Pünktlich zum Startschuss für den Rollout der neuen Kartenlesegeräte haben die Spitzenverbände ihre überarbeiteten Konzepte für die ersten Anwendungen der eGK vorgelegt. Die aktualisierten, elektronischen Notfalldaten der Ärztekammern sind ein echter Neuanfang.
Bis zu fünfmal mussten Ärzte in den Testregionen der elektronischen Gesundheitskarte eine PIN eingeben, wenn sie auf die eGK einen elektronischen Notfalldatensatz schreiben wollten. Dass das so nicht funktionieren konnte, überrascht nicht. Entsprechend schlecht fiel die Auswertung der noch unter der letzten Bundesregierung gestarteten Tests aus. Nur 280 Notfalldatensätze waren damals in den Testregionen überhaupt angelegt worden. Kein einziger wurde ausgelesen. Und bei einem Großteil der Patienten gab es Probleme mit der PIN.
Ruhe in Frieden, PIN
Seit die Verantwortlichkeit für die einzelnen eGK-Anwendungen nicht mehr kollektiv bei der in der gematik versammelten Selbstverwaltung liegt, sondern bei den jeweils am meisten zuständigen Spitzenverbänden, gehen die Arbeiten etwas zügiger voran. Ein Resultat dieser neuen Arbeitsteilung sind die so genannten Lastenhefte zum Versichertenstammdatenupdate, zu den elektronischen Notfalldaten, zum elektronischen Arztbrief („Kommunikation Leistungserbringer“), zur elektronischen Fallakte und zur Basisinfrastruktur. Diese wurden – oh Wunder – von der Gesellschafterversammlung der gematik jetzt einstimmig verabschiedet. Nur in einigen wenigen Punkten wurde der Schlichter angerufen.
Am sicherlich eindrucksvollsten ist der Neuanfang bei den elektronischen Notfalldaten der Bundesärztekammer gelungen. Sie wurden nicht nur im Handling, sondern auch inhaltlich komplett überarbeitet. Zunächst einmal hat man sich von der PIN-Eingabe für die Erstellung und Änderung der Daten weitgehend verabschiedet. Patienten, die das möchten, können weiterhin eine PIN beantragen und diese nutzen. Wer das nicht will, kann aber auch einfach ein Blatt Papier unterschreiben und so den jeweiligen Arzt gewissermaßen dazu ermächtigen, die Notfalldaten auf die eGK zu schreiben. Damit dürfte ein wesentlicher Schritt hin zu mehr Akzeptanz im Alltag geschafft worden sein: Aus fünf PIN mach keine. Gebunden ist der Zugriff auf die Notfalldaten weiterhin an einen elektronischen Heilberufsausweis. Hier hat sich nichts verändert.
Notfallabfrage als Weichenstellung
Komplett neu strukturiert wurde dagegen der Inhalt des Datensatzes. Grundlegend ist dabei die Unterscheidung zwischen Notfällen und Nicht-Notfällen. Der neue Notfalldatensatz ist nämlich nicht nur für den präklinischen Notfall gedacht, sondern auch für Situationen wie den Erstkontakt mit einem unbekannten Patienten in der Notaufnahme oder im kassenärztlichen Notdienst. Will ein Arzt künftig auf die elektronischen Notfalldaten der eGK zugreifen, dann wird er vom System zunächst gefragt, ob ein echter Notfall vorliegt. Bei einer positiven Antwort öffnen sich die Notfalldaten sofort und ohne PIN. Der Zugriff des Arztes wird protokolliert. Antwortet der Arzt mit „nein“ – das wäre die Situation beispielsweise beim Standardeinsatz im Notdienst – ist eine PIN-Eingabe durch den Patienten oder eben, siehe oben, eine schriftliche Einwilligung nötig.
Diese Unterscheidung zwischen Notfall und Nicht-Notfall, die international in vielen elektronischen Aktenprojekten so oder ähnlich praktiziert wird, erlaubt es dem Patienten einerseits, notfallmäßige Zugriffe nachzuvollziehen. Andererseits können durch diesen Kniff umfangreichere Daten gespeichert werden, weil mit der Abfrage der Notfallsituation für Nicht-Notfälle gewissermaßen eine „Datenschutzgrenze“ eingezogen wird. Außerhalb von Notfällen ist eine explizite Einwilligung des Patienten mit PIN oder Unterschrift nötig. Im Notfall ist der Zugriff frei, er wird aber protokolliert.
Schon fast eine kleine Akte
Die jetzt umfangreicheren Notfall- und Nicht-Notfall-Daten sollen im Detail wie folgt aussehen: Bis zu zwanzig verschiedene Diagnosen können im Klartext abgespeichert werden. Befunde, die nicht vom anlegenden Arzt eingegeben werden, sind als Fremdbefunde gekennzeichnet. Ebenfalls für bis zu zwanzig Medikamente reicht der Platz, wobei Detailfreunde hier Handelsname, Wirkstoff, Darreichungsform und Dosierungsschema eingeben können. Dieser Teil der Notfalldaten wurde in Zusammenarbeit mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft konzipiert. Sämtliche Daten sollen übrigens auf der Karte gespeichert werden. Und damit nicht genug: Eigene Datenfelder sind unter anderem für Allergien und Unverträglichkeiten und für die Kontaktdaten des behandelnden Arztes sowie einer im Notfall zu benachrichtigenden Person vorgesehen. Auch weitere Informationen wie Schwangerschaften, Implantate oder Kommunikationsstörungen können niedergelegt werden. Ein Feld mit zusätzlichen Informationen auf Wunsch des Patienten enthält unter anderem die Blutgruppe.
Schließlich gibt es auch noch – getrennt von den Notfalldaten – ein Fach, in dem Hinweise auf den Aufbewahrungsort eventuell vorhandener Patientenerklärungen gespeichert werden können, konkret Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Organspendeausweis. In Zukunft wäre denkbar, diese Dokumente auch komplett auf der eGK niederzulegen. Dazu ist allerdings eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich, die die eGK zunächst nicht bieten wird.
Wie wird es jetzt weitergehen? Die Detailplanungen für die parallel zum eGK-Rollout vorgesehene Testphase der eGK-Anwendungen stehen noch aus. Dass es erneute Feldtests geben wird, gilt als sicher. Die Bundesärztekammer möchte den Notfalldatensatz im Rahmen dieser Tests auch noch einmal inhaltlich evaluieren. Der wichtigste Erfolgsfaktor freilich wird sein, ob die Praxis-EDV-Unternehmen es schaffen, den Datensatz so in ihre Systeme zu integrieren, dass Doppeleingaben möglichst vermieden werden. Nur dann könnte die Sache ein Erfolg werden.