Das metabolische Syndrom gilt als ein Risikofaktor für Herzkreislauf-Erkrankungen und überwiegend als Folge eines ungesunden Lebensstils. Zunehmend diskutieren Forscher nun die Rolle eines Nebennierenhormons – und damit auch neue therapeutische Ansätze.
Als charakteristisch für das metabolische Syndrom gelten Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, abdominelle Adipositas und Insulinresistenz, was aufgrund der erhöhten kardiovaskulären Sterblichkeit der Betroffenen auch zu der Bezeichnung „tödliches Quartett“ geführt hat. Streng wissenschaftlich definiert wird das Syndrom heute durch einen erhöhten Taillen-Umfang, erhöhte Triglyzerid-Werte (ab 1,7 mmol/l), verminderte HDL-C-Spiegel (≤ 1 mmol/l bei Männern und ≤ 1,3 mmol/l bei Frauen), zu hohe Blutdruckwerte (systolisch ab 130, diastolisch ab 85 mmHg) und erhöhte Nüchtern-Glukose-Konzentrationen (ab 100 mg/dl).
Mehr Bewegung und mediterrane Kost schützen
Mangelnde Bewegung und Überernährung gelten als die wesentlichen Ursachen des Syndroms, dessen Häufigkeit bald 50 Prozent betragen könnte, befürchten Epidemiologen und andere Wissenschaftler. Zwischen 1999 und 2002 betrug die Prävalenz in den USA etwa schon knapp 35 Prozent. Um mehr als das Zweifache soll das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht sein, hat etwa eine Metaanalyse ergeben, die im vergangenen Jahr im renommierten „Journal of the American College of Cardiology“ erschienen ist. Sogar kognitive Fähigkeiten werden nach einer aktuellen Untersuchung französischer Wissenschaftler („Neurology“) von einem metabolischen Syndrom beeinträchtigt.
Als wichtigste vorbeugende und therapeutische Maßnahme wird, etwa von den Experten der Deutschen Herzstiftung, ein so genannter gesunder Lebensstil mit mehr körperlicher Aktivität und kalorienreduzierter Kost angesehen – in der Regel in Kombinationen mit Arzneimitteln, zum Beispiel gegen Bluthochdruck. Erst kürzlich haben erneut griechische und italienische Forscher berichtet, dass eine mediterrane Kost (Gemüse, Salat, Obst, Vollkornprodukte, wenig Fleisch, eher Fisch sowie Olivenöl) vor einem metabolischen Syndrom schützen könne („Journal of the American College of Cardiology“).
Aldosteron: auch am metabolischen Syndrom beteiligt
Neue Therapieansätze könnten sich jedoch aus der Erkenntnis ergeben, dass das Nebennierenhormon Aldosteron an der Entwicklung des metabolischen Syndroms und seinen Folgen beteiligt ist. Aldosteron ist ein natürliches Steroidhormon, das in der Nebennierenrinde aus Cholesterin gebildet wird und zu den Mineralocorticoiden zählt. In der Niere bewirkt Aldosteron über die Aktivierung von Mineralocorticoid-Rezeptoren einen vermehrten Einbau von Natriumkanälen und -transportern in die Plasmamembran. Dadurch wird der Transport von Natrium erleichtert und so die Wasserrückresorption gesteigert. Gleichzeitig kommt es zu einer erhöhten Ausscheidung von Kalium- und Ammoniumionen und Protonen. Insgesamt bewirkt Aldosteron einen Anstieg des Extrazellulärvolumens, eine Abnahme der Kaliumkonzentration und eine Zunahme des pH-Wertes im Blut. Doch Aldosteron kann noch viel mehr, als nur den Natrium-Kalium- und Wasserhaushalt zu regulieren und so den Blutdruck zu beeinflussen. Das Hormon wirkt, indem es Mineralocorticoid-Rezeptoren aktiviert und die Gluconeogenese in der Leber beeinträchtigt, auch auf den Glukose-Stoffwechsel; es fördert die Insulinresistenz, den oxidativen Stress, entzündliche Gefäß-Prozesse, Störungen des Gefäßendothels sowie entzündliche und fibrosierende Vorgänge in den Nieren - alles Parameter, die an der Entstehung von Gefäßkrankheiten beteiligt sind.
Klinische Hinweise auf eine Beteiligung von Aldosteron am metabolischen Syndrom gibt es nach Angaben der kanadischen Wissenschaftler Dr. Marie Briet und Dr. Ernesto L. Schiffrin aus Montreal bereits viele („Current Hypertension Reports“). So ist zum Beispiel der Aldosteron-Plasma-Spiegel bei Übergewichtigen und bei Patienten mit dem Syndrom erhöht. Gewichtsverlust wiederum geht mit einem Abfall der Plasma-Aldosteron-Konzentration einher. Bei übergewichtigen Bluthochdruck-Patienten wie bei Übergewichtigen ohne Bluthochdruck korrelliert das Hormon mit dem BMI, zudem mit der Menge des Fettgewebes, einer Hyperinsulinämie und Insulinresistenz. Möglicherweise stimulieren Insulin und Insulinresistenz über das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) die Produktion bzw. Ausschüttung des Hormons. Vom RAAS ist zudem bekannt, dass es bei Übergewichtigen besonders aktiv ist und auch im Fettgewebe vorkommt. Darüber hinaus ist die Prävalenz des metabolischen Syndroms bei Patienten mit primärem Hyperaldosteronismus mit rund 41 Prozent höher als bei Patienten mit essentieller Hypertonie (knapp 30 Prozent), ebenso der Anteil von Patienten mit erhöhten Nüchtern-Glukosewerten.
Aldosteron-Antagonisten: Nutzen beim metabolischen Syndrom nicht gesichert
Was allerdings noch fehlt, sind laut Marie Briet und Ernesto L. Schiffrin sichere Beweise dafür, dass eine Therapie mit Aldosteron-Antagonisten Menschen mit metabolischem Syndrom vor kardiovaskulären Komplikationen schützt. Belege gibt es immerhin schon dafür, dass Wirkstoffe wie das seit langem bekannte Spironolacton und das neuere Epleneron in Kombination mit anderen Herzkreislauf-Präparaten Patienten nach Myokardinfarkt und Patienten mit Herzinsuffizienz vor lebensbedrohlichen Komplikationen schützen können. Hinweise auf möglicherweise positive Effekte beim metabolischen Syndrom gibt es für den direkten Reninhemmer Aliskiren und zum Beispiel das Sartan Irbesartan, beides Wirkstoffe, die in das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System eingreifen ("Circulation“).
Ein neuer Ansatz: ein Synthese-Hemmer
Als vielversprechend gelten auch die ersten Daten zu einem Hemmstoff der Aldosteron-Synthese. Mit Erfolg haben letztes Jahr französische Forscher einen solchen oralen Aldosteron-Synthese-Hemmer bei 14 Patienten (13 Männer) mit primärem Hyperaldosteronismus getestet („Hypertension“). Erwartungsgemäß sanken die Plasma-Aldosteron-Spiegel. 24-Stunden-Blutdruckmessungen ergaben nach der vierwöchigen Therapie eine Reduktion des systolischen Wertes um 4,1 mmHg. Nach Angaben der Autoren wurde der Synthese-Hemmer mit der Bezeichnung LCI699 gut vertragen. Weniger positiv schätzten die Wissenschaftler die Reduktion des systolischen Blutdruck-Wertes ein, die niedriger ausfiel als erwartet. Ein möglicher Grund dafür, außer der recht kurzen Therapiedauer, könnte sein, dass die primäre Placebo-Phase zu kurz war, Antihypertensiva, die die Probanden vor der Studie erhalten hatten, also noch wirkten. Geprüft wurde der Synthese-Hemmer des Unternehmens Novartis auch bei Patienten mit primärem Bluthochdruck. In der achtwöchigen kontrollierten Studie reduzierte LCI699 den Blutdruck bereits ab einer täglichen Dosis von viermal 0,25 mg („Journal of the American College of Cardiology“).
Eine Studie bei Patienten mit Cushing-Syndrom, das mit Bluthochdruck, Übergewicht und diabetischem Stoffwechsel einhergeht, ist im März dieses Jahres gestartet worden. Bevor jedoch Aldosteron-Antagonisten und auch der Synthese-Hemmer Standardtherapeutika beim metabolischen Syndrom werden, sind noch kontrollierte Studien mit natürlich positivem Ausgang notwendig. Und das wird sicher noch einige Jahre dauern. Körperliche Bewegung und vernünftige Ernährung bleiben also weiterhin das prophylaktische und therapeutische A und O.