Der Beruf Arzt scheint vererbbar zu sein: viele Medizinstudenten kommen aus 'Medizinerfamilien' und zu Hause wartet die elterliche Praxis auf Übernahme. Wir haben einige Arztkinder zu ihrer Motivation befragt.
Wenn man Medizin studiert, wird man praktisch ständig gefragt, ob die Eltern auch Medizin studiert haben: von Kommilitonen, Ärzten, Patienten. Liegt das Interesse für Medizin etwa in den Genen? Wird die Faszination für den menschlichen Körper oder das Bedürfnis etwas soziales zu tun weitervererbt? Erhofft man sich Unterstützung von seinen Eltern? Gibt es eine Praxis, die man übernehmen kann oder gibt es auch einen gewissen Druck unter dem man steht, eine ähnlich "sinnvolle" Tätigkeit auszuüben wie seine Eltern?
Am Besten fragt man die "Täter" selbst. Sieben Medizinstudenten, die inzwischen schon mehr als die Hälfte des Studiums hinter sich haben, haben mir erzählt, warum Sie sich für das Medizinstudium entschieden haben und wie viel Einfluss ihre Ärzte-Eltern dabei hatten.
Ist Medizin vererbbar?
Zunächst mal möchte ich wissen, wann und warum die 7 sich für Medizin entschieden haben und welchen Einfluss es für sie spielte, dass ihre Eltern Ärzte sind. Zwei von ihnen hegten diesen Wunsch schon seit ihrer Kindheit: "Ich wollte schon als kleines Mädchen Ärztin werden. Ich wollte einfach wissen, wie das alles mit unserem Körper funktioniert, wie Krankheiten entstehen, warum und wie man sie heilen kann", erzählt mir Kathrin*. "In meiner Familie sind sowohl mein Vater, mein Großvater, mein Onkel und meine Tante Ärzte. Deswegen wurde bei uns immer schon viel über Medizin gesprochen. Das hat mein Interesse geweckt und mir klar gemacht, dass ich das später auch machen will."
Ähnlich ging es auch Jennifer, die mit dem Zahnmedizinstudium begonnen hat, bevor sie als Quereinsteigerin das Medizinstudium anging. "Ich wollte Ärztin werden, seit ich denken kann. Wahrscheinlich auch, weil das der erste Beruf war, den ich kennengelernt habe. Mein Vater hat mich früher mit zur Visite genommen und mir hat das damals sehr viel Spaß gemacht!"
Die anderen aus der Gruppe haben erst später entschieden, die gleiche Richtung einzuschlagen wie ihre Eltern und zogen zwischendurch auch andere Studienrichtung in Erwägung. Leonard hatte auch Interesse an Journalismus und Psychologie, bei Sandra standen BWL und Medizintechnik noch zur Auswahl. Daniel und Julius berichten mir unabhängig voneinander, dass ihnen die Kombination aus Naturwissenschaften und sozialer Komponente, das Medizinstudium schmackhaft machten. Sandra hingegen interessiert sich mehr für Naturwissenschaften und die Technik. Auch wenn sich Julius erst in der Oberstufe entschied, Medizin zu studieren, gibt er offen zu, dass ihn die Tatsache, dass seine Eltern Ärzte sind, schon sehr beeinflusst hat: "Meine Eltern sind Vorbilder für mich." Maria findet, dass der Beruf ihres Vaters, ihre Entscheidung nicht so sehr beeinflusst hat, sie war nicht oft mit ihm bei der Arbeit und wenn, dann hatte sie keinen Kontakt zu Patienten.
Und was sagen Mama und Papa dazu?
Die nächste Frage ist, was die Eltern davon halten, dass ihre Kinder den gleichen Weg wie sie einschlagen wollen. Haben sie den Wunsch immer unterstützt, sich dieses sogar gewünscht? Oder im Gegenteil, dem Kind davon abgeraten? Nicht jeder sieht den Beruf des Arztes heute als erstrebenswert an und es herrscht bekanntlich bei vielen Ärzten Unzufriedenheit über Entlohnung und Arbeitsbedingungen. Will man denn so was seinen eigenen Kinder weiterempfehlen?
Keiner von den 7 Medizinstudenten erzählt mir, dass er unter Druck stand, Medizin zu studieren. Heutzutage steht wohl die Freiheit im Vordergrund, den Weg im Leben einzuschlagen, den man sich wünscht. Eltern schreiben ihren Kindern die Berufslaufbahn nicht mehr vor. "Insgesamt wurde mein Vorhaben Medizin zu studieren unterstützt, weil der Beruf und die Bedingungen durchaus als gut und sinnvoll angesehen werden. Allerdings wäre ein anderes Studium auch von meinen Eltern unterstützt worden, wobei darauf geachtet worden wäre, ob der Beruf sinnvoll und sicher ist (zum Beispiel Lehrer, Ingenieur etc. vs. Künstler).", erklärt mir Leonard. Also die Entscheidungsfreiheit ist schon gegeben, aber nicht alles wird blind unterstützt. Arzt muss man nicht zwingend werden, aber Künstler müsste auch nicht sein.
So ähnlich sehen es auch Lisas Eltern: "Meine Eltern hätten wohl alles unterstützt, was ich machen möchte. Das heißt, eher natürlich das, was mir ein festes Einkommen sichert. Über Medizin hat mein Vater oft geschimpft, aber letztendlich findet er meine Berufswahl wohl ganz gut." Etwas anders sah es bei Julius und Maria aus: "Meine Eltern haben mir davon abgeraten. Es wäre zu viel Arbeit und das würde in Zukunft auch nicht weniger werden.", räumt Julius ein.
"Meine Eltern haben die Entscheidung völlig mir überlassen. Am Anfang waren sie aber glaube ich nicht so überzeugt davon, dass es das Richtige für mich ist. Nachdem sie gesehen haben, wie gut mir schon das Pflegepraktikum gefallen hat, hat sich ihre Meinung aber geändert.", sagt Maria.
Eine eigene Praxis, Junge?
Als nächstes möchte ich gerne wissen, ob denn die angehenden Ärzte womöglich zufällig und rein freiwillig die gleiche Fachrichtung wählen werden, wie ihre Eltern. Und ob es dann auch eine Praxis von Mama oder Papa zu übernehmen gäbe.
Tatsächlich gibt es bei 4 von meinen 7 Interviewpartnern eine Praxis, die übernommen werden könnte. Sandra und Kathrin wollen aber sicher eine andere Fachrichtung erlernen und dementsprechend auch nicht die elterliche Praxis übernehmen. Auch Leonard möchte wahrscheinlich nicht die Praxis seines Vaters übernehmen. Nur Daniel zieht es in Betracht, er ist sich der Sache aber auch noch nicht ganz sicher.
"Bei mir besteht die Möglichkeit eine Praxis zu übernehmen inzwischen nicht mehr. Aber das ist auch gut so. Das bedeutet für mich weniger Verantwortung und Verpflichtung. Außerdem stellt sich natürlich die Frage, ob das so noch funktionieren würde. Das System ändert sich. Es wird in Zukunft mehr Medizinische Zentren und große Gemeinschaftspraxen geben.", erklärt Lisa. Nur Lisa und Daniel ziehen es in Betracht, dieselbe Fachrichtung einzuschlagen wie ihre Eltern, bei den anderen fünf scheint es momentan unwahrscheinlich.
Haben die Ärzte-Kinder Vorteile?
Zum Schluss interessiert es mich, ob es Vorteile gibt, wenn Vater oder Mutter auch Medizin studiert haben und jetzt als Arzt / Ärztin tätig sind.
"Was das Studium angeht, gibt es meiner Meinung nach keine Vorteile. Bei der Suche nach Famulaturen kann man aber Kontakte nutzen. Andererseits verpflichtet es dann auch. Man wird generell auch öfters gefragt, ob ein Elternteil Arzt ist, wenn man das bejaht, ist die Reaktion meist positiv", denkt Sandra dazu. Lisa empfindet die Situation zwar überwiegend als positiv, sieht es aber auch ambivalent: "In gewisser Weise gibt es immer Vor- und Nachteile. Ich kann nachfragen, es macht Spaß über medizinische Themen zu reden und zu diskutieren, ich kriege bestimmt leichter Tipps und Tricks und genug Vitamin B ist auch vorhanden. Ein bisschen mehr Vorwissen kann auch bei dem einen oder anderen vorhanden sein. Dafür wissen es meine Eltern auch viel zu oft besser und denken immer, es hätte sich in den 30 Jahren seit ihrem Studium nix geändert."
Maria empfindet es oft als beruhigend, dass ihr Vater das Studium auch durchgemacht hat und dadurch den Stress und die Zweifel bei Prüfungen und neuen Herausforderung gut nachvollziehen kann. Andererseits denkt sie, dass andere Studenten sich auch unter Druck gesetzt fühlen könnten, da sie das Studium genau so gut und schnell schaffen wollen wie ihre Eltern. Leonard sieht das ähnlich: "Man muss seinen Eltern vieles nicht erklären, sowohl das Fachliche, als auch die Belastung, die in den Prüfungsphasen herrscht. Außerdem gibt es auch mal ganz gute Tipps. Man kann sich auch mal so richtig über eine Situation auslassen und der Ansprechpartner hat den direkten Vergleich, weil er selbst vielleicht mal in derselben Situation war." Andererseits fügt er hinzu, er glaube, dass die meisten Eltern, unabhängig vom Beruf, verstehen würden, dass man manchmal wirklich viel lernen muss. Einen riesengroßen Vorteil sehe er nicht. Vieles habe sich auch geändert im Vergleich zu früher. Vieles lese man sowieso eher nach, anstatt die Eltern zu fragen.
Fazit
Ganz zufällig passiert es nicht, dass viele Kinder von Ärzten auch Medizin studieren wollen. Die Tätigkeit ihrer Eltern wird als sinnvoll und bewundernswert angesehen und das Interesse wird oft früh angeregt oder ist vielleicht auch sogar schon angeboren. Andererseits liegt es wohl im eigenen Interesse des Nachwuchses das Gleiche zu erlernen wie die Eltern. Die Entscheidung wird weder unter Druck noch unter Zwang gefällt. Es ist auch nicht mehr so häufig, dass der Sohn oder die Tochter automatisch eine vorhandene Praxis übernehmen soll oder will. Vorteilhaft ist vor allem das Verständnis der Eltern durch eigene Erfahrungen sowie die Kontakte und Tipps, die man von ihnen bekommt.