Die nichtalkoholische Fettleber gehört in Deutschland zu den häufigsten Stoffwechselerkrankungen. Diabetologen haben nun einen neuen Index entwickelt, mit dessen Hilfe sich eine Fettlebererkrankung früher und genauer als bisher vorhersagen lässt.
Experten schätzen, dass rund 30 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland an einer krankhaft verfetteten Leber leiden. Die Betroffenen haben nicht nur ein höheres Risiko, an Leberzirrhose und Leberkrebs, sondern auch an Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen zu erkranken. Meistens wird eine Fettleber erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt – entsprechend schwierig gestaltet sich dann die therapeutische Intervention. Mithilfe der Kernspinspektroskopie lässt sich eine Fettleber schon zu einem frühen Zeitpunkt diagnostizieren. Da diese Untersuchungsform jedoch aufwändig und teuer ist, kommt sie nur selten zum Einsatz. Ärzte setzen daher auf eine einfachere und kostengünstigere Methode. Sie bestimmen den Taillenumfang sowie den BMI eines Patienten und messen seine Blutwerte für Triglyzeride und GGT im Nüchternzustand. „Aus all diesen Parametern kann jeder Hausarzt leicht den Fettleberindex berechnen“, sagt Norbert Stefan, Leiter der Abteilung Pathophysiologie des Prädiabetes am Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen. Doch der Fettleberindex (FLI) hat nur eine Vorhersagewahrscheinlichkeit von rund 79 Prozent, so dass insbesondere Patienten mit einer Fettleber im Frühstadium nicht immer aufgespürt werden. Stefan und sein Team haben deshalb einen erweiterten Fettleberindex entwickelt, mit dessen Hilfe die Wahrscheinlichkeit deutlich steigt, Patienten mit einer Fettleber schon in einem frühen Stadium sicherer als bisher zu diagnostizieren. Wie die Wissenschaftler in einem Artikel im Fachmagazin Diabetes and Metabolism berichten, müssen dafür zusätzlich zu den Parametern des FLI die Triglyzeride- und Glukosewerte aus einem oralen Glukosetoleranztest sowie die für die Fettleber wichtigste Genvariante bestimmt werden.
Seit einigen Jahren ist bekannt, dass eine bestimmte Variante des PNPLA3-Gens, die bei mehr als 25 Prozent der Bevölkerung vorkommt, mit einer Wahrscheinlichkeit von rund zehn Prozent die Verfettung der Leber vorhersagt. PNPLA3 trägt die Bauanleitung für ein Enzym, das für die Spaltung von Triglyzeriden verantwortlich ist. „Da Betroffene mit der Risikovariante von PNPLA3 nicht nur häufiger an einer Fettleber leiden, sondern die Erkrankung auch schneller fortschreitet, wäre es auf Dauer unverantwortlich, nicht zu schauen, ob bei Patienten mit einem sehr hohen Leberfettgehalt die Genvariante vorliegt“, findet Stefan. Stefan sah einen dringenden Handlungsbedarf für einen verbesserten Test, angesichts der Tatsache, dass die Anzahl der Patienten mit einer Fettleber in den vergangenen 20 Jahren sich verdreifacht und somit auch die Anzahl der fortgeschrittenen Fettlebererkrankungen sich stark erhöht hat. „Dieser Anstieg ging parallel mit der Zunahme der Adipositas einher“, berichtet Stefan. „Beide Krankheitsbilder haben ihre hauptsächliche Ursache in einer zu hohen Kalorienzufuhr, insbesondere wenn diese Kalorien aus schnell resorbierbaren Kohlenhydraten stammen.“
Im Rahmen der Studie haben er und seine Mitarbeiter 330 Menschen auf eine mögliche Fettleber untersucht. Für die Aufnahme in die Untersuchung mussten die Probanden mindestens eins der folgenden Kriterien erfüllen: enge Familienangehörige mit Typ-2-Diabetes, ein BMI größer als 27, erhöhte Blutzuckerwerte im prädiabetischen Bereich oder Diabetes während der Schwangerschaft. Bei allen Probanden bestimmten die Forscher die Standardparameter des bisherigen FLI und welche Variante des PNPLA3-Gens vorlag. Zudem mussten sich die Studienteilnehmer einem oralen Glukosetoleranztest unterziehen, mit dem das Team um Stefan deren Blutzucker- und Triglyzeridewerte nach zwei Stunden ermittelte. Um herauszufinden, wie viel besser der erweiterte FLI eine Fettleber vorhersagen kann, maßen die Forscher bei allen Probanden den Leberfettgehalt mithilfe der Kernspinspektroskopie. 105 Studienteilnehmer hatten eine beginnende Fettlebererkrankung, die anderen nicht. Dann ermittelten Stefan und seine Mitarbeiter bei allen Probanden den erweiterten FLI und schauten, wie vielen Probanden damit eine richtige Diagnose zugewiesen werden konnte. Als die Forscher diese Ergebnisse mit den Ergebnissen für den bisherigen FLI verglichen, zeigte sich, dass der erweiterte FLI mit 86 Prozent eine um sieben Prozent größere Vorhersagewahrscheinlichkeit besitzt. „Mit dem erweiterten Fettleberindex steigen die Chancen, Patienten mit einer Fettleber schon in einem frühen Stadium zu identifizieren“, findet Stefan.
In einem zweiten Teil der Studie wollten er und sein Team herausfinden, wie sich eine Lebensstil-Intervention auf die Probanden auswirkt. Diese wurden angehalten, sich fettärmer und ballaststoffreicher zu ernähren sowie drei Stunden Ausdauersport pro Woche zu betreiben. Von den ursprünglich 330 Probanden wurde bei 213 am Ende der Intervention nach durchschnittlich 8,7 Monaten der Leberfettgehalt mittels Kernspinspektroskopie gemessen. Von diesen 213 Probanden hatten 61 zu Interventionsbeginn eine Fettleber im Anfangsstadium. Nach der Intervention hatten 44 Probanden eine Fettleber; darunter befanden sich aber auch 9 Probanden, die zu Interventionsbeginn noch keine Fettleber hatten. Es zeigte sich, dass besonders diejenigen von der Umstellung ihrer Gewohnheiten profitierten, bei denen zu Beginn der Intervention ein deutlicher Abfall der Triglyzerid-Spiegel während des zweistündigen oralen Glukosetoleranztests zu verzeichnen war. „Eine Triglyzerid-Abnahme von 15 Prozent war mit einer 60 Prozent größeren Chance für eine erfolgreiche Intervention assoziiert“, berichtet Stefan. „Da die Veränderung des Triglyzerid-Spiegels im erweiterten FLI abgebildet wird, lässt sich mit diesem Index nicht nur besser vorhersagen, ob jemand eine Fettleber hat, sondern auch, ob diese Person einen Nutzen aus einer Lebensstilintervention zieht und sich die Fettleber dadurch wieder zurückbilden kann.“
Allerdings ist noch unklar, ob der erweiterte Fettleberindex auch eine Fibrose und andere schwerwiegende Lebererkrankungen vorhersagen kann. Dafür hätte man in der vorliegenden Untersuchung Leberbiopsien entnehmen müssen, so Stefan. Er hofft, dass dieser Aspekt in zukünftigen Studien weiter erforscht werden kann. Als nächstes möchte sich der Wissenschaftler dafür einsetzen, dass der erweiterte Fettleberindex in die nächste Leitlinie über die nichtalkoholische Fettlebererkrankung aufgenommen wird. Aber nach Ansicht von Stefan könnten schon jetzt Ärzte bei Patienten mit Verdacht auf erhöhten Blutzucker im Rahmen eines oralen Glukosetoleranztest auch den 2-Stunden-Wert für Triglyzeride messen, da diese zusätzliche Bestimmung kaum Mehrkosten verursacht.