Der Bundesrat hat vor Kurzem beschlossen, der fünfundzwanzigsten Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften zuzustimmen. Cannabis und seine Zubereitungen können nun legal auf einem BtM-Rezept verordnet werden.
In Anlage III steht nun: “Cannabis (Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen) – nur in Zubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind” und in Anlage II: “Cannabis (Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen) – sofern sie zur Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken bestimmt sind”. Die neue Regelung sieht unter anderem vor, das generelle Verkehrsverbot von Cannabis aufzuheben und cannabishaltige Fertigarzneimittel zu medizinischen Zwecken zuzulassen. Was den Handel und Besitz von Cannabis betrifft, bleibt die Rechtslage unverändert.
Verordnung bisher aufwändig und kostenintensiv
Bisher war es möglich, die hochpreisigen THC-Arzneimittel Dronabinol und Nabilon zu verordnen. Gemäß den Vorschriften des DAC und des NRF (NRF 22.7 und 22.8) wurden bis jetzt in den Apotheken entsprechende Rezepturen daraus angefertigt. In den USA sind Marinol ® Kapseln zugelassen. Die Kostenträger verweigerten jedoch meist die Kostenübernahme. In Großbritannien und Spanien ist ein THC-Spray zugelassen. Sativex ® enthält Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) und wird als Spray sublingual verabreicht. In einer Pressemitteilung kündigten das britische Unternehmen GW Pharmaceuticals und das spanische Unternehmen Almirall an, dass nationale Zulassungen in Deutschland, Italien, Dänemark, Schweden, Österreich und der tschechischen Republik beantragt sind. Marktzulassungen für Deutschland, Dänemark und Schweden werden Ende 2011 erwartet.
Die deutsche Firma THC-Pharm GmbH vertreibt halbsynthetischen, durch Umwandlung von nativem Cannabidiol aus Faserhanf zu THC gewonnenen Wirkstoff. Die Mindestbestellmenge beträgt 0,5 g. Die Identitätsprüfung im Apothekenlabor ist im DAC beschrieben. Gemäß Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV § 2) darf ein Arzt maximal 500 mg Dronabinol pro Patient innerhalb von dreißig Tagen verschreiben. Am 6. Dezember 2005 hat das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 347/98) entschieden, dass bei einer „lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung“ die Kosten einer Behandlung erstattet werden müssen, wenn „eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.“
Anerkannte Indikationen für Cannabiszubereitungen sind chemotherapiebedingte Übelkeit und Erbrechen, Appetitsteigerung bei Tumorkachexie, sowie Anorexie und Gewichtsverlust bei AIDS.
Experimentelle Indikationen sind u.a.
Mögliche Indikationen (theoretische Überlegungen oder Tierexperimente)
Glückseligkeit des Kleinhirns
Cannabinoide greifen im Kleinhirn THC-Rezeptoren an, die Mitte der 1980er Jahre identifiziert wurden. THC ist nicht mit Neurotransmittern verwandt. Die körpereigene Substanz Anandamid besetzt jedoch als Agonist THC-Rezeptoren. "Ananda" kommt aus dem Sanskrit und bedeutet soviel wie Glückseligkeit. Der Anandamid-Rezeptor kommt besonders im Kleinhirn, den Basalganglien, der Hirnrinde und dem Hippocampus vor. Dies erklärt die Beeinflussung der Motorik, des Zeitgefühls und der Gedächtnisleistung. Anandamid wirkt wie Endorphine auf das Belohnungssystem. Vermutlich gibt es eine Vernetzung zu den Opiatrezeptoren. Der erste THC-Rezeptor (CB1) wurde im Rattenhirn identifiziert und zeigte die Charakteristika eines G-Protein-abhängigen neuromodulierenden Rezeptors. Die CB2-Rezeptoren scheinen lediglich in der Peripherie aufzutreten, wohingegen die CB1-Rezeptoren zentral und peripher anzutreffen sind. Wenn sich THC an seine CB1- oder CB2-G-Protein-abhängigen Rezeptoren bindet, kommt es zu Veränderungen der Signalübertragungsfunktionen des Gehirns, des Immunsystems und der Reproduktionsorgane. Im Gehirn kommt es beim Andocken des THC an CB1-Rezeptoren zu ausgeprägten Veränderungen der sensorischen Wahrnehmung. Ein Teil des THC wird nicht sofort metabolisiert und ausgeschieden, sondern bleibt mehrere Tage im Fettgewebe gespeichert. Spontane Freisetzungen größerer Mengen des gespeicherten THC sollten nach einer mittlerweile nicht mehr haltbaren Theorie zu den sogenannten "Flashbacks" führen.
Weitere THC-Wirkungen sind:
Die schmerzstillenden Wirkungen von Cannabinoiden und Opiaten werden in derselben Hirnregion erzeugt. Cannabinoide modulieren die Aktivität von Nervenzellen in der rostralen ventromedialen Medulla, einer Struktur im Hirnstamm, in der auch Opiatrezeptoren vorkommen.Schmerzfrei aber nicht „breit“
Cannabis in der Medizin hat sicherlich eine große Zukunft vor sich. Dennoch sind noch viele Fragen zu klären. Etwa das Abhängigkeitspotenzial bei der Verwendung als Medizin. Auch ob ein Patient unter dem legalen Einfluss von THC ein Fahrzeug führen darf. Ein Cannabisderivat, das zwar analgetisch aber nicht euphorisierend wirkt, ist bereits in Erprobung. Bisher funktioniert das bei Mäusen hervorragend. Das neue Derivat wirkt nicht an CB1/2 Rezeptoren, sondern an der ionenkanalähnlichen GlyR-Bindungsstelle. Über diese wird lediglich eine Analgesie vermittelt.