Darf Intelligenz schön sein? Offenbar nicht, denn wie erklärt man sich sonst die ablehnende Haltung, die hübschen Medizinstudentinnen oft zuteil wird?
"Schöne Menschen haben es leichter im Leben", hat schon meine Oma gesagt, meine Mutter sagt es auch und ich höre es bei jedem Erfolg, den ich in meinem Leben verbuche, zumindest als Raunen im Hintergrund.
Mein Medizinstudienplatz an der Eliteuni wird so gern mit einem Augenzwinkern bedacht, während mein Gegenüber mit der Präzision eines Lasers meine Körpermaße nimmt. Oh ja, man hat es wirklich verdammt leicht als blonde, medienkonform hübsche Medizinstudentin. Bereits am ersten Tag auf Station kann ich den Blickradius der männlichen Kollegen nach kurzer Orientierung auf einen Umkreis von 10cm um die eigene Oberweite reduzieren.
Die Streber
Die Motivation, sich durch besondere Leistungen aus der brodelnden Menge der kampfbereiten Mitstreiterinnen hervorzuheben ist geradezu ungebremst. Besonders dann, wenn diese mit Fensterglas bebrillt und vor Detailfragen überquellend auf sich aufmerksam machen, was zwar unnötig, aber entscheidend hinsichtlich der Strategie der Trägerin ist: "Der Klügere fragt nach!" Übrigens auch gerne dann, wenn ich eine Anweisung geschrieben habe. In solchen Fällen wird dann gleich der Chef gefragt, sicher ist sicher.
Die hart arbeitenden Anti-Barbies aus Pflege und Ärzteschaft bringen es dann auf den Punkt, wenn sie den unerhörten 3cm-Absatz meiner Schuhe mit einem Grunzen kommentieren.
Anti-Barbies gegen Heidis Mädels
Es folgt ein gut einstudierter Tanz zwischen den Wuchtbrummen mittleren Alters, die einen mit Leidenschaft Bettpfannen schrubben oder extrem distanzlose Patienten behandeln lassen, und den jungen blonden Dingern meiner Zunft, die gefälligst zu Heidi Klum gehen können, wenn sie sich mehr für Makeup als für Fäkalien begeistern können.
Man nickt und lächelt, nutzt seine angeborene Gesichtssymmetrie, um mit halbwegs korrekt sitzenden Mundwinkeln schnell das Weite zu suchen.
Wer schön sein will...
Das sucht man als gut gebaute Göttin in Weiß übrigens auch bei der Bekleidung. Weit, unauffällig, hoch geschlossen, das zeichnet die passende Klamotte für einen schönen Menschen im Arztberuf aus. Alles andere ist unhöflich! Unhöflich gegenüber den Mitstreitern der ärztlichen Zunft, denen es auf gar keinen Fall zu zumuten ist, ihre Objektivität gegenüber Körperformen auch noch auf ihre Kollegen auszuweiten.
Liebe Medizinerwelt, ich werde dennoch nicht aufgeben, denn wer schön sein will, muss schließlich leiden.