Es hat etwas von "Raumschiff Enterprise": Patienten mit Gedächtnisproblemen gehen in die "Röhre" - danach funktioniert das Gehirn wieder. Mediziner der UKE empfehlen die nichtinvasive Methoden, um die neuronale Plastizität bei älteren Patienten wieder in Gang zu setzen.
Die Technologien sind bundesweit im Einsatz, einzig die Anwendungsgebiete liegen von denen im Fachblatt "Frontiers in Ageing Neurosciences" publizierten Pendants weit entfernt. Denn das, was das Team um den Hamburger Neurologen Friedhelm Hummel jetzt als Übersichtsarbeit veröffentlichte, könnte in Zeiten einer alternden Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen – und Ärzten eine neues Betätigungsfeld bieten. Nichts anderes als die Verbesserung der Neuroplastizität im Alter mit Hilfe der Nichtinvasiven Hirnstimulation (Non-Invasive brain Stimulation, NIBS) scheint seit geraumer Zeit möglich, nur: Kaum ein Mediziner nahm bislang im Praxisalltag davon Notiz.
Einsatz von Hightech im großen Stil
Tatsächlich sind die Verfahren, bei denen mit Hilfe von elektrischen oder magnetischen Reizen bestimmte Hirnareale angeregt werden, keinesfalls neu. An der Klinik für Neurologie des Uniklinikums Schleswig Holstein in Kiel beispielsweise sind gleich mehrere Labore zur transkraniellen Hirnstimulation in Betrieb. Die Reizung der Hirnareale erfolgt „durch den intakten Schädel“, wie die Mediziner erklären, und: „Die Verfahren sind schmerzlos und können sowohl an Gesunden als auch an Patienten mit neurologischen Erkrankungen eingesetzt werden“.
Tatsächlich kommt für die Aktivierung der grauen Zellen mitunter eine ganze Armada an Hightech zum Einsatz. Mal ist es die transkranielle Magnetstimulation (TMS), mal die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS). Und wenn das einzeln nicht den erhofften Erfolg bringt, setzen die Neurologen transkranielle Hirnstimulationsverfahren „in Kombination mit funktioneller Bildgebung und z.B. Laser-evozierten Potentiale ein“ – nur wozu?
Biochemisch betrachtet schien die Sache bisher klar: Vor allem TMS vermag die Aktivität des Nervensystems zu modulieren. „Die gezielte und kontrollierte Modulation kortikaler Erregbarkeit durch repetitive TMS (rTMS) oder tDCS bietet darüber hinaus therapeutische Optionen, z.B. bei der Behandlung von Menschen mit Epilepsien, Kopfschmerzsyndromen oder in der Rehabilitation nach einem Schlaganfall“, schildern die Kieler Mediziner das Potenzial der Methoden. Tatsächlich liest sich die Liste der Einsatzgebiete vielversprechend. Ob bei pharmakoresistenter Epilepsie oder als Migräneprophylaxe, die elektrischen Felder sind ebenso wie bei chronischen Schmerzen immer häufiger das Mittel der Wahl. Selbst HNO-Ärzte nutzen die Stimulation von Hirnregionen, da sie Tinnituspatienten Linderung zu bringen scheint.
Strom an, und ab ans Piano
So schön diese Liste der Erfolge auch sein mag, es geht noch besser, wie Hummel nun attestiert. Die transkranielle Gleichstromstimulation scheint dabei eins der effektivsten Verfahren zu sein. Denn im Laborversuch mussten ältere Patienten mit einer Hand, Klaviernspielern gleich, eine bestimmte Fingerabfolge erlernen. Ohne rTMS hatten die Probanden erhebliche Probleme mit der Merken der korrekten Abfolge. Der elektrische Reiz hingegen führte zu einer erheblichen Verbesserung der Leistung, wie Hummel und sein Team berichten. Die Stimulationen scheine, so jedenfalls die Annahme der Wissenschaftler, jene Bereiche des Gehirns zu reaktivieren, die auf Grund des Alters irgendwann nur noch brach liegen. Als besonders affin für die Stimulationen erweist sich der Motorcortex. Welche Vorgänge sich dabei in der somatomotorischen Rinde abspielen, ist indes nicht geklärt.
Das spannende Gebiet der Medizin befinde sich aber noch ganz am Anfang, betonen die Neurologen – und geben ihren Kollegen einen weiteren Vorteil der Hirnstimulationen bei alten Patienten mit auf dem Weg. Anders als bei Pillen gegen den geistigen Verfall etwa bergen die Stimulationen praktisch keine ernstzunehmenden Nebenwirkungen. Einziges Manko: In den ersten Sekunden der Aufputschtherapie verspürten einige Probanden ein brennendes Gefühl. Doch das verschwand dann ebenso schnell, wie es gekommen war, konnten sich die alten Menschen gut erinnern.