In den USA ist seit Kurzem ein neuer Biomarker zugelassen, der eine Abschätzung der Prognose von Herzinsuffizienzpatienten erlaubt. Unklar ist, wozu er im Alltag am besten eingesetzt werden könnte.
Warum entwickeln manche Menschen mit Herzinsuffizienz vergleichsweise schnell eine kardiale Fibrose mit entsprechend dramatischem Einfluss auf die Herzfunktion? Warum laufen andere Patienten mit dem gleichen klinischen Erscheinungsbild jahrzehntelang mit leicht reduzierter EF umher und kommen, von seltenen Dekompensationsepisoden abgesehen, gut damit klar? Ein Faktor, der im konkreten Fall der Herzinsuffizienz zu unterschiedlichen Krankheitsverläufen beiträgt, ist das Eiweiß Galectin-3. Für diesen Biomarker gibt es jetzt erstmals einen von der US-Zulassungsbehörde FDA abgesegneten Bluttest, der US-Ärzten im Alltag zur Verfügung steht.
Reges Interesse bei Platzhirschen der Diagnostikbranche
Galectin-3 ist ein interessantes Protein. Es bindet im Herzen an Myofibroblasten und kurbelt dadurch die Kollagensynthese und das kardiale Remodeling an. Nach Angaben von BG Medicine, dem Unternehmen, das den Galectin-3-Test entwickelt hat, sind die Galectin-3-Spiegel bei etwa 30 Prozent der Patienten mit Herzinsuffizienz erhöht. Diese Patienten neigen zur Ausbildung einer progredienten Herzfibrose. „Dass es jetzt einen Galectin-3-Test gibt, um diese Hochrisikopatienten zu identifizieren, ist ein weiterer großer Schritt in Richtung einer effizienteren und gezielteren Therapie von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz“, betont Professor Bertram Pitt, Kardiologe an der University of Michigan School of Medicine und einer der Leitwölfe der klinischen Kardiologie in den USA. Nicht nur Pitt, auch große Diagnostikakonzerne interessieren sich für den neuen Test. So gibt es bereits mehrere Kooperationsvereinbarungen, darunter mit Abbott, Alere, LabCorp, Siemens und bioMérieux, die den auf der ELISA-Technik basierenden Assay auf ihren jeweiligen Plattformen anbieten wollen.
Als Grenzwert für Galectin-3 gibt BG Medicine einen Wert von 17,8 ng/ml an. Wer höhere Werte hat, bei dem sind, im Vergleich zu Herzinsuffizienzpatienten mit einem Galectin-3 von unter 17,8 ng/ml, unter anderem das Risiko für Klinikeinweisungen und die Sterblichkeit erhöht. Bis zu einem Galectin-3-Level von 25,9 ng/ml existiere eine Grauzone, in der das Ergebnis vorsichtig zu interpretieren sei. Galectin-3-ist zudem nicht spezifisch für das Herz. Erhöhte Galectin-3-Spiegel kommen außer bei Herzinsuffizienz auch bei einigen Krebserkrankungen und bei anderen fibrotischen Erkrankungen vor.
Test positiv. Und dann?
Auch wenn für den Einsatz von Galectin-3 bei Herzinsuffizienz mittlerweile ein relativ breites Studienfundament existiert: Die entscheidende Frage bleibt, was die Bestimmung des Galectin-3 im Alltag wirklich bringt. Selbst der Hersteller gibt auf seiner Webseite unter dem Stichwort Interpreting Galectin-3 Results zu, dass die Rückschlüsse aus der Bestimmung derzeit recht überschaubar sind: Einem Patienten, bei dem Galectin-3 erhöht ist, kann der Arzt im Wesentlichen sagen, dass er ein höheres Risiko für einen schlechten Verlauf seiner Herzinsuffizienz hat. Weil die Galectin-3-Spiegel im Krankheitsverlauf ziemlich konstant sind, taugt der Parameter – anders als natriuretische Peptide – nicht zur Diagnose einer Herzinsuffizienz. Er ist auch unabhängig von Dekompensationsepisoden und unabhängig von der Herzinsuffizienztherapie, kommt also nicht für ein pharmakologisches Monitoring in Frage.
Trotzdem könnte Galectin-3 in Zukunft eine wichtige Rolle im Therapiemanagement spielen. Denn zumindest erlaubt der Wert eine Aussage darüber, bei welchen Patienten eine intensivere Therapie beziehungsweise Überwachung besonders sinnvoll sein könnte. Denkbar wären beispielsweise Managed Care-Szenarien, die sich nicht pauschal an Herzinsuffizienzpatienten richten, sondern speziell an solche mit erhöhtem Risiko wenden. Auch der Einsatz von Telemonitoring könnte anhand des Galectin-3 Levels stratifiziert werden. Ideal wäre es natürlich, wenn in Zukunft neue Therapien auf den Markt kämen, die speziell bei Herzinsuffizienzpatienten mit erhöhten Galectin-3-Spiegeln einen Zusatznutzen bringen. Ausgeschlossen ist das nicht. Nur ist davon bisher noch nicht viel zu sehen.