in den Lungen der Mäuse abbaute. In beiden Fällen erkrankten die Mäuse an COPD. „Die Lungenfunktion wurde kontinuierlich schlechter“, berichtet Königshoff, die am Comprehensive Pneumology Center des Helmholtz Zentrums eine Nachwuchsgruppe leitet. „Außerdem konnten wir feststellen, dass sich die Architektur ihres Lungengewebes ähnlich wie bei COPD-Patienten deutlich veränderte hatte und bei den Mäusen Emphyseme entstanden waren.“
Anschließend nahmen die Forscher das geschädigte Gewebe auf molekularer Ebene genauer unter die Lupe. Sie schauten sich an, welche Gene angeschaltet waren und welche nicht. Dabei zeigte sich im Vergleich zu gesundem Gewebe, dass bestimmte Gene nicht aktiv waren. Sie tragen die Bauanleitung von Proteinen, die am so genannten WNT-Signalweg beteiligt sind. Eine Reihe von mehreren Molekülen, die nacheinander in Aktion treten, sorgt bei diesem Signalweg dafür, dass sich die Lungen während der Entwicklung eines Organismus richtig ausbilden. „Im gesunden Gewebe schlummert der WNT-Signalweg sozusagen“, erklärt Königshoff. „Sobald jedoch ein Schaden auftritt, kann der Weg prinzipiell eingeschaltet werden, um ihn zu beheben.“ Allerdings, so die Medizinerin, schaffe es aus einem noch unbekannten Grund die Lunge bei COPD nicht, den WNT-Signalweg zu aktivieren. Wirkstoff aktiviert Signalweg
Sie und ihre Mitarbeiter hatten nun die Idee mit einer pharmakologisch wirksamen Substanz diese Hemmung aufzuheben und dadurch die Reparatur des geschädigten Lungengewebes wieder in Gang zu bringen. Die Forscher verabreichten Mäusen, die an einer COPD litten, über einen Zeitraum von mehreren Tagen Lithiumchlorid – einen Wirkstoff, von dem bekannt ist, dass er den WNT-Signalweg aktiviert. Die so behandelten Tiere zeigten im Vergleich zu Mäusen, die den Wirkstoff nicht erhielten, eine deutliche Verbesserung ihrer Lungenfunktion. Auch als Königshoff und ihr Team sich das Lungengewebe der Mäuse genauer anschauten, machte sich ein Rückgang der Erkrankung bemerkbar: „Die Lungenbläschen hatten nach der Behandlung wieder eine annähernd normale Größe“, sagt die Medizinerin.
Ob sich die Ergebnisse ihrer Experimente eins zu eins auf den Menschen übertragen lassen, weiß sie allerdings noch nicht sicher: „Es ist noch nicht klar, ob der Reparaturprozess, den wir in Mäusen gefunden haben, auch beim Menschen vorhanden ist“, so Königshoff. Da aber die Komponenten des WNT-Signalwegs zwischen Maus und Mensch weitgehend identisch seien, stünden die Chancen wahrscheinlich gut, dass die Aktivierung des WNT-Signalwegs auch COPD-Patienten helfen könnte. Um das herauszufinden, plant das Forscherteam nun den nächsten Schritt: „Wir möchten Gewebeproben, die wir COPD-Patienten entnehmen, ebenfalls mit den gleichen Wirkstoffen behandeln“, berichtet Königshoff, „und schauen, ob auch dort das geschädigte Lungengewebe repariert wird.“
Klinische Studie noch Zukunftsmusik
Wenn diese Versuche erfolgreich sind, so die Münchener Medizinerin, könnte in vier bis fünf Jahren vielleicht mit der klinischen Erprobung ihres Therapieansatzes begonnen werden. Ein Ziel, das auch ihr Kollege Claus Vogelmeier vor Augen hat: „Wir müssen Medikamente entwickeln, die direkt in den Prozess eingreifen und den Verlust von Lungengewebe bei COPD aufhalten, wenn nicht sogar rückgängig machen.“