Was hierzulande kaum Erwähnung findet, entwickelt sich in den USA zum wichtigen Geschäftsbereich: Unter der Obhut der FDA können Pharmazeuten Medikamente parat halten, die schwangeren Frauen zur Behandlung der noch ungeborenen Kinder zur Verfügung stehen.
Alexander Motylev ist Manager. Doch in erster Linie ist Motylev Apotheker, und so verwaltet er am Maimonides Medical Center Brooklyn in New York jene Einkaufsströme, die aus Pillen für die Patienten des Krankenhauses bestehen. Seit geraumer Zeit zählen Substanzen wie Methimazol und Dexamethason zum Repertoire dessen, was der Pharmazeut zunächst den Ärzten des Krankenhauses nahe legt – damit diese die Wirkstoffe an werdende Mütter verschreiben.
Für deutsche Verhältnisse kling das Prozedere skurril, und doch: Unter Aufsicht der Zulassungsbehörden FDA und CDC hat sich in den Vereinigten Staaten ein System etabliert, das hierzulande als Modell dienen könnte: Apotheker beraten Ärzte, wenn es darum geht, die Leiden von Ungeborenen im Mutterleib besser therapieren zu können. Die nun im Fachblatt „US Pharmacist“ veröffentlichte Arbeit des Krankenhausmanagers Motylev jedenfalls belegt, dass die medikamentöse Annäherung an die Föten spätere Krankheiten verhindern kann.
Zu den auch hierzulande bekannten Binsenweisheiten beispielsweise zählt die Tatsache, dass die Einnahme von Folsäure in der Schwangerschaft Neuralrohr-Defekte der Ungeborenen verhindern kann. Ob Spina bifida, Hydrozephalus oder die sogenannte LKGS-Fehlbildung, viele schwere Erkrankungen ließen sich umgehen, wenn die Mütter nur wüssten, was sie einnehmen dürfen – oder Ärzte sich daran erinnerten. Während hierzulande die pränatale medikamentöse Behandlung zwar bekannt, aber nur höchst vorsichtig angewendet wird, preschen die Amerikaner vor. Die CDC beispielsweise konkretisiert im Februar 2011 die Empfehlungen für die Folsäureeinnahme. Danach sollten Frauen bereits einen Monat vor der Schwangerschaft mit der Aufnahme von 0,4 Milligramm Folsäure pro Tag starten, und diese während des ersten Trimesters auf 4 Milligramm erhöhen.
Die Idee der Amerikaner ist einfach: Die sehr enge Beziehung zwischen Apotheker-Know-how und ärztlichem Wissen führt zur Nutzung des Wirkstoffpotenzials im Mutterleib. US-Apotheker springen daher beratend ein, wenn das Risiko einer Kongenitalen adrenalen Hyperplasie (CAH) besteht. Darunter verstehen Ärzte eine ganze Gruppe von Krankheiten, bei der die Biosynthese der Nebennierenhormone gestört ist. Eine mangelnde Cortisol- und Aldosteron-Produktion kennzeichnet die Erkrankung. Gleichzeitig scheint die erhöhte Produktion von Corticotropin (ACTH) einherzugehen. Die Therapie besteht den US-Empfehlungen zufolge in der Verabreichung des künstlichen Glucocorticoids Dexamethason, die Substanz senkt den ACTH-Spiegel deutlich. Warum die Rolle der Apotheker so wichtig ist, wird schnell klar: Sie müssen, so fordert es jedenfalls Motylev, Ärzte auf Wirkstoffe wie Levodopa (L-DOPA), Metoclopramid oder verschiedene Amphetamine aufmerksam machen – nehmen die Schwangeren diese Substanzen ein, steigt der ACTH-Pegel unliebsam an.
Die Liste der Arzneimittel-Applikationen ist lang. Eine Schilddrüsenüberfunktion der Ungeborenen im Mutterleib etwa behandeln die Amerikaner, indem sie den zukünftigen Müttern den Wirkstoff Methimazol verabreichen.
Apotheker als Föten-Bodyguard?
Schützen lassen sich die Föten aber mitunter erst durch Herabsetzung von Präparaten, etwa von Protonenpumpenhemmern (PPI). Doch anders als möglicherweise erwartet rät Motylev seinen Ärzten, bei den PPIs auf einen ganz spezielle Eigenschaft zu achten: Sie führen zu einem Mangel des Vitamins B12 im Fötus, was bei Ungeborenen mit einer genetisch bedingten Methylmalonazidurie (MMA) zu erheblichen Komplikationen führen kann.
Leidet der kommende Nachwuchs hingegen bereits im Mutterleib an bestimmten Herzrhythmusstörungen (supraventrikuläre Tachyarrhythmien), dürfen amerikanische Apotheker den behandelnden Ärzten den Wirkstoff Digoxin empfehlen. Anders als in Deutschland scheint das Fazit klar zu sein: „Apotheker spielen beim Management der Föten-Medikation eine zentrale Rolle“, schreibt Motylev.