Beim SAPHO-Syndrom leiden die Patienten unter Entzündungen der Haut, der Gelenke und der Knochen. Durch eine Zusammenarbeit von Orthopäden, Rheumatologen und Dermatologen kann der Symptomkomplex gut therapiert werden.
Ein Kürzel – fünf Krankheiten: SAPHO beschreibt das gemeinsame Auftreten von Synovitis (einer Entzündung der Gelenkkapsel), Akne (einer Entzündung der Talgdrüsenfollikel und später der Haut), Pustulosis (einer Pustelbildung an den Handflächen und Fußsohlen), Hyperostose (einer Verdickung der Knochen an Brustbein oder Rippen) sowie Osteitis / Osteomyelitis (einer Entzündung des Knochens).
Oft beginnt der Symptomkomplex relativ harmlos. Patienten stellen sich mit starker Akne in der Sprechstunde vor. Nach einiger Zeit kommen scheinbar ohne erkennbaren Zusammenhang Kniebeschwerden, Rückenschmerzen oder Schmerzen in den Oberschenkeln mit hinzu, und im Blutbild fallen Entzündungsparameter auf: alles in allem Hinweise auf ein SAPHO-Syndrom. Mehreren Untersuchungen zufolge sind vor allem Brustbein und Schlüsselbein (bis zu 90 Prozent der Fälle), die Wirbelsäule (rund 33 Prozent), das Becken (bis zu 52 Prozent) oder die großen Röhrenknochen (rund 30 Prozent) betroffen. In 92 Prozent der Fälle kommt eine entzündliche Gelenkserkrankung hinzu.
OP – eher selten
Seitdem das SAPHO-Syndrom 1987 zum ersten Mal beschrieben worden ist, erhielten Patienten in Einzelfällen ausschließlich Antibiotika und eine chirurgische Behandlung. Heute ist das eher die Ausnahme. Gelegentlich können Eingriffe aber dennoch erforderlich sein, wie ein Fall aus der Uni Graz zeigt: Die österreichischen Kollegen behandelten einen SAPHO-Patienten mit Beteiligung des Unterkiefers. In dem Fall kam es zu einer massiven Anschwellung des umgebenden Weichteilgewebes. Man beschloss doch chirurgisch zu intervenieren und entfernte mit Erfolg Teile des betroffenen Knochens. Dann folgte eine Rekonstruktion durch ein Stück des Beckenkamms. Dennoch bleiben entsprechende OPs eher die Ausnahme, nicht zuletzt durch gute Arzneimitteltherapien.
Stoppt die Entzündung
Als Standard hat sich bei SAPHO die Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) etabliert, inklusive eines Magenschutzes durch Protonenpumpenhemmer. Hinzu kommen hoch dosierte Antibiotika, etwa Cefuroxim und Clindamycin. Dennoch zeigt sich der gewünschte Effekt nicht immer. Hier brachte Azithromycin, ein Makrolid-Antibiotikum, frischen Wind. Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universität des Saarlands nahmen 37 SAPHO-Patienten in eine Beobachtungsstudie auf. Bei 14 wurde im Rahmen einer Nadelbiopsie Propionibacterium acnes nachgewiesen. Unabhängig von diesem Befund behandelten Kollegen fast alle Patienten daraufhin mit Azithromycin. Nach 16 Wochen nahmen die Entzündungen der Haut und des Knochens signifikant ab. Diese Erfolge werden in einigen Publikationen auch auf die antiphlogistischen und immunmodulatorischen Eigenschaften von Azithromycin zurückgeführt.
Sulfasalazin, ein entzündungshemmender Arzneistoff, hat sich ebenfalls bei SAPHO bewährt. Erfahrungen stammen vor allem von der Therapie diverser Autoimmunerkrankungen, etwa Multipler Sklerose, Schuppenflechte oder chronischen Darmentzündungen. Kleinere Studien zeigten den positiven Effekt der Substanz auch bei SAPHO, wobei zahlreiche Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt auftreten. Gelegentlich veränderte sich auch das Blutbild. Durch die Kombination mit Methotrexat gelang es, die Sulfasalazin-Dosis zu verringern. Damit konnten Kollegen in mehreren Fällen ausgeprägt chronische Formen in den Griff bekommen. Der Wirkstoff Methotrexat hemmt speziell das Enzym Dihydrofolat-Reduktase und bremst so Entzündungsprozesse, da Reaktionen zur Verstoffwechslung der Folsäure nicht mehr möglich sind und damit Bausteine der Immunzellen fehlen.
Auch Leflunomid hat sich im Rahmen mehrerer Beobachtungsstudien etabliert. Das Immunsuppressivum wird bereits zur Behandlung von rheumatischen Erkrankungen eingesetzt. Im Körper hemmt es das Enzym Dihydroorotat-Dehydrogenase, das vor allem für die Zellteilung von T-Lymphozyten wichtig ist. Zudem fanden Forscher eine langsamere Wanderung von Leukozyten durch Gefäßwände.
Stabiler Knochen – keine Schmerzen
Bereits Standard in der Therapie von Osteoporose oder Knochenmetastasen, eröffnet sich für Bisphosphonate ein neues Einsatzgebiet auch bei der SAPHO-Erkrankung. Mehrere Untersuchungen konnten mittlerweile den Nutzen belegen – vor allem Pamidronsäure, Ibandronsäure sowie Alendronsäure sind hier zu nennen. Sie unterbinden sowohl die chemische Mineralisation als auch den biologischen Abbau der Knochensubstanz. Auch Calcitonin, ein Eiweiß, das in der Schilddrüse gebildet wird, kann helfen. Es hemmt über körpereigene Regelkreise die Freisetzung von Calcium aus dem Knochen. Durch diese Strategien verringert sich der Knochenschmerz bei vielen Patienten und auch die Entzündung scheint zurückzugehen.
Ein Antikörper greift durch
In letzter Zeit haben monoklonale Antikörper wie Etanercept oder Infliximab die SAPHO-Therapie revolutioniert. Sie hemmen die Wirkung des Tumornekrosefaktors alpha (TNF), eines Eiweißes mit zentraler Rolle bei Entzündungsvorgängen. TNF selbst entsteht hauptsächlich in Fresszellen des Immunsystems. Kollegen aus Frankreich behandelten im Rahmen einer kleinen Studie vier Patienten mit Infliximab, einen mit Etanercept und einen mit Adalimumab. In rund 70 Prozent der Fälle sprach die Therapie an. Mit Infliximab blieb ein Patient für sieben Monate, mit Adalimumab 22 Monate und mit Etanercept maximal 42 Monate beschwerdefrei. Zwei Patienten sprachen auf den Antikörper gar nicht an. Prinzipiell wurde die Behandlung gut vertragen, allerdings verschlechterte sich teilweise das ohnehin schon desolate Hautbild.
Rätsel über Rätsel
Trotz aller medizinischen Fortschritte gibt die Entstehung des Symptomkomplexes SAPHO noch Rätsel auf. Ein möglicher Anhaltspunkt: Mehrere Arbeitsgruppen konnten in Knochenmark-Biopsien Propionibakterien nachweisen, und zwar speziell das bei Akne beteiligte Propionibacterium acnes. Wissenschaftler der Universität Peking, China, vermuten in einer aktuellen Arbeit, dass Bestandteile dieser Mikroorganismen Autoimmunprozesse auslösen. Ein Fragment der Propionibakterien könne sich, an Immunglobuline gebunden, beispielsweise im Knochen oder im Gelenk ablagern und dort zu einer sterilen Entzündung führen. Das Immunsystem scheint nicht wie gewohnt einzugreifen – zumindest im Labor bekämpften körpereigene Fresszellen die Propionibakterien nicht. Diese Ergebnisse wären eine mögliche Erklärung für den Effekt von Antibiotika und von immunmodulierenden Arzneistoffen. Zudem schließen Wissenschaftler genetische oder stressbedingte Faktoren derzeit nicht aus, Belege fehlen aber noch.