Ein Forschungsprojekt der EU soll die vollständige Simulation des menschlichen Gehirns mithilfe von Computern Wirklichkeit werden lassen. Das "Human Brain Project" wurde letzte Woche am Institute of Science and Technology (IST) in Österreich vorgestellt.
Das menschliche Gehirn ist schon seit langer Zeit Gegenstand intensiver Forschung, denn letztendlich ist nichts so komplex am Menschen wie dessen Funktionsweise. Schätzungsweise 200.000 Neurowissenschaftler weltweit publizieren allein um die 60.000 Studien pro Jahr, die sich mit der Erforschung des Gehirns beschäftigen. Bei dieser großen Zahl an Untersuchungen ist es schwierig den Überblick zu behalten und das große Ganze zu verstehen. Das "Human Brain Project" soll die Teile zusammenfügen und ein neues Verständnis des Gehirns ermöglichen.
Neue Hoffnung bei Alzheimer und Co.
Gründe gibt es genug für dieses ehrgeizige Projekt. Die Zahl an neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Demenz oder Morbus Parkinson steigt zur Zeit sprunghaft an, nicht zuletzt da die Bevölkerung in den Industrieländern immer älter wird. Weltweit sind mehr als 35 Millionen Menschen von Alzheimer betroffen und die Forscher gehen davon aus, dass in Zukunft jeder dritte Mensch an einer neurologischen Erkrankung leiden wird. Zudem sind weitere Krankheiten wie Depressionen oder Autismus noch nicht ausreichend verstanden, um effiziente Therapien anbieten zu können. Die Simulation des menschlichen Gehirns könnte hier neue Einsichten in die grundlegenden Ursachen der Entstehung dieser Erkrankungen liefern. Sie würde zudem ganz neue Möglichkeiten eröffnen, Medikamente und deren Wirkungsweise per Knopfdruck zu testen, ohne aufwendige und umstrittene Tierexperimente durchführen zu müssen.
EU muss Projekt bewilligen
Das "Human Brain Project" steht jedoch noch ganz am Anfang. Es bewirbt sich auf das sogenannten "Future and Emerging Technologies (FET) Flagship Programm" der Europäischen Union, das sich zur Aufgabe gemacht hat, visionäre Projekte mit über einer Milliarde Euro zu unterstützen. Da sich noch fünf andere Projekte, u.a. mit einem Roboter-Assistenzsystem und einem virtuellen Patienten, im Rennen befinden, ist die Bewilligung noch nicht sicher. Doch auch ohne politische Absegnung wird das "Human Brain Project" von vielen Seiten finanziert, schließlich sind viele Computer- und Pharmariesen mit im Boot. Der Konzern IBM hat sich beispielsweise zur Aufgabe gemacht, die für die Darstellung von Milliarden Neuronen notwendige Computertechnologie in den nächsten Jahren zu entwickeln.
Mit heutigen Supercomputern lässt sich diese Leistung noch nicht erzielen, da man schon für die Berechnung eines einzigen Neurons die Kapazität eines vollwertigen Laptops benötigt. Wenn alles gut geht, könnte das "Human Brain Project" mit der Simulation des Gehirns bis 2023 fertig sein und uns dann neue Einblicke in diese fantastische und komplexe biologische Maschine geben.