Essanfälle bei weiblichen Jugendlichen können auf Stressphasen der Mutter während der Schwangerschaft zurückgeführt werden. Scheinbar findet die Programmierung bereits im Gehirn des Fötus statt. Der Ausbruch der Störung kann aber verhindert werden.
Die Binge-Eating-Störung ist eine verbreitete Essstörung, von der bis zu drei Prozent der Bevölkerung betroffen sind, hauptsächlich Frauen. Dieses als „Essanfall“ oder auch „Heißhungerattacke“ umschriebene Phänomen entzieht sich der Kontrolle des Betroffenen. Sie nehmen häufig innerhalb kürzester Zeit große Mengen an Nahrung zu sich. Viele Betroffene sind übergewichtig und haben dadurch ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, Diabetes und Herzerkrankungen. Häufig leiden Patienten mit diesen Essanfälle auch an Depression und niedrigem Selbstwertgefühl und neigen vermehrt zu Angststörungen. Es ist bekannt, dass sich negative Lebensumstände der Mutter während der Schwangerschaft auch negativ auf das spätere Leben des Nachwuchses auswirken und Männer wie Frauen für verschiedene Krankheiten anfällig machen können. Die Neurobiologin Mariana Schroeder wollte zusammen mit ihren Kollegen herausfinden, ob dieses Phänomen auch bei Essstörungen eine Rolle spielt. Im Mausmodell konnte die Aktivierung der zentralen Stressantwort während einer fortgeschrittenen Schwangerschaft biologisch nachgebildet werden. Dann wurde getestet, ob die Nachkommen während der Pubertät anfällig für Heißhungerattacken waren. Am Ende kam heraus, dass weibliche Nachkommen von Mäusen, die während der Schwangerschaft gestresst waren, eher Fressattacken entwickelten als weibliche Nachkommen nicht gestresster Mäuse.
Schroeder erklärt: „Nun wollten wir wissen, wie Stress genau Heißhungerattacken verursacht. Wir haben herausgefunden, dass viele Moleküle im Hypothalamus der betroffenen Nachkommen epigenetisch verändert waren. Diese Programmierung während der Schwangerschaft führt jedoch nicht immer zu gestörtem Essverhalten. Erst wenn während der Pubertät bestimmte Auslöser auftreten, machen sich die bereits durch pränatale Programmierung gegebenen Veränderungen bemerkbar.“ Mit ausgewogener Ernährung im heranwachsenden Alter, kann der Störung entgegengewirkt werden. Alon Chen, Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, resümiert: „Das Bemerkenswerteste an der Studie ist, dass wir den Ausbruch von Heißhungerattacken vollständig unterbinden konnten, indem wir den heranwachsenden Mäusen eine ausgewogene Diät verabreichten.“ Chen fügt hinzu: „Diese Studie ist der Beweis dafür, dass Essanfällen eine pränatale Programmierung zugrunde liegt.“ Der Text basiert auf einer Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts München
A Methyl-Balanced Diet Prevents CRF-Induced Prenatal Stress-Triggered Predisposition to Binge Eating-like Phenotype Mariana Schroeder et al.; SellPress Selections, doi:10.1093/aje/kwx177; 2017