Im März 2011 hat der Bundestag das Ende des Zivildienstes beschlossen. Besonders in der Krankenversorgung werden ab sofort viele helfende Hände fehlen. Müssen Medizinstudierende nun damit rechnen, als billiger Ersatz zu dienen?
Ab dem 1. Juli 2011 wird es keine Zivildienstleistenden mehr geben. Dieser Beschluss, der gemeinsam mit der Aussetzung der Wehrpflicht vom Bundestag verabschiedet wurde, sorgt nun für allgemeine Panik im Gesundheitssektor. Und das zu Recht: denn waren bis zuletzt etwa 90 000 „Zivis“ im Einsatz, fehlt es Ersatz-Initiativen wie dem Bundesfreiwilligendienst an Interessenten und Bewerbern. Und da bislang zahlreiche soziale Projekte und Einrichtungen nur durch die tatkräftige Unterstützung der Zivis überleben konnten, fürchten nicht nur Altenheime und Krankenhäuser um ihre nahe Zukunft. Selbst Bundesfamilienministerin Kristina Schröder sagte in einem Interview mit „report MÜNCHEN“, dass der neue Freiwilligendienst den Zivildienst nicht eins zu eins übersetzen könne.
Was dann im Herbst auf das Gesundheitswesen zukommt, lässt sich nur schwer erahnen. Eine mögliche Konsequenz bestünde sicher darin, dass die verbleibenden Arbeitskräfte einen Großteil der ehemaligen Zivi-Aufgaben übernehmen. Kann es daher auch Medizinstudierende treffen, die eigentlich zu Ausbildungszwecken und nicht als billige Hilfskräfte diverse Praktika in Kliniken ableisten?
Wer soll die Lücken stopfen?
Fachberufe im Gesundheitswesen haben nicht erst seit gestern ein Imageproblem. Denn während sich die Wartelisten für einen Studienplatz Humanmedizin von Semester zu Semester verlängern, fehlt es beispielweise in der Krankenpflege an fähigem Nachwuchs. Und dieses geringe Interesse der heutigen Schulabgänger wird sicher nicht schlagartig wachsen, wenn eine Krankenschwester neben der Betreuung von zehn immobilen Patienten auch noch Transportaufgaben übernehmen muss. Ohne zusätzliche Entlohnung, versteht sich.
Ganz ähnlich sieht es auf Seiten der Medizinstudierenden aus. Im Rahmen des sogenannten Pflegepraktikums müssen sie obligatorisch 3 Monate in der Krankenpflege arbeiten, ohne für teils körperlich sehr anstrengende Tätigkeiten weder eine finanzielle noch soziale Anerkennung zu bekommen. Berufsverbände sind daher schon lange darum bemüht, sinnvolle Alternativen zu schaffen, die für die betroffenen Studierenden auch einen Lerneffekt haben. Immerhin sollen sie später einmal unsere Kranken behandeln. Da aber speziell in Unikliniken die Studierenden in großer Zahl für Famulaturen und Blockpraktika auf den Stationen hospitieren, ist die Versuchung hier besonders groß, sie für ehemalige Zivi-Jobs zu ‚missbrauchen’. Und solch ein Ersatz-Ersatz deckt sich natürlich nicht ansatzweise mit der aktuellen Studienordnung.
Pilotprojekt als Imageoffensive
Um gleich zu Beginn der Reform eine sinnvolle Alternative zum Zivildienst zu schaffen, startet die Universitätsmedizin Greifswald zum Wintersemestermester 2011/12 ein neues Projekt für Schulabgänger mit Interesse für Gesundheitsberufe. Unter dem Titel „Übergangsjahr für Abiturienten“ (ÜfA) können junge Menschen mit allgemeiner Hochschulreife nach einem einführenden Schulungsprogramm in der Uniklinik arbeiten. Darüberhinaus erhalten sie eine Vergütung von monatlich etwa 600 Euro und können sich das ÜfA-Jahr zudem im Falle eines Medizinstudiums als Pflegepraktikum anrechnen lassen. Neben klassischer Stationsarbeit sollen die ÜfAs auch Hospitationen je na persönlichem Interessengebiet in den Bereichen Forschung, Klinik und Lehre absolvieren können. Das Projekt dient nach Worten des Pflegevorstands Peter Hingst in einer Pressemitteilung der Universitätsmedizin nicht als reine Kompensation des wegfallenden Zivildienstes. Vielmehr versteht sich das junge Pilotprojekt als eine Art Imageoffensive für Berufe im Gesundheitswesen. Schließlich haben viele jetzige Medizinstudierende ihr Interesse am Fach erst über die Erfahrung im Zivildienst entdeckt.
Fazit
Dass auch solche Imageinitiativen oder der neue Bundesfreiwilligendienst die aufkommende Lücke so bald nicht schließen werden, lassen sich jetzt schon statistisch belegen. Medizinstudenten können daher nur hoffen, dass die Ausbildung im Famulatur- oder Praktikumskrankenhaus im Vordergrund steht. Trotz allem bleibt das ÜfA ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um einem Missbrauch von Famulanten frühzeitig vorzubeugen.