Das Herz rast, der Magen drückt, an Schlaf ist nicht zu denken - Liebeskummer. Diese Symptome werden nicht "nur" psychisch, sondern auch körperlich als schmerzhaft empfunden. Denn Liebesleid und physischer Schmerz aktivieren die gleichen Areale im Gehirn.
Beim Zwiebelschneiden rutscht die Messerklinge ab und gräbt sich tief in die Kuppe des Zeigefingers hinein, die entzündete Wurzel des Backenzahns tobt und pocht – beides Situationen, die körperliche Schmerzen verursachen. Nun ein völlig anderes Szenario: Jemand betrachtet ein Foto oder hört etwa auf dem Anrufbeantworter die Stimme seines Ex-Partners, der ihn kürzlich verlassen hat. Was hat das mit einem entzündeten Backenzahn und einem Schnitt in den Zeigefinger gemeinsam? Unter neuronalen Gesichtspunkten alles, denn es führt ebenfalls zu körperlichen Schmerzen.
Die Dimension emotionaler Schmerzen
Dass unerfreuliche Liebesangelegenheiten tatsächlich ebenso schmerzen wie körperliches Leiden, bestätigte jetzt eine Studie von US-Wissenschaftlern. Sie stellen fest, dass Herzschmerz und physischer Schmerz die gleichen Regionen des Gehirns aktiviert. Soziale und emotionale Ablehnung erhalten mit diesen Ergebnissen eine weitere Dimension und neue Bedeutung, so Studienleiter Prof. Dr. Ethan Kross von der Universität Michigan. Bereits frühere Untersuchungen kamen zu dem Schluss, dass es zwischen physischen und emotionalen Empfindungen eine Parallele gibt. So zeigte beispielsweise eine andere Studie, dass Euphorie im Zuge frischen Verliebtseins das Belohnungszentrum im Gehirn stimuliert und auf diese Weise körperliche Schmerzen lindern kann. Doch der Sozialpsychologe Prof. Kross und sein Team wiesen erstmals auf neuronaler Ebene nach, warum das so ist.
Enge neuronale Überlappung
In der Studie waren vierzig Probanden eingeschlossen, die innerhalb der letzten sechs Monate eine ungewollte und schmerzhafte Beendigung ihrer Liebesbeziehung erlebt hatten. Ihr Durchschnittsalter lag bei 20,78 Jahren. Die 21 Frauen und 19 Männer wurden unter anderem über eine Kampagne auf Facebook rekrutiert. Um an der Studie teilnehmen zu können, durften keine neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen sowie keine chronischen Schmerzzustände vorliegen. Weitere Ausschlusskriterien waren die Einnahme von Psychopharmaka, Antihistaminen und Steroiden.
Alle Studienteilnehmer mussten zwei Aufgabenstellungen erfüllen – die eine bezog sich auf ihre Gefühle der emotionalen Zurückweisung und die andere auf die Empfindung körperlicher Schmerzen. Zur Erfassung der psychischen Schmerzbelastung sollten sich die Probanden zum einen Fotografien ihrer ehemaligen Partner ansehen, um sich das leidvolle Erlebnis in Erinnerung zu rufen. Zum anderen bekamen sie Aufnahmen eines Freundes vorgelegt, mit dem sie vor Kurzem ein positives Erlebnis hatten. Zur Empfindung körperlicher Schmerzen wurden die Teilnehmer mittels einer Manschette thermischen Reizen am linken Unterarm ausgesetzt. Die Temperatur dieser Manschette war in der einen Testreihe so hoch, dass sie für die Probanden gerade noch erträglich war. In der anderen Testreihe war die Manschette angenehm warm temperiert.
Erwartungsgemäß erzeugten das Betrachten des Ex-Partners und die sehr heiße Manschette einen signifikant höheren Distress bei den Studienteilnehmern als die Kontrollen (jeweils p < 0,001). Dies bestätigte sich auch anhand der Hirnströme, die das Team um Prof. Kross während sämtlicher dieser Testreihen überprüfte. Dazu wurden permanent Scans mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI) erstellt. Bei deren Auswertung zeigte sich, dass zwischen der Erfahrung körperlicher und emotionaler Schmerzen eine direkte und enge neuronale Überlappung existiert. Denn beide Empfindungen bewirken die Aktivierung von exakt den gleichen Gehirnarealen: dem sekundären somatosensorischen Kortex und der dorsalen posterioren Insula, auch Inselrinde oder insularer Kortex genannt. Beide Hirnregionen gelten als zuständig für das physische Schmerzempfinden.
Emotionaler Schmerz gleich körperlicher Schmerz
Die Studie aus Michigan belegte nun, dass diese Areale des Gehirns sehr wohl auch von leidvollen emotionalen Reizen aktiviert werden können und dass deren Bewertung und Beantwortung auf organischer Ebene erfolgt. Emotionale Schmerzen unterscheiden sich mithin nicht von körperlichen. Dass diese Überlappung nicht bereits früher nachgewiesen wurde, liegt nach Ansicht von Prof. Kross daran, dass bislang nicht so emotional starke Empfindungen wie Liebeskummer und Trennung in Studien aufgenommen worden waren: "Die Intensität des untersuchten Leidens war einfach nicht hoch genug und stimulierte deshalb nicht die physischen Schmerzzentren im Gehirn".
Somatosensorische Assoziation
Um die Spezifität der Gehirnzentren für physische Schmerzempfindungen zu überprüfen, verglichen die US-Wissenschaftler die Ergebnisse ihrer fMRI-Scans mit jenen aus Meta-Analysen. Darin waren die Daten aus über fünfhundert Studien von fMRI-Untersuchungen der Hirnareale für körperlichen Schmerz sowie negative und positive Emotionen erfasst worden. Bei dieser Gegenüberstellung konnte die tatsächliche Spezifität der beiden Hirnareale bestätigt werden. "Unser Daten zeigen eindeutig, dass die emotionale Erfahrung von Ablehnung und sozialem Verlust unmittelbar mit physischem Schmerz verbunden ist", so Prof. Kross: "Hier präsentiert sich eine Assoziation auf einer gemeinsamen somatosensorischen Ebene, die uns viele neue Einblicke gibt". Allen voran in das Verständnis dessen, wie Liebeskummer und anderes emotionales Leiden zu einer so weit gefächerten physischen Schmerzsymptomatik und zu diversen Erkrankungen führen können.
Die Befunde aus Michigan liefern darüber hinaus den erneuten Beleg dafür, dass wir Menschen außerordentlich soziale Wesen sind – so sehr, dass soziale Ablehnung von unserem Gehirn als ebenso gesundheitsgefährdend gewertet wird wie körperliche Beschädigungen.