In ihrer ursprünglichen Fassung stammt die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) aus dem Jahr 1987. Mehrfach kursierten jetzt Informationen zu geplanten Änderungen, kurz darauf dementierte das Bundesministerium für Gesundheit. Das offizielle Positionspapier zur Novellierung lässt dennoch einige Fragen offen.
Hauptziele der angedachten Überarbeitung seien die „Verbesserung der Arzneimittelsicherheit“, die „Verbesserung der Versorgung“ sowie der „Bürokratieabbau“ durch die Entfernung überholter Passagen aus der jetzigen ApBetrO, betonen Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Und auch neuen Entwicklungen, Stichwort Filialapotheken, müsse der Gesetzgeber Rechnung tragen: Ziele, die prinzipiell auch von den Verbänden unterstützt werden – mit entsprechenden Einschränkungen. Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände etwa betont, dass es keinesfalls zu einer Verschlechterung der pharmazeutischen Qualität sowie zu keiner wirtschaftlichen Mehrbelastung der Apotheken kommen dürfe. Beide Forderungen erscheinen angesichts einiger geplanter Änderungen aber fraglich.
Heilberufler oder Kaufmann?
Das beginnt schon beim Apothekensortiment: Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler forderte etwa, Arzneimittel stärker in den Fokus zu rücken. „Eine Apotheke muss auch als Apotheke erkennbar sein“, sagte ein Sprecher des BMG. Vor allem das Nebensortiment solle wieder einen „untergeordneten Anteil“ haben. Betreibt ein Apotheker etwa zeitgleich eine Drogerie, hat er für die strikte Trennung beider Bereiche zu sorgen. Einzig und allein der Bundesverband der Apotheken-Kooperationen (BVDAK) lobt diese Reformbestrebungen. Jede Apotheke solle als „Haus der Gesundheit“ von innen und außen erkennbar bleiben. Wie das wirtschaftliche Überleben ohne Zusatzverkäufe funktioniert, beantwortete das BMG nur indirekt: Die Ministerialbürokraten sehen vor, allen Präsenzapotheken den Aufbau von Rezeptsammelstellen zu ermöglichen, und zwar ohne vorherige Bedarfsplanung. Nur Arztpraxen oder Räume anderer Heilberufler sollen weiterhin tabu bleiben.
Heute hüh, morgen hott
Kritik kam kurz darauf sogar aus Röslers eigenen Reihen. „Sicherheit ja, aber die Lage der Gesichtscreme im Regal muss nicht die Politik regeln“, stellte die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Ulrike Flach, klar. Ihre Partei werde keine Überregulierung der Apotheken mittragen. Auch die Union reagierte verschnupft. „Wir sind überrascht, wie das gelaufen ist“, so Gesundheitsexperte Michael Hennrich (CDU). Und zahlreiche Apotheker beklagten sich ihrerseits über die Einseitigkeit der Passagen – Drogerien werde auch nicht gesetzlich untersagt, apothekenexklusive Kosmetika oder Nahrungsergänzungsmittel zu vertreiben. Wenige Tage darauf wurde dementiert: „Das Positionspapier des Bundesgesundheitsministeriums für eine überarbeitete Apothekenbetriebsordnung sieht keine weitere Einschränkung beim Verkauf des Nebensortiments in Apotheken vor“, hieß es in einer Pressemitteilung.
Filialgründung leicht gemacht
Ein weiterer Aspekt der Novellierung: Um leichter neue Filialen gründen zu können, verzichtet der Gesetzgeber künftig in manchen Fällen auf ein Labor. Es würde, so das Papier, ausreichen, wenn die Hauptapotheke oder eine Filiale entsprechend ausgestattet wären. Diese Praxis sei bereits heute gang und gäbe. Auch bei den Vorgaben zur Rezeptur besserte man nach. Ein allseitig abgeschlossener Raum, wie noch im Entwurf von 2010 vorgesehen, ist jetzt vom Tisch. Und die Auflistung der zurzeit erforderlichen 60 Laborgeräte und 260 Reagenzien gehört bald der Vergangenheit an. Diese würden „wenig oder gar nicht mehr eingesetzt“, machten aber „einen nicht unerheblichen Kostenfaktor“ aus. Im Zuge dieser Novellierung sollen zudem einige Notfallarzneimittel gestrichen werden – diese hätten „in Apotheken praktisch keine Bedeutung mehr“.
Qualitätsoffensive im Labor
Anders als anfangs noch diskutiert, sollen Qualitätsmanagementsysteme (QMS) nicht generell verpflichtend werden. Lediglich Apotheken, die verblistern, Parenteralia herstellen oder größere Mengen an Arzneimitteln nach der „Hunderter-Regel“ produzieren, müssen sich einem entsprechenden Verfahren unterziehen. Das soll speziell bei Blistermaschinen auch in Räumen außerhalb der Apotheke möglich werden. Zudem teilen die Verantwortlichen Rezepturen bald in „unkritische“ und „kritische“ Verfahren ein. Als unkritisch etwa gelten Salben oder Nasentropfen – entsprechende Zubereitungen können wie gewohnt im Apothekenlabor zubereitet werden. Hingegen müssen für kritische Formulierungen, etwa Verblisterungen oder Parenteralia, dann Standards der „Guten Herstellungspraxis“ (GMP, Good Manufacturing Practice) eingehalten werden. Vor allem bei der Zytostatikaproduktion sind damit weitere Kosten unvermeidlich.
Beratungspflicht – oder freier Heilberuf?
Der Entwurf zur ApBetrO arbeitet ebenfalls die Pflicht, Kunden zu beraten, deutlich heraus. Immer wieder würden Mängel bei der Beratung festgestellt und öffentlich kritisiert, so die Autoren des Papiers. Sie sahen anfangs Änderungen vor, die generell einen „Beratungsbedarf durch Nachfrage feststellen und dann erforderlichenfalls eine Beratung anbieten“. Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU, bremst: „Union und FDP wollen eine gute Qualität der Beratung in der Apotheke. Und dafür braucht es auch die richtigen Rahmenbedingungen. Aber zu einer Kultur des Vertrauens gehört auch, nicht im Detail zu regeln, wer wann mit wie vielen Nachfragen zu beraten ist.“
Entsprechende Beratungsgespräche müssen vertraulich ablaufen – das BMG verweist dabei auf eine ähnliche Praxis wie in Banken. Für Apothekeninhaber bedeutet dies, gegebenenfalls Sichtblenden einzuziehen oder Markierungen anzubringen. Historische Räume bleiben möglicherweise von baulichen Eingriffen verschont, bei der Genehmigung neuer Apotheken wurde aber schon jetzt angedroht, auf eine entsprechende Ausstattung zu achten.
Notdienst in Nöten
Auch eine neue Regulierung des Nacht- und Notdiensts streben die Politiker an. In Zukunft kann eine Apotheke des Verbunds, also die Hauptapotheke oder eine Filiale, diese Pflicht übernehmen. Möglicherweise kommt die Novelle der ApBetrO damit einem höchstrichterlichen Urteil zuvor – die Landesapothekerkammer Thüringen klagt in besagter Sache zurzeit vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen zwei ihrer Mitglieder.
Was allerdings passiert, wenn eine Notdienstapotheke kein Labor für Identitätsprüfungen oder Rezepturen hat und die entsprechend ausgestattete Stammapotheke geschlossen ist, darüber diskutieren Apotheker zurzeit kontrovers. Und das ist nicht der einzige Stein des Anstoßes: „In einer Reihe von Punkten haben wir allerdings auch noch Gesprächsbedarf“, so ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf. Vor allem die Kriterien zur Übernahme von Aufgaben im Filialverbund und zur Einrichtung von Rezeptsammelstellen wurden in einem Brief an die verantwortlichen Politiker kritisiert.