Viele Medizinstudenten sind gepierct oder tätowiert. Doch ist das für einen Arzt überhaupt angebracht? Oder anders: muss man sein Aussehen dem Beruf anpassen?
Früher sah man Tätowierungen nur bei wilden Seebären und gefährlichen Rockern, heutzutage sind sie jedoch längst keine Seltenheit mehr. Viele Tattoo- und Piercingträger bringen durch ihren Körperschmuck ihren Stil und ihre Persönlichkeit zum Ausdruck - auch Medizinstudenten bilden da keine Ausnahme. Doch gerade angehende Ärzte haben oft mit Vorurteilen und ablehnender Haltung zu kämpfen.
Im Laufe des Medizinstudiums stellt sich irgendwann die Frage ob ein Tattoo oder ein auffälliges Piercing für den späteren Arztberuf geeignet, oder ob es nicht doch eher hinderlich ist. Die Meinungen gehen unter Studenten, Dozenten und Patienten weit auseinander.
Jung gegen alt
Zum einen ist da natürlich der Generationenkonflikt zwischen Arzt und Patient. Viele ältere Patienten, die man als Arzt im Krankenhaus versorgt, stammen aus einer Generation, in der es nicht üblich oder sogar verpönt war, sich tätowieren zu lassen. Ganz zu schweigen davon, sich Metall durch irgendwelche Körperteile zu stechen. Jeder, der es macht, fällt aus der Reihe und ist für den Patienten keinesfalls vertrauenswürdig. Diese Einstellung kann dazu beitragen, dass der Arzt in seiner Funktion als solcher nicht erstgenommen oder vielleicht sogar abgelehnt wird. Viele Patienten wollen nicht von einem Arzt behandelt werden, welcher nicht dem typischen Arztbild entspricht. Ein anständiger Arzt ist nun mal nicht gepierct oder tätowiert, sondern verhält sich angepasst und vorbildlich.
Der Generationenkonflikt kommt aber nicht nur zwischen Arzt und Patient vor, sondern mitunter auch zwischen Lehrkörpern der Universität und Studierenden. Viele Dozenten stammen ebenso aus einer anderen Generation und sind daher der Meinung, dass auffälliger Körperschmuck nicht mit dem Arztberuf vereinbar ist. Bei einigen Dozenten ist es nicht gerne gesehen, wenn der Student Piercings im Gesicht oder Tattoos an sichtbaren Körperstellen trägt. Er verbindet dies leider häufig auch mit Inkompetenz des Studierenden. Manche Dozenten machen ihrer Abneigung dann Luft, indem sie diese Studenten anders behandeln als andere. Im Extremfall kann das dazu führen, dass ihnen nicht die gleichen Chancen bei Prüfungen eingeräumt werden und die Studenten schlechtere Ergebnisse erzielen.
Vorbildfunktion
Im Arztberuf ist Körperschmuck auch deswegen immer noch so verpönt, weil dieser Beruf in der Gesellschaft immer noch eine sehr hohe Stellung hat. Arzt zu sein und als Arzt zu praktizieren ist für viele mehr als ein Beruf und hat eine gewisse Vorbildfunktion für andere Menschen. Viele Patienten sehen in ihrem Arzt eine wichtige Vertrauensperson und Konstante. Umso abschreckender ist es für viele Menschen, wenn der Arzt, dem sie sich anvertrauen, dem äußeren Bild des bodenständigen Durchschnittsbürgers nicht mehr entspricht. Viele Patienten lehnen die Behandlung durch einen solchen Arzt ab, weil sie ihm das nötige Vertrauen nicht entgegen bringen. Der Körperschmuck kann auch als extrem abstoßend empfunden werden, sodass die Meinung aufkommt, dass der Arzt auf seinem Fachgebiet schlecht ist und die Patienten auch dementsprechend schlecht behandelt. Solch ein Arzt ist definitiv kein Vorbild mehr und wird auch von einigen Patienten und (älteren) Kollegen nicht ernst genommen.
Unterschiedliche Meinungen unter Studenten
Auch unter Medizinstudenten selbst gehen die Meinungen sehr weit auseinander. Einige Studenten teilen die Meinungder älteren Patienten und Dozenten: sie empfinden es als unangebracht, sich als Medizinstudent und späterer Arzt tätowieren oder piercen zu lassen. Unter anderem, weil Sie einfach wissen, dass ältere Patienten oft negativ darauf reagieren.
So gibt es aber im Gegensatz dazu auch Studenten, welche dies völlig okay finden und sogar selbst Körperschmuck tragen. Sie vertreten die Meinung, dass dies in den Bereich Privatleben fällt und nichts mit dem Arztberuf zu tun hat. In dem Falle werden Grenzen gezogen, inwieweit der Beruf Einlass in das Privatleben gewinnt und inwieweit man sich der (vielleicht veralteten) Norm anpassen möchte. Eine Frage, die man sich auch ohne Körperschmuck stellen muss.
Fazit
Letztendlich muss jeder Student für sich selbst entscheiden, ob Körperschmuck im Arztberuf angebracht ist oder nicht und ob man mit den Vorurteilen der anderen gut umgehen kann. Meiner Meinung nach hat jeder Student das Recht, auszusehen wie er möchte, denn dies fällt in den Bereich Privatleben und sollte unantastbar bleiben. Kein Patient oder Dozent sollte das Wissen und die Kompetenz einer Person an ihrem Äußeren messen und zum Glück bilden mittlerweile Mediziner mit Körperschmuck auch keine Seltenheit mehr.