Bettpfannen leeren, Patienten waschen, Stationsküche putzen – braucht man diese Fähigkeiten, um Arzt zu werden? Das 3-monatige Pflegepraktikum in der Vorklinik besteht genau aus diesen Aufgaben. Aber was hat man davon?
Das Krankenpflegepraktikum muss vor der Anmeldung zum Physikum in der vorlesungsfreien Zeit oder vor dem Studium, frühestens aber nach Erlangen des Abiturs abgeleistet werden. Es müssen insgesamt 90 Kalendertage Praktikum in einem Krankenhaus auf einer Betten führenden Krankenpflegestation absolviert werden. In dem Praktikum soll der Medizinstudent einen Einblick in den Krankenhausalltag bekommen, Erfahrungen im Patientenkontakt sammeln und die pflegerische Seite des Krankenhauses kennenlernen. Viele Studenten beschweren sich über die Länge des Praktikums, die zu verrichtenden Aufgaben, und zum Teil auch über die schlechte Umgangsweise zwischen Pflegern und Studenten.
Was ist eure Meinung zum Pflegepraktikum?
Wir möchten gerne wissen, wie Ihr euer Pflegepraktikum erlebt habt, was für Erfahrungen Ihr gemacht habt und ob ihr es eher für sinnvoll oder für lästig haltet. Und was ist mit denen, die das Praktikum noch vor sich haben: was erwartet Ihr davon, wovor habt Ihr vielleicht Angst und wie stellt Ihr euch die Arbeit mit den Pflegern und Ärzten vor?
Wir freuen uns auf eure Erfahrungen, Berichte und Meinungen! zur Diskussion
Wie genau läuft das Pflegepraktikum ab?
Der Student arbeitet mit den Schwestern und Pflegern zusammen, hat die gleichen Arbeitszeiten und teilt sich mit ihnen die Aufgaben, die jeden Tag auf der Station anfallen. Dazu gehören Betten machen, Patienten waschen, Fieber, Blutdruck und Blutzucker messen, Medikamente austeilen, Nachttische wischen, Mahlzeiten verteilen, Patienten zur Untersuchung bringen und, und, und.
Ein großer Vorteil des Pflegepraktikums besteht darin, einen ersten Einblick in den Krankenhausablauf und die -organisation zu bekommen. Man gewöhnt sich an den Stationsalltag, lernt mit kranken, pflegebedürftigen Menschen umzugehen, sowie mit den Arbeitskollegen. Wenn man sich gut mit den Schwestern und Pflegern stellt, erklären sie einem viel und man lernt etwas über die Pflege, zum Beispiel Verbände anlegen oder Patienten lagern, um einem Dekubitus vorzubeugen.
Gemischte Gefühle bei Studenten
Das Pflegepraktikum wird von den Studenten sehr unterschiedlich wahrgenommen und erlebt. Einige Studenten dürfen viel bei den Ärzten mit über die Schulter schauen und sogar schon Blut abnehmen, andere werden von ihnen komplett ignoriert. Eigentlich geht es aber in diesem Praktikum in erster Linie um die Pflege.
Ein wichtiger Aspekt wird von Sarah*, Medizinstudentin im 4. vorklinischen Semester angesprochen: „Meiner Meinung nach ist es sehr wichtig zu realisieren, wie viel Arbeit die Schwestern und Pfleger haben und schon einmal mit angepackt zu haben, damit man später als Arzt schätzt, was sie für einen tun. Man sollte sich bloß nicht als Gott in Weiß mit Tunnelblick nur für seinen eigenen Aufgabenbereich interessieren“.
Viele Studenten sehen das anders, sie finden das Pflegepraktikum überflüssig, quälen sich durch die drei Monate und würden die Abschaffung des Pflegepraktikums befürworten. Manche haben schlechte Erfahrungen gemacht, sich viel geekelt, fühlten sich ausgenutzt und haben wenig dabei gelernt. Stellen sich diese Studenten bloß an, sind sie arrogant oder unmotiviert? Oder ist das Pflegepraktikum wirklich nur anstrengend und sinnlos für die medizinische Ausbildung?
Viel Arbeit, aber wenig Lernmöglichkeit
„Man wird als Medizinstudent vom Pflegepersonal oft schlecht behandelt. Sie nutzen es aus, dass man noch ganz unten in der Hierarchie steht!“ Viele Studenten, wie Mark*, Medizinstudent aus Essen, haben schlechte Erfahrungen gemacht, was den Umgang durch die Schwestern und Pfleger angeht. Wenn ein Patient schellt, muss immer der Praktikant laufen und nachfragen, was los ist. Wenn der Student bei einer kurzen Entspannungspause erwischt wird, wird er zum Putzen verdonnert. Wenn irgendetwas schief läuft, wird die Schuld auf ihn geschoben. Wenn er etwas noch nie gemacht hat, wird er schräg angeguckt, aber im Gegenzug wird ihm auch nichts erklärt. Und wenn er alles erledigt, was zu tun ist, wird es als selbstverständlich angesehen und nicht einmal ein Dankeschön ausgesprochen. Das ist ungerecht, wenn man bedenkt, dass der Pflegepraktikant, nach kurzer Zeit, seinen Kollegen sehr viel Arbeit abnehmen kann. Etwas Dankbarkeit wäre da angebracht.
Viele Studenten haben das Gefühl, dass sie vor allem die unangenehmen Dinge erledigen sollen und wenn es darum geht, etwas über die Krankheiten und Untersuchungen zu erfahren, nur wenige Schwestern hilfsbereit sind und etwas erklären. „Wir sind unbezahlte Arbeitskräfte, da kann man, finde ich, verlangen, dass man auch etwas lernt. Zum Beispiel hatte ich an einem Tag schon Feierabend und musste aber noch mithelfen, eine bettlägerige Patientin aus einem See aus Diarrhö zu retten. Zum dritten Mal an diesem Tag. Aber am nächsten Tag durfte ich trotz wenig Stress auf der Station nicht einmal bei einer kurzen Untersuchung zugucken“, berichtet Mark von seinen Erfahrungen.
Ersatz für die fehlenden Zivis
Für das Pflegepraktikum wird man in der Regel nicht bezahlt. Man ist also eine noch günstigere Arbeitskraft als die Zivildienstleistende oder die FSJ-ler. Nun kommt die Tatsache hinzu, dass der Zivildienst durch die Abschaffung der Wehrpflicht zukünftig entfällt. Das heißt, dass die Krankenhäuser vielleicht dann noch mehr auf die Pflegepraktikanten angewiesen sind. Es stellt sich dann die Frage, ob die Arbeit mehr gewürdigt oder man noch mehr ausgenutzt wird und noch weniger die Möglichkeit hat, bei Interesse etwas über die pflegerische Seite hinaus zu lernen.
„Was bringt es mir für meinen zukünftigen Beruf, Bettpfannen zu leeren, Hintern abzuputzen und Patienten hin- und herzukutschieren? Ich verstehe es ja, dass man einen Einblick in die Pflege bekommen soll, aber müssen das ganze drei Monate sein?“, fragt sich Christina*, die diesen Sommer Physikum schreibt und die 3 Monate Pflegepraktikum in den Semesterferien vor allem als zusätzliche Belastung erlebt hat. Das Studium, vor allem in der Vorklinik, ist anstrengend und lernintensiv, das kann man nicht bestreiten. Auch die damals fleißigen Abiturienten müssen sich erst an den Druck und die Einbuße der Freizeit gewöhnen. Da ist manch einer nach dem ersten Semester froh, wenn endlich Semesterferien sind. Und dann kommt einem das Pflegepraktikum nicht sehr gelegen. Sinnvoll ist es, vor dem Studium einen Teil des Praktikums zu absolvieren. Drei Monate der Semesterferien, in denen man anstatt Kraft zu schöpfen, hart arbeiten muss, machen innerhalb der anstrengenden Vorklinik sehr viel aus.
Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass das Pflegepraktikum generell zwar sinnvoll ist: Man lernt die Arbeit der Pfleger kennen, macht Erfahrungen mit mehr oder weniger kooperativen Patienten und lernt bei eigener Initiative und Motivation auch Dinge, die einem im Berufsleben später noch etwas bringen könnten. Jedoch würden vielleicht auch sechs Wochen oder weniger reichen, um erste Erfahrungen zu sammeln. Man kann nicht bestreiten, dass es an der eigenen Einstellung und Motivation liegt wie das Praktikum abläuft. Aber andererseits kann man manchmal auch trotz großer Mühe enttäuscht werden, wenn die Stimmung zwischen Pflegern oder zwischen Ärzten und Pflegern schlecht ist. Oft kann man dann nichts dagegen machen und wird als Sündenbock für die unangenehmen Arbeiten eingesetzt. Die Frage, ob das Pflegepraktikum wirklich noch nützlich ist oder hier nur an einer alten Tradition im Medizinstudium festgehalten wird, bleibt weiterhin offen.
*Namen wurden geändert