Die Zahl der Pollenallergiker hat in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. Forscher konnten nun nachweisen, wie Luftschadstoffe die allergene Wirkung von Blütenpollen erhöhen. Der Klimakiller Ozon spielt dabei eine zentrale Rolle.
Die Augen tränen und die Nase juckt. Wenn im Frühjahr die Pflanzen anfangen zu blühen und der Pollenflug einsetzt, leiden viele Menschen an lästigem Heuschnupfen. Zwar ist im Detail bekannt, wie das Immunsystem von Allergikern die eigentlich harmlosen Blütenpollen bekämpft, aber warum das passiert, ist nach wie vor ein Rätsel. Da in den Industrieländern Pollenallergien besonders häufig auftreten, gehen Wissenschaftler seit einiger Zeit davon aus, dass Luftschadstoffe die Aggressivität von potenziellen Allergenen steigern.
„Je mehr Ozon und Stickoxide durch Industrie- und Autoabgase entstehen, desto häufiger werden wahrscheinlich Proteine der Blütenpollen chemisch modifiziert, und das reizt unser Immunsystem“, sagt Privatdozent Ulrich Pöschl, der Leiter der Aerosol-Forschungsgruppe am Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie ist. Er und seine Mitarbeiter konnten kürzlich zeigen, wie diese allergieauslösenden Stoffe in der Luft entstehen können.
Zwischenprodukte reagieren mit Stickoxiden
Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Nature Chemistry mitteilten, verbindet sich Ozon dabei mit Pollenbestandteilen zu reaktiven Zwischenprodukten, die mehr als hundert Sekunden beständig sind. „Das ist viel länger, als wir bisher annahmen“, berichtet Pöschl. „Die Zwischenprodukte zerfallen also nicht wieder, sobald sie entstanden sind, sondern reagieren schnell mit den Stickoxiden weiter.“ Ohne Ozon und nur mit den Stickoxiden alleine, so der Forscher, würde die Reaktion unmerklich langsam ablaufen.
Durch die Nitrierung, bei der an die Aminosäure Tyrosin eine Nitro-Gruppe angehängt werde, verändere sich das allergene Potenzial von Pollenproteinen, da das Immunsystem auf nitrierte Formen von Pollenproteinen heftiger reagiere als auf unveränderte Formen. Pöschl nimmt an, dass sich die Struktur des Proteins durch die chemische Modifikation wandelt: „Die veränderten Bereiche des Moleküls werden vom Immunsystem anders wahrgenommen und können allergische Reaktionen auslösen oder verstärken.“
Die Hauptrolle bei Heuschnupfen spielen IgE-Antikörper, die in den Schleimhäuten von Nase und Augen sitzen und an Mastzellen gekoppelt sind. Wenn Blütenpollen in die Schleimhäute eindringen, lagern sich diese Antikörper an die allergenen Bereiche der Pollenproteine an und die Mastzellen beginnen, entzündungsfördernde Substanzen wie Histamin freizusetzen.
Ausmaß der Veränderung noch unbekannt
Noch ist nicht endgültig klar, ob nitrierte Proteine tatsächlich für die wachsende Zahl an Pollenallergikern verantwortlich sind: „Wir wissen zwar, dass nitrierte Proteine Allergien verstärken können, und dass sie entstehen, wenn Ozon und Stickoxide vorhanden sind“, sagt Pöschl. Aber noch sei nicht bekannt, in welchem Ausmaß diese Reaktionen tatsächlich in schadstoffbelasteter Luft stattfinden.
Deswegen wollen Pöschls Mitarbeiter nun analysieren, in welchem Umfang Pollenproteine durch verkehrsbedingte Luftverschmutzung nitriert werden. Wenn sich der Verdacht der Mainzer Wissenschaftler bestätigt, wäre die menschliche Gesundheit durch Abgase stärker gefährdet als bisher vermutet. Vor allem an Hochsommertagen, wenn sich in der Luft die Menge an Ozon deutlich erhöht, könnten besonders viele nitrierte Proteine entstehen und die Beschwerden der Allergiker nochmals deutlich zunehmen.
Umweltfaktoren haben erheblichen Einfluss auf Pollenproteine
Auch andere Experten sehen diese Gefahr: „Wir atmen Proteine nicht in ihrer ursprünglichen Form ein“, sagt Professor Albert Duschl, Leiter einer Arbeitgruppe am Fachbereich für Molekulare Biologie der Universität Salzburg. „Umwelteinflüsse verändern Proteine auf vielfältige Weise und können unter Umständen deren allergene Wirkung drastisch verstärken.“ Die Ergebnisse der Mainzer Forscher gäben einen ersten Hinweis, wie die Luftverschmutzung womöglich entscheidend dazu beitrage, dass allergieauslösende Stoffe in der Luft überhaupt entstehen könnten. Dieser Aspekt, so Duschl, sei in der Vergangenheit unterschätzt worden.
Um die Reaktionsmechanismen der Nitirierung von Pollenproteinen und die Effekte der dabei entstehenden reaktiven Zwischenformen genauer zu untersuchen, werden Pöschl und sein Team weitere Experimente und umfangreiche Simulationen am Computer vornehmen. Außerdem wollen sie gemeinsam mit Partnern aus der biomedizinischen Forschung die physiologischen Effekte der nitrierten Proteine an Patienten erforschen.