Ein Blick in die Hörsäle verrät es: die Medizin wird weiblich. Über die Hälfte aller Studienanfänger sind Frauen, und auch in der Lehre sind sie auf dem Vormarsch. Welche Konsequenzen bringt dieser Wandel für die Zukunft? Sind Frauen vielleicht sogar die besseren Profs?
War der Arztberuf bis in die 1990er Jahre noch männlich dominiert, findet seit einigen Jahren ein deutlicher Umschwung statt. Immer mehr junge Frauen entschließen sich zu einem Medizinstudium und stellen heute sogar weit über die Hälfte aller Studienanfänger. Dieser Trend lässt sich zwar auch bei den Absolventen beobachten, auf höheren Hierarchieebenen sind hingegen immer noch überwiegend Männer anzutreffen.
Mit jeder Stufe auf der Karriereleiter wird der Frauenanteil geringer, bis er im wissenschaftlichen Bereich – also in Habilitation und Professur – gerade mal 5% erreicht. Vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Ärztemangels sind solche Zahlen natürlich alles andere als akzeptabel. Um an dieser Stelle nachhaltige Zukunftsarbeit zu leisten, haben immer mehr Universitätskliniken wie auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DGF) Initiativen ins Leben gerufen, die Frauen in Forschung und Lehre fördern sollen. Dass viele dieser Programme schon Wirkung zeigen, macht sich heute schon im Studienalltag bemerkbar. Weibliche Dozenten sind beispielsweise an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) keine Seltenheit und geben Vorlesungen und Seminaren ihre ganz eigene – weibliche – Note.
Wandel macht auch vor Lehrstühlen keinen Halt
Dabei scheinen die meist ausgesprochen dynamischen und engagierten Wissenschaftlerinnen zumindest ein typisch weibliches Klischee zu bestätigen: ihre ausgeprägte soziale Ader. Um hierfür ein paar Beispiele anzubringen, möchte ich einmal aus meiner allernächsten Quelle schöpfen, meinen eigenen Erfahrungen als Medizinstudentin.
Schon im klassischen Anatomie-Kurs hatte ich eine Professorin im Präpariersaal. Während Kommilitonen regelmäßig über die rabiaten Testate ihres Dozenten "der alten Schule" klagten, hielt meine Professorin wenig von Stress-Testaten und setzte dagegen auf eher kollegiale Gruppen-Gespräche am Präpariertisch. Zudem suchte sie regelmäßig das Gespräch mit Studenten, die beispielsweise Lernschwierigkeiten hatten oder sich mit Fragen zum Studium an sie wandten. Was die Unterrichtsformen und didaktischen Gestaltungsmittel betrifft, setzten besonders die Dozentinnen auf Gruppendiskussionen, Kleingruppenarbeit und kreative Unterrichtsformen wie u.a. das Erstellen und Präsentieren von Plakaten. Im krassen Gegensatz dazu gibt es in der männlichen Fraktion immer noch viele klassische Professoren mit weltfremden Blick und übergroßer Wertschätzung des strikten Frontalunterrichts. Wie erfrischend war da doch ein Hygiene-Seminar, in dem uns die Dozentin wertvolle Tipps für die Prüfung gab und bei langen Nachmittagen zur Motivation sogar Schokoriegel (!!!) verteilte.
Die Mutter in der Klinik
In Zeiten unbesetzter Stellen und regelmäßiger Überstunden nimmt der Frauenanteil genau in jenen Bereichen ab, in denen vor lauter (Büro-)Arbeit für soziales Engagement in der Patientenbetreuung kein Spielraum mehr bleibt. Kein Wunder, denn das fließbandartige Abarbeiten von Entlassungsbriefen und Konsilen lässt sich wohl kaum als befriedigende und erfüllende Tätigkeit bezeichnen. Zudem scheint in einigen Disziplinen die Pflege eines Privat- oder Familienlebens schier unmöglich. Dieser Knackpunkt wird nach und nach immer mehr Arbeitgebern bewusst und so gibt es heute kaum eine Uniklinik, die für ihre Mitarbeiter keine Kinderbetreuung anbietet. So wurde beispielsweise die MHH kürzlich als besonders familienfreundlich ausgezeichnet und bietet zudem spezifische Förderprogramme für Frauen in der Wissenschaft an.
Obgleich solche Initiativen sicher schon einige Frauen dazu motivieren konnten, nach der Approbation am Ball zu bleiben, ist weiträumiges Umdenken dringend erforderlich. Denn nur, wenn dieser aktuelle Trend der Feminisierung endlich nicht mehr von vielen männlichen Kollegen als Bedrohung beäugt wird, könnten Ärztinnen zukünftig auch auf deutschen Lehrstühlen ihre kreativen und sozialen Energien voll entfalten.
Fazit
Der Frauenanteil in der Medizin nimmt stetig zu und auch in der Lehre haben Frauen ihren Platz gefunden. Obgleich ihr Anteil in der Wissenschaft noch höher sein könnte, bringen sie mit neuen Unterrichtsformen frischen Wind an deutsche Unis. Um diese engagierte Fraktion weiter zu stärken, sind innovative Projekte zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein wichtiger Schritt für die Zukunft.