Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fordert die Einführung der Widerspruchslösung. Damit würde nach dem Tod jeder automatisch zum Organspender werden. Es sei denn, man widerspricht selbst oder Angehörige stellen sich dagegen.
Jens Spahn möchte die Debatte um die Widerspruchslösung für Organspenden neu anstoßen. Er sei bereit, diese Debatte „zu organisieren“ und er will „jedem Abgeordneten fachlich helfen, seine Position als Antrag fürs Parlament zu formulieren“. Nur so könne die Organspende zum Normalfall werden, sagte der Gesundheitsminister in einem Interview [Paywall] mit der „Bild“-Zeitung. Eine solche Neuregelung stelle zwar einen Eingriff des Staates in die Freiheit des Einzelnen dar. Doch seien alle bisherigen Versuche der Politik, die Zahl der Organspender zu steigern, leider ohne Erfolg geblieben, argumentierte Spahn. Letzte Woche wurde bereits ein Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der die entsprechende Organisationsstruktur der Kliniken verbessern und die Vergütungen erhöhen soll. Konkret soll es künftig verbindliche Vorgaben für die Freistellung von Transplantationsbeauftragten geben. Auch sollen kleinere Entnahmekliniken durch qualifizierte Ärzte bei der Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls unterstützt werden. Ein flächendeckendes Berichtssystem soll zur Qualitätssicherung bei der Spendererkennung und –meldung beitragen.
Mit Zuspruch für die Widerspruchslösung ist zu rechnen: Der Gesundheitsexperte der SPD, Karl Lauterbach, sagte der Rheinischen Post: „Ich bin ein klarer Befürworter der Widerspruchslösung.“ Es sei eine „Schande“, dass zurzeit so viele Menschen „unnötig leiden, weil keine Organe für sie vorhanden sind“. Auch der 121. Deutsche Ärztetag 2018 sprach sich für die Regelung aus und forderte den Gesetzgeber auf, das Transplantationsgesetz in diesem Sinne zu formulieren. Bei einer repräsentativen Umfrage der Barmer-Krankenkasse aus diesem Jahr plädierten 58 Prozent der befragten Versicherten für eine Widerspruchsregelung. Das Gesundheitsministerium äußerte allerdings zuletzt, dass das Hauptproblem nicht die Spendenbereitschaft der Bürger sei. Mitte August teilte es dem ARD-Magazin „Report Mainz“ mit, dass „strukturelle und organisatorische Schwachstellen“ sowie die „Arbeitsverdichtung“ in den Krankenhäusern für die sinkende Zahl der Organentnahmen verantwortlich seien. Auch kritisierte es die unzureichende Vergütung für Organentnahmen. Dies soll der neue Gesetzesentwurf nun angehen.
In fast allen europäischen Ländern ist die Widerspruchslösung üblich. Mit knapp 800 Transplantationen lag die Zahl der Organspenden in Deutschland im vergangenen Jahr auf dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren. Damit bildet Deutschland neben Luxemburg das Schlusslicht unter den acht Eurotransplant-Ländern. Über 10.000 schwerkranke Patienten warten derzeit auf eine Transplantation.