"Im Moment kann sich jeder selbst schützen", ruft Prof. Andreas Hensel auf. Das Zitat des Präsidenten des Bundesinstituts für Risikobewertung kann sicherlich vor jedem Genuss von Rohkost runtergebetet werden. Aber welchen Schutz gibt es überhaupt?
Der Kinderarzt und Bakteriologe Theodor Escherich hätte sich um 1880 bestimmt nicht träumen lassen, dass sein Name durch die Weltpresse geht. Der aktuelle Nachfahre seiner Bakterienkulturen ist der Allgemeinbevölkerung der Einfachheit halber als EHEC, den Experten im konkreten Fall als HUSEC 041 bekannt. Der Schutz vor dem Fiesling ist deshalb so schwer, weil nicht nur er, sondern seine Toxine so bedrohlich sind. Antibiotika scheiden somit aus. Doch die meisten Keime sind dagegen sowieso resistent.
Auch Fleisch von Wiederkäuern ein Infektionsrisiko
Enterohämorrhagische E. coli (EHEC) rufen besonders schwere gastrointestinale Erkrankungen hervor. Und auch wenn EHEC derzeit besonders prominent ist, schlafen auch die anderen pathogenen Bakterien aus der Familie der E. coli nicht. Besonders das Fleisch von Wiederkäuern oder daraus hergestellten Produkten sind ein Infektionsrisiko. Dass rohes Fleisch in Form von Hack oder Mett als Brotaufstrich darunter fallen, ist allgemein bekannt. Dass zum Beispiel auch Teewurst als Fleischroherzeugnis eingestuft wird, ist hingegen vielen unbekannt. Ob nun Gurken, Tomaten oder Sprossen schuld sind, ist derzeit noch nicht eindeutig geklärt. Rohkost wird unter Generalverdacht gestellt und verlangt besondere Hygiene bei der Zubereitung.
Weil nur 10 – 100 Keime für eine Infektion ausreichen, ist ein prophylaktischer Schutz so schwer. Für eine Salmonelleninfektion sind beispielsweise 100.000 Keime notwendig. In einem Gramm infiziertem Rinderkot können eine Milliarde EHEC-Keime enthalten sein - und jedes zweite Rind ist infiziert. Wer jegliches Restrisiko verbannen, Rohkost aber nicht meiden möchten, sollte alles für mindestens 10 Minuten auf 70 Grad erhitzen. Damit scheidet Salat jedoch schon mal aus und auch Erd- und Himbeeren schmecken nach der Behandlung nicht mehr.
Folgende Hygieneregeln können das Infektionsrisiko eindämmen:
Vor dem Verzehr:
Gut zu wissen:
Chlor gegen Keime
Zur Trinkwasserdesinfektion werden seit langer Zeit Chlorverbindungen wie Tosylchloramid-Natrium eingesetzt. Die Substanz ist als Pulver oder Tabletten erhältlich und kann Brauch- in Trinkwasser verwandeln. Die Zerfallsprodukte sind zwar gesundheitlich unbedenklich, hinterlassen aber meist eine Geschmacksveränderung. Wasserstoffperoxid und Kaliumpermanganat setzen beispielsweise Sauerstoff frei. Zur Wasseraufbereitung sind diese Verfahren geeignet. Es ist jedoch sehr unsicher, diese Lösungen auch zur Desinfektion von verkeimten Lebensmitteln zu verwenden.
Das Internetporal Was-wir-Essen rät davon ab und zitiert das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): „Derartige Lösungen oder Tabletten, die in der Regel zur Wasserdesinfektion dienen, sind nicht dazu geeignet, Lebensmittel zu desinfizieren“. Die vorgeschriebene Gebrauchskonzentration ist nur geeignet, Wasser zu entkeimen. Eine Erhöhung der Konzentration ohne vorhergehende Wirksamkeitsprüfungen könnte im schlimmsten Fall zu gesundheitlichen Schäden durch Rückstände auf den Lebensmitteln führen. Es ist auch nicht bekannt, ob die Konzentration der Lösung ausreicht, um den EHEC-Erreger abzutöten.
Edelmetall als Hilfe?
Eine deutsche Firma vertreibt ein „Silber-Spray“, das Lebensmittel in einen EHEC-freien Zustand versetzen soll. “Das elementare Silberkolloid blockiert bei Bakterien und anderen Einzellern ein Enzym, das diese für den Stoffwechsel benötigen. Dadurch verhungert das Bakterium regelrecht, ein weiteres Ausbreiten wird verhindert”, beschreibt der Firmeninhaber die Wirkung. In Hunderten von Pressemeldungen im Internet wird verbreitet, dass nach der Behandlung Obst, Gemüse und Salat unbedenklich verzehrt werden können, selbst wenn diese mit EHEC-Bakterien belastet sind. Die bakterizide Wirkung von kolloidalem Silber ist bekannt, aber aus mikrobiologischer Sicht bleibt ein Restrisiko. Keine Fachgesellschaft, das RKI oder andere Fachverbände sprechen eine Empfehlung für das Produkt aus.
Um jedes Risiko zu vermeiden, sollte man sich nicht (nur) auf die Vernichtung von Keime verlassen. Die sicherste Prophylaxe ist derzeit das Meiden von Rohkost, dies empfiehlt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Das mag pessimistisch-pragmatisch klingen, ist angesichts der vielen Fragezeichen um EHEC wohl aber gerechtfertigt.