Tier und Herrchen teilen alles - zuweilen auch die Gebrechen. Bei der gemeinsamen Einnahme von Medikamenten ist jedoch Vorsicht geboten: mit manchen heilt man das Tier, mit anderen erreicht man das Gegenteil.
Bei ihrem 12 Jahre alten Liebling, Malteser-Mix Fiffi, wurde mittels Echokardiographie und Thoraxröntgen eine Mitralisinsuffizienz mit kardial bedingtem Lungenödem festgestellt. Der behandelnde Tierarzt rät zu einer Kombinationstherapie aus ACE-Hemmern und Schleifendiuretika. Frau Müller bemerkt bei Erhalt der Medikamente erstaunt: "Frau Doktor, die Lasix, die kenn' ich, die muss ich auch nehmen."
Ob Human- oder Veterinärmedizin, viele Wirkstoffe in den Arzneimitteln sind identisch, ebenso die Indikationen dafür. In Zeiten der Genomforschung, in denen erstaunlich hohe Überlappungen zwischen Mensch und Tier entdeckt wurden, ist eigentlich nur überraschend, dass uns Menschen die Ähnlichkeiten in der Physiologie und deren Beeinflussung durch Medikamente überrascht. Hier ein kleiner Auszug derer Medikamente, die sich Schnurli, Hasso und Frau Müller - mit entsprechender Dosisanpassung - teilen dürfen, und derer, wo man das tunlichst vermeiden sollte.
Medikamente für Mensch und Tier
Die klassischen Medikamente gegen Hypertonie und Herzinsuffizienz, sprich ACE-Hemmer, oder Diuretika werden sowohl in der Humanmedizin, als auch in der (Klein-)Tiermedizin eingesetzt. Herzabklärungen vor allem älterer (Zwerg-)Hunderassen und Katzen mittels Auskultation, Thoraxröntgen, EKG und Echokardiographie sind in vielen Kleintierpraxen bereits Standard. Eventuellen Schwierigkeiten bei der Tabletteneingabe möglicherweise nicht so kooperativer Wauzis und Mietzen wird von Pharmaherstellern bereits Rechnung getragen- durch die Entwicklung von Gourmettabletten: Hefe- oder Kautabletten mit Fleischgeschmack. Die tägliche Herztablette als Leckerli sozusagen.
Das Prinzip der schmackhaften Kautablette wird auch gerne in der Schmerztherapie bei Hund und Katze aufgenommen. Metacam® Kautabletten zur Linderung von Entzündungen und Schmerzen bei Erkrankungen des Bewegungsapparates sind beliebte Arzneimittel in Kleintierpraxen. Der Wirkstoff, Meloxicam, ist aber auch in der Humanmedizin zu finden, zum Beispiel unter dem Handelsnamen Mobec®, zur Therapie von Arthrosen, Morbus Bechterew und Rheuma.
Schnell mal die Katze vergiftet
Gerade in der Schmerztherapie ist aber äußerste Vorsicht beim allzu sorglosen "Umwidmen" der Arzneimittel vom Mensch zum Tier geraten. Die gut gemeinte Diclofenac-haltige Schmerztablette vom Herrchen für den hinkenden vierbeinigen Freund, könnte die letzte verabreichte Tablette sein. Bei der ungeprüften Übernahme humanpharmakologischer Dosierungen sind bei Hunden bereits Nebenwirkungen bis hin zu Todesfällen aufgetreten.
Für die Samtpfoten unter den Haustieren wird vor allem das gute alte Aspirin, Wirkstoff Acetylsalicylsäure, gefährlich. Katzen sind nur beschränkt fähig Arzneimittel zu glukoronidieren, daher kann es zu einer Salicylsäureanreicherung mit Intoxikationserscheinungen kommen. Hyperventilation, Fieber, Hypotension, Krämpfe bis hin zum Koma und Tod sind möglich. Daher gilt vor allem im Umgang mit Schmerzmitteln - fragen Sie den Tierarzt ihres Vertrauens und greifen Sie nicht in den eigenen Arzneischrank!1
Chemo für Meerschweinchen
Der bisherige Höhepunkt der Überschneidung von Human- und Veterinärmedizin in der Pharmakotherapie ist wohl die Etablierung der Chemotherapie in der Kleintieronkologie. Der Wirkstoff Vincristin aus der Gruppe der Vinca-Alkaloide wird in der Veterinärmedizin vor allem zur Behandlung von Lymphomen und Mastzelltumoren eingesetzt. In der Humanmedizin erfährt er zum Beispiel Anwendung in der Behandlung akuter Leukämien, Morbus Hodgkin, Mammakarzinomen und Lungenkarzinomen.
Als praktizierende Kleintiermedizinerin, die bereits den kurativen Erfolg der modernen Veterinäronkologie bewundern konnte, stoße ich beim Beantworten der Frage, ob Chemotherapie bei Hund, Katze oder Meerschweinchen ethisch sinnvoll und Tier und Mensch gegenüber vertretbar ist, jedoch an meine Grenzen.
Fazit
Letztendlich sollte jedes Medikament in der Human- und in der Veterinärmedizin vom behandelnden Arzt nach bestem Wissen und Gewissen verschrieben werden. Diesem Leitsatz gemäß werde ich auch weiterhin versuchen von Fall zu Fall zu entscheiden und rate Tierbesitzern entschieden davon ab, ihre Tiere aus dem eigenen Medikamentenschrank heraus zu behandeln.
1 H.-H. Frey, W. Löscher, Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie für die Veterinärmedizin 2. Auflage, 2002, Enke Verlag, Stuttgart