Bei der Bündelung sämtlichen irdischen Wissens macht Google vor nichts und niemandem halt. Auch nicht vor der menschlichen Anatomie. Mit dem Google Bodybrowser kann spielerisch durch ein 3D-Modell des menschlichen Körpers gezoomt werden.
Die Geschichte der menschlichen Anatomie ist relativ jung. Lange Zeit war es verpönt in menschliche, wenn auch tote, Haut oder gar tiefer zu schneiden um das Innenleben zu erforschen. Erst im 16. Jahrhundert erfuhr die Wissenschaft durch Andreas Vesalius und sein Werk "De humani corporis fabrica" (über den Bau des menschlichen Körpers) eine erste systematische und reich bebilderte Aufarbeitung der anatomischen Strukturen des Menschen. Allerdings sind noch bis heute Kenntnisse über die menschliche Funktionsweise den Fachleuten vorenthalten. Ganz im Sinne des aufgeklärten Patienten hat nun Google Vesalius Werk in das digitale Zeitalter gehoben. Im Google Bodybrowser kann nun jeder, fast wie bei Google Earth, mit ein paar Mausklicks durch die feinen Details unserer Innereien zoomen.
Technische Hürden zum Einstieg
Schon vor dem ersten Öffnen der Internetseite sind jedoch ein paar Hürden zu überwinden. Das Angebot funktioniert nur mit Webbrowsern, die WebGL, eine Anwendung zum Anzeigen von 3D-Inhalten, unterstützen. Das sind zum Beispiel Googles eigener Browser Chrome oder der Firefox 4 von Mozilla. Auch scheint das Programm relativ rechenintensiv zu sein, wodurch es je nach Ausstattung des eigenen PCs nur zu langsamer und ruckelnder Anzeige kommt.
Anatomie mit Jugendschutz
Öffnet man nun die Seite, fällt einem direkt der erste Unterschied zu den regulären Anatomie-Atlanten auf: Angezeigt wird, je nach Auswahl, entweder ein männliches oder weibliches Model in Shorts bzw. Sport-BH. Ganz im Sinne des Jugendschutzes (Google ist ein US-Amerikanischer Konzern) lässt sich die Bekleidung nicht entfernen, wodurch eine Beurteilung der äußeren Geschlechtsmerkmale nicht möglich ist. Bewegt man dann einen seitlichen Zoom-Schieber, kann langsam durch die verschiedenen Schichten von Haut bis Gefäßsystem gezoomt werden. Gleichzeitig ist es möglich, das Model in alle Himmelsrichtungen zu drehen und zu neigen. Allerdings funktioniert das Zoomen lediglich durch Ausblenden verschiedener Schichten bzw. Funktionsgruppen. Es ist zum Beispiel nicht möglich sich analog zu einer OP langsam durch die verschiedenen Schichten vorzuarbeiten. Die einzelnen Organsysteme werden schrittweise nacheinander ausgeblendet. Erst die Muskulatur, dann das Knochenskelett und als letztes das periphere Nervensystem. Zur Planung einer OP oder zum Nachvollziehen eines Zugangsweges ist die Software also nur bedingt geeignet.
Anzeige gruppierter Organsysteme nur begrenzt möglich
Gerade für das Nachvollziehen von Muskelansätzen oder Verfolgen des Verlaufs von Strukturen im dreidimensionalen Raum erscheint die Anwendung trotzdem sehr wertvoll. Leider lässt sich die Beschriftung der einzelnen Elemente nur relativ umständlich einschalten und die Navigation durch das 3D-Model ist ein bisschen umständlich. Man kann nur heran- oder herauszoomen und das Model entlang seiner Längsachse drehen. Eine Bewegung in der Koronarebene ist leider nicht vorgesehen. Ausschließlich mit dem Bodybrowser zu lernen, ist wahrscheinlich auch eher ungünstig, da die Anzeige der Anatomie im Kontext, z.B. gruppierte anatomische Strukturen im kleinen Becken, nur begrenzt darstellbar ist. In der rechten Menüleiste findet man unter "Links" eine Liste verschiedener Organsysteme, die per Klick anwählbar sind. Dort können dann isoliert zum Beispiel die Augenmuskeln oder die Nasennebenhöhlen betrachten werden, die in ihrer dreidimensionalen Betrachtung zusätzlich zum Anatomiebuch sehr lehrreich sein können.
Und was lernen wie daraus?
Im medizinischen Alltag ist das Programm wahrscheinlich vorerst noch nicht sinnvoll. Der Ansatz ist aber vor allem im Bereich der OP-Planung höchst interessant. Dafür muss Google aber noch ein bisschen an den Funktionen schrauben. Der Browser ist ja aber auch noch in der Beta-Phase. Für den medizinischen Laien ist er sicherlich ein gutes Werkzeug um anatomische Beschreibungen nachvollziehen und den menschlichen Körper besser zu verstehen. Vielleicht könnte er sogar im Aufklärungsgespräch genutzt werden um dem Patienten Prozeduren eindeutiger erklären zu können.
Auch wenn die Internetseite dem wissbegierigen Medizinstudenten nichts wirklich Neues zeigen kann, bietet sie die Möglichkeit einer Horizonterweiterung: Unter Links lässt sich nämlich auch die Anatomie der Kuh erfahren: "Switch to Google Cow".