Zum ersten Mal konnten Neurologen zeigen, dass eine Gentherapie bei der Behandlung der Parkinson-Krankheit zumindest ansatzweise wirkt. Von einer wirklichen Therapieoption ist man aber noch weit entfernt.
Bislang galt das Potenzial der Gentherapie bei der Parkinson-Krankheit zwar als theoretisch möglich, die Methode wurde jedoch nie im Rahmen einer Doppelblindstudie getestet. Diesmal jedoch injizierten US-Wissenschaftler um Andrew Feigin vom Feinstein vom Institute for Medical Research insgesamt 16 Patienten gentechnisch modifizierte Viren in den Nucleus subthalamicus, der bei Parkinson-Patienten überaktiv ist. Auf diese Weise versuchten die Forscher, die unliebsame Überaktivität mit dem dämpfenden Botenstoff GABA zu lindern.
Das Interessante dabei: Die Injektion von Milliarden gentechnisch veränderter Viren, die die molekulare Bauanleitung für GABA in ihrem Erbgut trugen und so die Produktion dieses Botenstoffs förderten, führte zum Ziel. Immerhin verbesserte sich auf der einheitlichen Bewertungsskala UPDRS die Beweglichkeit von 16 Patienten binnen sechs Monaten um 23 Prozent. Zwar zeigten auch 21 Probanden, die lediglich eine Scheinoperation erhielten, eine Besserung. Nur: Diese betrug im Mittel lediglich 13 Prozent. Rein rechnerisch entsprach die absolute Verbesserung infolge der Gentherapie zwischen 10 und 15 Prozent. „Dies entspricht der Wirkung einiger milder bis mittelstarker Medikamente, wie sie heute für Parkinson-Patienten zur Verfügung stehen“, kommentiert der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Wolfgang Oertel, die Ergebnisse.
Auf den ersten Blick gleicht die Studie somit einem Durchbruch. Die Mediziner behandelten nämlich Patienten im Alter zwischen 30 und 75 Jahren, „deren Zustand trotz Medikamenteneinnahme nicht durchgehend verbessert werden konnte“, wie die DGN mitteilt.
Jagd nach den Genen im vollen Gang
Dass der Schlüssel zur Therapie in den Genen liegen könnte, mutmaßen Forscher seit Jahren. Doch bislang wurden lediglich sechs Genvarianten bekannt, die das Parkinsonrisiko tatsächlich erhöhen. Im Februar 2011 sorgten allerdings internationale Wissenschaftler für Aufsehen, als sie weitere Genorte identifizierten. Immerhin: Mit 12.386 Parkinson-Patienten, 21.583 gesunden Kontrollpersonen und 7,7 Millionen untersuchten Genvarianten aus fünf genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) handelte es sich um die weltweit größte genetische Analyse zur Parkinson-Erkrankung. Offensichtlich spielen Genvarianten in den Genen MAPT und SNCA eine entscheidende Rolle. „Wir konnten bestätigen, dass es bei der Parkinson-Krankheit, von der man noch bis vor kurzem annahm, dass sie ganz überwiegend auf Umweltfaktoren zurückzuführen ist, eine starke genetische Komponente gibt“, schreiben die Autoren im Fachblatt Lancet.
Die Ergebnisse kommen hierzulande an. So startete am Hertie-Institut für Hirnforschung und Zentrum für Neurologie des Universitätsklinikum Tübingen im März dieses Jahres eine Studie zum Thema "Epigenetische Vererbung der Parkinsonerkrankung", seitdem suchen die Mediziner immer noch Probanden. Die Arzneimittelbranche wiederum bemüht sich ebenfalls um neue Therapien, setzt jedoch auf die klassischen Formen. „Zur Behandlung von Morbus Parkinson sind weitere Präparate in Entwicklung, die teilweise an neuen Stellen im Krankheitsgeschehen ansetzen, etwa beim Neurotransmitter Glutamat“, erklärt der Geschäftsführer für Forschung, Entwicklung, Innovation des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), Siegfried Throm, die Taktik der Hersteller. Wer zwischen den Zeilen solcher Erfolgsmeldungen lesen mag, erkennt auch eine andere Wahrheit: Nach wie vor tappen die meisten Beteiligten im Dunkeln.
Dass die jetzt publizierte Gentherapie-Doppelblindstudie der Amerikaner Euphorie auslösen wird, bleibt unwahrscheinlich. Denn die präsentierte Gentherapieform sei „noch nicht über den Status eines erfolgreichen Experimentes hinausgekommen“, gibt Oertel zu bedenken. Für den Praxisalltag seiner Kollegen hat der der Direktor der Klinik für Neurologie des Universitätklinikum Marburg einen recht pragmatischen Ratschlag parat: „Patienten sollten sich daher keine kurzfristigen Hoffnungen machen und zunächst weiterhin auf eine Reihe bereits etablierter und sicherer Behandlungsverfahren setzen“.