Gesunder Schlaf beschleunigt Lernprozesse und die Verarbeitung des tagsüber Erlebten. Dieser Nachweis gelang Freiburger Forschern. In ihrer Studie konnten sie auch zeigen, dass Schlafstörungen die Gedächtnisleistung beeinträchtigen.
Die primäre Insomnie ist eine häufige Schlafstörung, an der etwa fünf Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland leidet. Sie wirkt sich erheblich auf die Tagesbefindlichkeit der Betroffenen aus und ist weder durch eine andere Erkrankung noch durch einen Missbrauch von Medikamenten, Alkohol oder Drogen zu erklären. Forscher des Universitätsklinikum Freiburg konnten nun zeigen, dass bei Patienten mit dieser Erkrankung auch der Prozess der schlafgebundenen Gedächtnisbildung beeinträchtigt wird.
Wie die Wissenschaftler um Christoph Nissen im Journal of Sleep Research berichten, nahmen an der Studie 86 Personen teil; 53 hatten einen gesunden Schlaf und 33 litten an einer primären Insomnie. Um zu testen, welche Gedächtnisleistung unter einem gestörten Schlaf am meisten betroffen ist, legten die Forscher beiden Personengruppen verschiedene Aufgaben zum Lernen vor: Zur Untersuchung des prozeduralen Gedächtnisses mussten die Probanden mit einem elektronischen Sensorstift so genau wie möglich Figuren nachzeichnen, die sie nur über einen Spiegel erkennen konnten. Zur Untersuchung des deklarativen Gedächtnisses sollten sich die Testpersonen Informationen über den Bau eines Museums einprägen.
Gesunder Schlaf begünstigte Gedächtnisbildung
Eine Gruppe von gesunden Probanden lernte abends und schlief nach der Lernphase ungestört im Schlaflabor. Nach zwölf Stunden zeigten sie am Morgen eine deutlich bessere Verfestigung der neuen Gedächtnisinhalte als eine Gruppe von gesunden Testpersonen, die morgens gelernt hatten und deren Gedächtnis zwölf Stunden später am Abend getestet wurde. Gesunder Schlaf besteht aus einer Abfolge einzelner Schlafphasen, bei der sich immer wieder Phasen mit tiefem Schlaf und Phasen mit weniger tiefem Schlaf abwechseln.
„Die Gedächtnisausbildung ist wahrscheinlich ein mehrstufiger Prozess“, erklärt Nissen, der Oberarzt in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg ist. „Dabei spielen die verschiedenen Schlafstadien wie in einem Orchester zusammen und tragen gemeinsam zur Verstärkung der Gedächtnisspuren bei.“
Insomnie-Patienten zogen kaum Profit aus Schlaf
Bei Patienten mit einer primären Insomnie funktionierte das nächtliche Sortieren der Gedanken deutlich schlechter: Nachdem sie abends gelernt hatten, profitierten sie im Vergleich zu den gesunden Probanden nur wenig von der anschließenden Schlafphase. „Der fragmentierte Schlaf dieser Patienten verhinderte weitgehend, dass sich während der Nacht neue Lerninhalte verstärkt konsolidieren konnten“, berichtet Nissen. „Sowohl das prozedurale als auch das deklarative Gedächtnis waren davon betroffen.“ Insomnie-Patienten leiden jedoch nicht an einer generellen Gedächtnisstörung. Wenn sie morgens die Aufgaben bearbeiteten, konnten sie abends das Gelernte ähnlich gut abrufen wie gesunde Probanden.
Bei Patienten mit primärer Insomnie scheinen vor allem die Tiefschlafphasen wesentlich weniger ausgeprägt zu sein. Deshalb gehen Wissenschaftler wie Professor Jan Born, Leiter des Instituts für Neuroendokrinologie an der Universität zu Lübeck, davon aus, dass hauptsächlich der tiefe Schlaf das Gedächtnis fördert. „Informationen, die tagsüber aufgenommen und vorläufig im Hippocampus abgespeichert wurden, werden dabei reaktiviert und in den Neocortex übertragen“, so der Schlafforscher.
Emotionen fördern Gedächtnis
Nach Ansicht von Born werden vor allem Eindrücke, die mit starken Emotionen verbunden sind, bei der Gedächtnisbildung berücksichtigt. Welche Vorgänge dabei im Detail auf molekularer Ebene ablaufen, ist noch nicht vollständig geklärt. „Die Synapsen, die Kontaktstellen zwischen den Neuronen, werden während der Konsolidierung des Gedächtnis neu geordnet“, vermutet Nissen. „Wahrscheinlich werden die wichtigen Verbindungen verstärkt und die unwichtigen gelöscht.“
Nissen plant nun weitere Studien, um die Mechanismen, die der Gedächtnisbildung zugrunde liegen, noch genauer zu untersuchen. Aber auch die Frage, wie Mediziner Insomnie-Patienten am besten behandeln könnten, treibt den Freiburger Schlafforscher an. Denn die derzeit häufig verschriebenen Schlafmittel haben deutliche Nebenwirkungen: Sie hätten, so Nissen, ein hohes Abhängigkeitspotenzial und würden die Gedächtnisbildung hemmen. Er plädiert deswegen nicht nur für die Entwicklung neuer Medikamente, sondern auch für einen verstärkten Einsatz der kognitiven Verhaltenstherapie, die bei Patienten mit Schlafstörungen sehr effektiv sein kann, aber im klinischen Alltag noch viel zu wenig angewendet wird.
Kognitive Verhaltenstherapie hilft Patienten
Auch andere Experten wie Privatdozent Robert Göder, Leiter der Projektgruppe Schlaf am Zentrum für Integrative Psychatrie in Kiel, halten die kognitive Verhaltenstherapie für das Mittel der Wahl, um Insomnie-Patienten von ihren Schlafstörungen zu befreien. Mit einer Mischung aus Verhaltungsänderungen und kognitiven Elementen, findet Göder, bestünden gute Chancen, den Patienten zu einem besseren Schlaf zu verhelfen.