Mit Spannung wurden 2010 Resultate einer invasiven Methode bei therapieresistenter Hypertonie erwartet. Die Erwartungen wurden erfüllt: Die Ausschaltung sympathischer Nervenfasern der Nierenarterien senkt den Blutdruck. Standard ist die renale Denervation aber noch nicht.
Der invasive, aber sichere Eingriff könnte daher eine Option für jene Patienten sein, bei denen der Blutdruck medikamentös nicht ausreichend zu senken sei, berichteten damals australische Kollegen beim Kongress der US-Herzgesellschaft („American Heart Association“) in Chicago.
Bei der renalen symphatischen Denervierung, deren Grundkonzept schon mehrere Jahrzehnte alt ist, werden beidseits die Nervenfasern mit Radiofrequenzenergie ausgeschaltet. Das Vorgehen ist vergleichbar mit einer selektiven Darstellung der Nierenarterien bei einer Angiographie. Nach der Punktion eines arteriellen Gefäßes in der Leiste wird der Katheter unter Durchleuchtung bis in die Nierenarterie vorgeschoben. Nach Anlage der Katheter-Spitze an die Gefäßwand werden die an der äußeren Seite des Gefäßes verlaufenden sympathischen Nervenfasern verödet. Das System (Symplicity-Katheter) ist in Europa und Australien bereits zugelassen; in den USA soll in diesem Jahr eine Phase-III-Studie starten. Die etwa 40- bis 60-minütige Behandlung kostet angeblich rund 10 000 Euro oder 13 500 US-Dollar, also in etwa so viel wie eine Angioplastie. Die Patienten bleiben in der Regel über Nacht im Krankenhaus. Als Voruntersuchung ist eine radiologische Darstellung der Nierengefäße obligatorisch, um die anatomischen Verhältnisse im Vorfeld zu klären. Routinemäßig werden eine Sonographie und Computertomographie der Nierengefäße vorgenommen.
Ergebnisse, die Hoffnungen wecken
An der im November 2010 in Chicago präsentierten Studie (Symplicity HTN-2) nahmen 106 Patienten teil, bei denen der systolische Blutdruck trotz Behandlung mit drei oder mehr Antihypertensiva nicht unter 160 mmHg (150 mmHg bei Typ-2-Diabetikern) gesunken war; bei der Hälfte von ihnen wurde zusätzlich zur Medikation die Therapie mit dem Katheter-System des kalifornischen Unternehmens Ardian vorgenommen, das die Studie finanziert hatte und im Januar dieses Jahres von Medtronic übernommen wurde. Innerhalb von sechs Monaten sanken nach der bilateralen Katheter-Therapie der systolische Blutdruckwert um 32 mmHg und der diastolische um 12 mmHg. Vor der Behandlung hatten die Patienten Werte von im Mittel 178/96 mmHg. In der Vergleichsgruppe mit alleiniger Pharmakotherapie blieben die Werte konstant hoch. Im Katheter-Arm fiel bei über 80 Prozent der Patienten der systolische Blutdruck-Wert um mindestens zehn mmHg, in der Vergleichsgruppe bei 35 Prozent. Ein halbes Jahr nach der Behandlung hatten allerdings nur rund 39 Prozent der Patienten in der Katheter-Gruppe einen systolischen Wert unter 140 mmHg, in der Vergleichsgruppe war dies bei 3,6 Prozent der Fall. Eine Blutdruck-Kontrolle wurde also bei fast zwei Dritteln der invasiv behandelten Patienten nicht erreicht. Immerhin rund 20 Prozent der Patienten konnten jedoch die Dosis oder Zahl ihrer Medikamente reduzieren. Und: Die invasive Behandlung verlief nach Angaben der Wissenschaftler bei allen Patienten ohne Komplikationen. Es wurden weder Nierenarterien-Stenosen noch pathologische Gefäßerweiterungen gesehen noch eine reduzierte Nierenfunktion festgestellt, auch nicht bei Patienten mit bereits etwas eingeschränkter Nierenfunktion.
Dämpfer für zu große Hoffnungen
„Es war immer ein Traum von mir, eine Therapie für Bluthochdruck-Kranke zu entwickeln“, sagte Dr. Murray D. Esler („Baker IDI Heart and Diabetes Institute“ in Melbourne), der die Studienergebnisse, die zeitgleich in der Fachzeitschrift „The Lancet“ erschienen, in Chicago präsentierte. Als spannend und viel versprechend bezeichneten auch die Lancet-Kommentatoren Dr. Michael Doumas („George Washington University“) und Dr. Stella Douma von der Universität von Thessaloniki die Ergebnisse. Gleichwohl dämpften sie - wie andere Wissenschaftler auch - einen zu großen Optimismus, da die Studie doch „einige Grenzen“ habe. Denn eine wirkliche Vergleichsgruppe mit einer Scheinkatheter-Therapie gab es nicht, so dass eine Placebo-Wirkung nicht sicher ausgeschlossen werden kann, lautete eine der kritischen Äußerungen. Die Studie war außerdem nicht verblindet. Rund 16 Prozent der primär in die Studie aufgenommenen Patienten mussten wegen ungünstiger anatomischer Verhältnisse ausgeschlossen werden. Kritisiert wurde auch, dass Patienten mit sekundärer Hypertonie und sogenanntem Weißkittel-Hypertonus nicht ausgeschlossen worden waren. Darüber hinaus erhielten nur 17 Prozent der Hypertonie-Kranken Aldosteron-Antagonisten, womit sich die Frage stellt, ob die Patienten die optimale medikamentöse Therapie erhielten.
Langzeitdaten erwünscht
Ob die Katheter-Therapie tatsächlich eine so gute Option ist, wie die bisherigen „dramatischen“ Resultate hoffen lassen, müssten noch Langzeit-Daten zeigen, so damals Dr. Suzanne Oparil (Universität von Alabama in Birmingham) und andere Wissenschaftler bei der Diskussion in Chicago. Ein Grund für die Forderung nach klinischen Langzeitdaten ist die Befürchtung, dass sich sympathische Nervenfasern regenerieren könnten. Einen Beleg dafür, dass sich die renale Sympathikusfunktion wieder erhole, gebe es bislang aber nicht, erklären Dr. Michael Uder und seine Kollegen von der Universität Erlangen. Die bisherigen klinischen Erfahrungen sprächen dagegen, schreiben auch Doumas und Douma in ihrem Kommentar im „Lancet“. Allein die Zukunft werde jedoch zeigen, ob die renale Denervierung die Bluthochdruck-Therapie im Praxisalltag verändern werde. Wichtig sei unter anderem, noch herauszufinden, bei welchen Patienten ein Erfolg des Verfahrens sehr wahrscheinlich sei. Ein Grund für die Unsicherheit ist nach Angaben der beteiligten Wissenschaftler auch, dass der exakte Wirkmechanismus der Methode noch nicht völlig verstanden ist. Unklar sei zum Beispiel noch, ob der Effekt auf der Ausschaltung der efferenten sympathischen Nervenfasern oder der afferenten (oder beider) beruhe, schreiben etwa Dr. Ronald G. Victor und seine Kollegen vom „Cedars-Sinai Heart Institute“ in Los Angeles. Doch sollten sich die Erwartungen erfüllen, wäre dies sicher ein enormer Fortschritt, meinte Oparil. Auf jeden Fall bringe diese invasive Methode wieder etwas Schwung in die Erforschung der Bedeutung des Sympathikus für die Hypertonie-Genese.
Ergebnisse nach 24 Monaten geliefert
Inzwischen gibt es auch bereits Studiendaten zu 153 Patienten mit einer Beobachtungsdauer von 24 Monaten nach dem Eingriff: Die Ergebnisse, die gerade in der Zeitschrift „Hypertension“ erschienen, belegen eine Blutdrucksenkung systolisch um 30 und diastolisch um 14 mmHg, wobei die Behandlung bei 97 Prozent der Patienten komplikationslos verlief. Bei drei Patienten kam es zu sogenannten Pseudoaneurysmen, bei einem Patienten zu einer Dissektion der Nierenarterie. Nach Angaben der Autoren um Professor Henry Krum („Monash University / Alfred Hospital“ in Melbourne) bekamen die Ärzte alle Komplikationen in den Griff.
Trotzdem noch kein Standardverfahren
Welchen Stellenwert die neue Methode in der alltäglichen Behandlung von Bluthochdruck-Kranken haben wird, kann derzeit noch nicht gesagt werden. Denn zum einen sind die bisherigen viel versprechenden Ergebnisse von spezialisierten Ärzten in klinischen Studien erzielt worden. Welche Resultate jedoch außerhalb von Studien, im klinischen Alltag also, erzielt würden, sollte das Verfahren weit verbreitet angewendet werden, steht auf einem ganz anderen Blatt. Zum anderen ist es notwendig zu klären, ob die renale Denervation nur für die spezielle, relativ kleine Gruppe von Patienten mit therapieresistentem Hypertonus (Prävalenz 5 bis 15 Prozent) geeignet ist oder für sehr viele und unterschiedliche Patienten-Gruppen, etwa für Patienten mit Metabolischem Syndrom, Diabetiker mit Bluthochdruck, herzinsuffiziente Patienten und vor allem auch für alte, oft multimorbide Menschen sowie Patienten mit nur leicht erhöhten Blutdruck-Werten. Studien dazu laufen bereits. Und vor wenigen Wochen hat schon ein Team aus australischen und auch deutschen Wissenschaftlern über recht gute Ergebnisse mit der Methode beim polyzystischen Ovarialsyndrom im „Journal of Hypertension“ berichtet.
Faszinierend - und eine Vision
„Das autonome Nervensystem durch eine Katheter-Ablation dauerhaft beeinflussen zu können, ist faszinierend und eröffnet ungeahnte Möglichkeiten - nicht nur zur Behandlung der arteriellen Hypertonie. Sollten sich die Ergebnisse bestätigen, so sehe ich in Zukunft zahlreiche Anwendungsgebiete, bei denen eine Überaktivität des sympathischen Nervensystems Schaden anrichtet. Ich denke hier an Patienten mit Herzschwäche, überstandenem Herzinfarkt oder bösartigen Herzrhythmusstörungen, um nur einige Krankheitsbilder zu nennen. Auch Patienten mit Diabetes mellitus oder Schlafapnoe-Syndrom kommen in Betracht - dies aber ist alles noch Vision", sagt Professor Dr. Axel Bauer, Kardiologe am Universitätsklinikum Tübingen, der das Verfahren auch anwendet.