Lange war es noch unklar, jetzt wird es wahr: Die Universität Oldenburg eröffnet eine länderübergreifende Medical School mit dem umstrittenen Bachelor/Master-System. Ein erster Schlag gegen das Staatsexamen?
Der Plan für die neue European Medical School Oldenburg-Groningen und somit für die Ausbildung im Bachelor/Master-System an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg steht schon seit 2008 fest. Lange Zeit wurde heftig darüber diskutiert, ob an der Universität tatsächlich eine medizinische Fakultät in Zusammenarbeit mit der Uni Groningen (Niederlande) gegründet werden sollte. Mittlerweile ist sicher, dass es so geschehen wird: ab Wintersemester 2012/13 starten zunächst 40 Studierende im Bachlelor-Studiengang Humanmedizin in Oldenburg, um im Anschluss den Master zu absolvieren.
Das Konzept
Das Konzept der neuen Medical School beruht zum einen auf der Bildung einer Medizinischen Fakultät an der Universität Oldenburg, zum anderen auf dem Zusammenschluss der Universitäten Oldenburg und Groningen und des Weiteren dem Zusammenschluss der 3 Oldenburger Kliniken zu einem neuen Universitätsklinikum Oldenburg.
Der hauptsächliche Dreh- und Angelpunkt ist natürlich die Einrichtung einer medizinischen Fakultät in Oldenburg, die ein europäisches Verbundprojekt mit der Universität Groningen ist. Weitgehend findet das 3-jährige Studium bis zum Bachelor of Science in Humanmedizin an der Universität Groningen statt. Studierende können nach diesem Abschluss in Unternehmen, Krankenkassen, Verbänden und anderen Instituten des Gesundheitswesens arbeiten, jedoch nicht in ärztlicher Tätigkeit oder arztähnlicher Tätigkeit.
Möglich ist eine Tätigkeit als Arzt erst nach drei weiteren Jahren mit dem Abschluss des Master of Science in Humanmedizin. Dieser Studiengang wird gleichermaßen von der Universität Oldenburg und von der Universität Groningen verantwortet. Neben diesem Master erlangen die Absolventen auch zusätzlich den niederländischen Master in Geneeskunde. Dies bedeutet für den Studierenden, dass über diese beiden Mastertitel letztendlich auch die ärztliche Approbation für eine spätere ärztliche Tätigkeit in Deutschland erteilt wird.
Das Wichtigste im Überblick:
Start: Wintersemester 2012/13 Studienplätze: 40 Mehr Informationen unter http://www.uni-oldenburg.de/
Neue Studienplätze, neue Möglichkeiten
Solch ein Modell des Humanmedizinstudienganges hat natürlich einige Vorteile. Zum einen entstehen neue Studienplätze, die im Moment dringend benötigt werden, da immer mehr Bewerber sich für den Studiengang immatrikulieren wollen. Die Universitäten können sich mittlerweile vor Studenten kaum retten und von Jahr zu Jahr kommen mehr Interessenten hinzu. Durch die Einführung des Bachelor/ Master-Systems wird auch versucht, dem drohenden Ärztemangel entgegen zu wirken und dadurch den ärztlichen Nachwuchs zu sichern.
Außerdem hat der Studierende auch nach dem Bachelorabschluss eine reelle Chance auf einen Beruf, was mit dem ersten Staatsexamen nicht möglich ist. Man ist durch das Staatsexamen verpflichtet, weiter zu studieren, um überhaupt arbeiten zu können. Zumindest theoretisch stehen die Chancen für Bachelor-Absolventen besser - wie der Abschluss jedoch von Arbeitgebern angenommen werden wird, bleibt abzuwarten. Der doppelte Abschluss in Humanmedizin und in Geneeskunde bietet immerhin die Möglichkeit, im Ausland eine greifbarere Chance auf einen Job zu bekommen.
Ein ganz wichtiger Vorteil ist für viele Studenten, dass die Möglichkeit besteht, mit einem medizinnahen naturwissenschaftlichen Bachelor-Abschluss einen Mastertitel in Humanmedizin zu erlangen und danach ebenso die ärztliche Tätigkeit ausüben zu können. Der Quereinstieg aus naturwissenschaftlichen Fächern wird so erleichtert, solange genug Masterstudienplätze zur Verfügung stehen.
Es geht jedoch auch andersrum: Mit dem Bachelor-Abschluss können Absolventen in einem ganz anderen Bereich einen Mastertitel erlangen, wenn sie sich doch gegen den ärztlichen Beruf entscheiden. Durch das Erlangen eines Bachelor-Titels in Humanmedizin kann der Student einen Mastertitel in Public Health, Epidemiologie, Nursing, Molecular Medicine, Neuroscience, Hörtechnik und Audiologie, Medizinische Biometrie/Biostatistik oder Gesundheitsökonomie erlangen.
Ein umstrittener Abschluss, sofern man ihn machen kann
Das neue Bachelor/Master-System weist aber auch einige Nachteile auf. Die Einteilung in Bachelor und Master wirft einiges an Unverständnis auf. Manche erachten es als sinnlos, das Studium in zwei separate Teile zu spalten, denn die Studierenden der Humanmedizin haben doch genau diesen Studiengang gewählt, um hinterher ärztlich tätig zu sein und nicht nach der Halbzeit mit dem Abschluss Bachelor aufzuhören und in Unternehmen oder Krankenkassen zu arbeiten. Ein Beenden des Studiums nach dem Bachelor könnte außerdem den Eindruck erwecken, dass man mit der Studienwahl unzufrieden war oder das Studium nicht gepackt hat.
Auch nach Beendigung des Masters könnte der neue Abschluss für Nachteile sorgen. Das Staatsexamen hat einen sehr guten Ruf und steht für einen qualitativen Abschluss. Das Bachelor/Master-System hat diesen Ruf in der medizinischen Welt noch nicht erlangt und es wird auch einige Zeit dauern, bis sich der Abschluss etabliert hat. Obwohl sich das neue Bachelor/Master-System nach der ärztlichen Approbationsordnung richtet, wird es eine Umstellung für die Arbeitgeber geben. Man muss als Studierender des Bachelor/Master-Systems daher vielleicht fürchten, sich gegen Bewerber mit dem Abschluss Staatsexamen nicht durchsetzen zukönnen, weil die meisten Arbeitgeber mit dem Staatsexamen und dessen Qualität bestens vertraut sind. Es kann daher sein, dass der neue Abschluss nicht als gleichwertig angesehen wird. Dieses Problem wurde jedoch bisher auch bei anderen Abschlüssen wie Diplom und Magister befürchtet.
Der wichtigste Punkt ist jedoch, dass die Universität nicht garantiert, dass jeder Student nach dem Bachelor-Abschluss einen Studienplatz für den Master bekommt. Somit besteht die Gefahr, dass viele Studenten, die den Mastertitel erlangen wollen, keinen Studienplatz bekommen und somit nicht die ärztliche Tätigkeit erlangen können. Grade durch den Quereinstieg aus anderen naturwissenschaftlichen Bachelor-Studiengängen wird sich die Bewerberzahl für die Master-Kurse nur noch vergrößern. Dass die Zahl derjenigen, die schon nach dem Bachelor in Humanmedizin aufhören, die Zahl der Quereinsteiger ausgleichen wird, ist unwahrscheinlich.
Fazit
Man darf gespannt sein, wie sich das neue Bachelor/Master-System etablieren und inwieweit es mit dem Staatsexamen mithalten können wird. Vor allem wird interessant sein, wie der Abschluss auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland ankommt. Das Bachelor/Master-System für den Studiengang Humanmedizin ist aber definitiv ein wichtiger Schritt, um deutsche Mediziner auf dem weltweiten Arbeitsmarkt zu qualifizieren.