Ultraschall-Geräte kaum größer als ein iPhone – das scheint zunächst wunderbar: Leber verfettet? Gallensteine? Niere gestaut und Herz vergrößert? Das „Taschensono“ gibt die Antworten. Doch ist es wirklich mehr als nur ein smartes Spielzeug für Technikfreaks?
Das einfach zu bedienende Gerät biete erweiterte Untersuchungsmöglichkeiten direkt vor Ort zur schnelleren Diagnosestellung. Es helfe, Krankheiten früher zu erkennen, was angesichts eines hektischen Klinikalltags von unschätzbarem Wert sei, „insbesondere für Erstversorger, Fachärzte für Kardiologie, Intensiv- und Notfallmedizin oder Frauenheilkunde sowie für Klinikärzte“, hieß es zum Beispiel 2010 in einer Pressemitteilung des Unternehmens GE Healthcare zur Einführung ihres „Vscan“. Rund 7000 Euro kostet das knapp 400 Gramm leichte „Taschensono“; in der selben Preisklasse liegt das Acuson-System (P10™) - im Vergleich zu herkömmlichen Geräten also unstreitig ein „Schnäppchen“. Auf den ersten Blick scheinen die Taschengeräte auch tatsächlich nützlich zu ein. Sie ersetzen zwar nicht herkömmliche Ultraschall-Systeme, ermöglichen aber eine erste Orientierung.
Keine relevanten Herzbefunde übersehen
Die Professoren Christian Prinz und Jens-Uwe Voigt von der Universität von Leuven haben kürzlich ein solches mobiles Gerät (das Gerät von GE) auf seinen Nutzen in der kardiologischen Diagnostik geprüft. Die Ergebnisse sind recht positiv, ebenso auch einige Kommentare anderer Kardiologen. Nur „eitel Sonnenschein“ herrscht natürlich nicht. Für ihre Studie haben Prinz und Voigt das mobile Gerät mit einem herkömmlichen Echokardiografie-System verglichen. Ihre Ergebnisse sind vor Kurzem im „Journal of the American Society of Echocardiography” erschienen. Untersucht wurden 349 Patienten, bei denen eine Echokardiografie vorgesehen war. Alle Patienten wurden mit dem mobilen Taschengerät untersucht - und mit einem herkömmlichen Ultraschall-System von einem in der Echokardiografie versierten Arzt. Das Taschensono schnitt dabei keineswegs schlecht ab, Endokard und regionale Beweglichkeit der Myokardwand etwa waren ebenso wie die linksventrikuläre Auswurfleistung zuverlässig zu beurteilen. Ebenso wie mit dem herkömmlichen System wurden alle sechs Patienten mit abnormen Flüssigkeitsansammlungen im Perikardraum erkannt. Darüber hinaus gab es eine gute Übereinstimmung zwischen beiden Systemen bei der Beurteilung der Herzklappen, wobei die Messungen des Blut-Rückflusses mit dem Taschensono zu einer leichten Überschätzung des Schweregrades einer Fehlfunktion führten. Bei den Stenosen allerdings war das Ergebnis nicht so überzeugend: Der Schweregrad der Aorten-Stenosen wurde bei der Hälfte der Patienten unterschätzt. Relevante klinische Befunde seien insgesamt aber nicht übersehen worden, schreiben Prinz und Voigt. Allein die Beurteilung von Stenosen sei nicht zuverlässig genug, da die dafür erforderlichen Spektral-Doppler-Funktionen noch fehlten.
Ein paar kritische Töne
Der US-Kardiologe Dr. Kirk T. Spencer von der Universität von Chicago, der sich seit mehreren Jahren mit dem Thema beschäftigt („Journal of the American College of Cardiology“) hält allerdings die Aussage, wonach keine relevanten Befunde übersehen worden seien, für etwas zu positiv angesichts der technisch eingeschränkten Möglichkeiten. Diese Geräte seien für einige spezielle Fragen brauchbar, aber mit ihnen könne man eben nicht alles ausschließen, erklärt er auf „heartwire“, dem Portal der US-Kardiologen-Gesellschaften. Die Fragen nach der Herzgröße und Perikardflüssigkeit könnten zwar sicher beantwortet werden. Aber dies seien in der Regel nicht die Fragen, für deren Beantwortung eine Echokardiografie gemacht werde. Patienten kämen in der Regel mit unspezifischen Problemen, etwa Schwindel, für die es mehrere Ursachen gibt. Mit den Pocket-Geräten könnten diese aber nicht alle ausgeschlossen werden. Etwas kritisch sieht Spencer auch das Ergebnis einer zweiten aktuellen Studie und die Schlussfolgerungen der Autoren. In dieser Studie haben portugiesische Kardiologen um Dr. Nuno Cardim („Hospital da Luz” in Lissabon) bei 189 ambulanten Patienten geprüft, ob nach einer konventionellen klinischen Untersuchung eine Sonografie mit einem Taschengerät nützliche Zusatzinformationen liefert. Die Untersuchungen wurden von Kardiologen mit viel Erfahrung in der Echokardiografie gemacht, die eine Woche Zeit hatten, sich mit den kleinen Geräten vertraut zu machen.
Laut Cardim stimmten die klinischen und die sonografischen Untersuchungen in 35 Prozent der Fälle dahingehend überein, dass eine Überweisung in ein Ultraschall-Labor für nicht nötig erachtet wurde. In rund zwei von zehn Fällen gab es Konsens, die Patienten zu überweisen. In 14 Prozent wurde sonografisch die Indikation zur Überweisung gestellt, während die klinische Untersuchung dagegen sprach. In knapp einem Drittel war es genau umgekehrt. Die Notwendigkeit für eine weitergehende Ultraschall-Diagnostik war ausschließlich dann gegeben, wenn eine Spektral-Doppler-Funktion erforderlich war. Eine schlechte Bildqualität war nach Angaben von Cardim nie der Grund. Mit dem kleinen Sonogerät wurden immer wieder linksventrikuläre Dilatationen und systolische Dysfunktionen entdeckt, die eine medikamentöse Therapie zur Folge hatten und bei der klinischen Untersuchung oft nicht aufgefallen waren. Auch die Diagnose von Wandbewegungsstörungen in Kombination mit Brustschmerzen hatte therapeutische Konsequenzen, ebenso der sonografische Nachweis eines vergrößerten linken Vorhofes bei Patienten mit paroxysmalen Palpitationen. Das smarte Gerät biete also zusätzliche Informationen, erhöhe etwa die Zahl an Diagnosen, reduziere die Zahl an überflüssigen und steigere die Zahl an sinnvollen Echokardiografien.
Als Screening-Methode nützlich
Spencer jedoch hält es für absurd, mit Hilfe eines Taschengerätes jene Patienten identifizieren zu wollen, bei denen auf eine konventionelle Echokardiografie verzichtet werden könnte. Wenn ein Patient wegen möglicher kardialer Probleme einen Kardiologen aufsuche, dann sei ein vollständiges Echokardiogramm notwendig. So sieht es auch sein Kollege Dr. James N. Kirkpatrick, Kardiologe an der Universität von Pennsylvania in Philadelphia. Wenn jemand kardiale Symptome habe und eine Echokardiografie benötige, sollte er auch die optimale Diagnostik bekommen, die zur Verfügung stehe. Optimistischer ist da Dr. William A. Zoghbi („Methodist DeBakey Heart and Vascular Center” in Houston). Die Geräte könnten die klinische Untersuchung bereichern, die nunmal Grenzen habe. Etwas kritisch sieht er die Anwendung bei Klinik-Patienten, bei denen anders als bei ambulanten Patienten die Bildqualität aufgrund der Schwere der Erkrankungen möglicherweise nicht ausreiche. Außerdem stehe in Kliniken in der Regel ein vollwertiges Ultraschall-System zur Verfügung, so dass aus seiner Sicht der Einsatz der kleinen Geräte vor allem in Regionen nützlich sein könnte, wo kein „Highend-Gerät“ verfügbar sei. Zudem könne ein Screening bei Patienten nützlich sein, die zwar Risikofaktoren hätten, aber noch nicht so gefährdet seien, dass eine herkömmliche Echokardiografie notwendig sei. Weitere Anwendungs-Optionen gibt es laut Spencer in der Notfallmedizin oder auch auf Intensivstationen, da die behandelnden Ärzte hier zum Beispiel am Abend rasch Informationen für das weitere Vorgehen benötigen und nicht bis zum nächsten Morgen auf eine herkömmliche Sonografie warten wollen oder können. Kirkpatrick wiederum sieht einen Nutzen der kleinen Geräte auch für die relativ engmaschige und einfache Kontrolle relevanter Parameter, etwa den kardialen Füllungsdruck-Werten.
Das Problem für die Anwendung solcher mobilen Geräte ist also offensichtlich nicht der Nutzen. Der Haken ist wohl der Preis. Der ist zwar vergleichsweise gering. Die Untersuchungen sparen außerdem Zeit, den Ärzten und den Patienten. Aber die Kassen übernehmen in der Regel nicht die Kosten.